Shiatsu im Wandel. Von den Ursprüngen zu einem europäischen Verständnis (Eduard Tripp)

Shiatsu ist in seiner Entwicklung untrennbar verbunden mit Tokujiro Namikoshi, der als sein Begründer gilt und dem es vor allem zu verdanken ist, dass Shiatsu in Japan als Gesundheitsberuf anerkannt wurde. In seinem Verständnis ist Shiatsu „the application of manual and digital pressure to the skin with the aim of preventing and curing illness by stimulating the body´s natural powers of recuperation, eliminating fatigue-producing elements, and promoting general good health”(Toru Namikoshi: „The Complete Book of Shiatsu Therapy”, 1974). Ähnlich definierte es Katsusuke Serizawa: “Shiatsu technique refers to the use of fingers and the palm of one´s hands to apply pressure to particular sections on the surface of the body for the purpose of correcting the imbalances of the body, and for maintaining and promoting health. It is also a method contributing to the healing of specific illnesses.”[1]Dr. Katsusuke Serizawa war 1955 als Vertreter für Akupunktur, Moxibustion und Anma beim Hearing des japanischen Gesundheitsministeriums und betrachtet Shiatsu als alte japanische Therapie in der … weiterlesen

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Die Bezeichnung Shiatsu[2]„Shi” bedeutet Finger, „oyayubi” Daumen und „atsu“ Druck, doch lässt sich Shiatsu sinngemäß sowohl als Finger- als auch als Daumendruck übersetzen. wurde von Tenkai Tamai Anfang des 20. Jahrhunderts geprägt[3]In „Shiatsu Ryoho“, veröffentlicht 1919, hat Tenkai Tamai westliches anatomisches Wissen mit der traditionellen japanischen Behandlung verbunden. und von Tokujiro Namikoshi aufgegriffen, der seiner Methode den Namen „Shiatsu Ryoho“ (Shiatsu Behandlung) gab. Die tiefsten Wurzeln des Shiatsu aber liegen, wie Vertreter des japanischen Shiatsu betonen[4]Nach Shiatsupractor´s Association of Canada (SPAC; www.shiatsupractor.org), die der in Japan anerkannten Shiatsu-Ausbildung Namikoshis folgt., im Teate (was so viel wie „manuell“ oder „hands-on“ bedeutet) und damit in der universellen instinktiv-menschlichen Erfahrung, dass Schmerzen gelindert werden können, wenn man die Hände auf den betroffenen Körperbereich legt. Die ersten japanischen Beschreibungen solcher Heilmethoden liegen etwa 2.000 Jahre zurück: In einem alten japanischen Gedicht heilt Sukunahikonakami, der „Vater der japanischen Medizin“ die Menschen mit seinen Händen.

Mit der Übernahme der traditionellen chinesischen Medizin in der zweiten Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrtausends wurde diese zum Zentrum der japanischen Medizin und behielt diese Stellung bis zur Meji Restauration (1868). Neben Akupunktur, Moxibustion, Arzneimitteltherapie und Ernährung war Anma, die japanische Form der chinesischen Tuina-Massage, als manuelle Behandlungsmethode damit ein wichtiger Bestandteil der medizinischen Behandlung geworden.[5]Festgehalten ist dies im heute ältesten japanischen Medizinbuch, dem Ishinboh von Yasuyori Tanba (984).

Die Edo-Zeit (1603 – 1867) brachte große manuelle Therapeuten wie Ryouzan Goto oder Shinsai Ota hervor. Gegen Ende der Edo-Periode begründeten Genpaku Sugita und Ryoutako Maeno mit ihrer Übersetzung eines niederländischen Textes über Anatomie, dem Kaitaishinsho, die Entfaltung der westlichen Medizin der Meiji-Periode (1868 – 1912), die zur Einführung manueller westlicher Behandlungen führte. Zusammen mit Methoden wie Anma oder Do-In, die der chinesischen Tradition entstammen, gab es damit dann mehr als 300 verschiedene Behandlungsformen.


Der Ursprung des Shiatsu

Der Begründer des heute in Japan einzig offiziell anerkannten Shiatsu, Tokujiro Namikoshi, wurde 1905 geboren. 1912 wird von den Vertretern des Namikoshi-Shiatsu als Geburtsjahr des Shiatsu betrachtet, weil Tokujiro Namikoshi in diesem Jahr – völlig ohne Wissen über manuelle und andere medizinische Behandlungen und ohne Ausbildung – seine Mutter, die an Rheuma erkrankt war, durch Massagen heilte.

In den Folgejahren lernte und studierte Tokujiro Namikoshi westliche Anatomie, Physiologie und Behandlungsmethoden wie auch die von Tenpuku Tamai gelehrte Form der manuellen Behandlung, die traditionelle japanische Behandlungstechniken und westliches anatomisches Wissen miteinander verband.[6]Nach Wataru Ohashi: „Die japanische Fingerdrucktherapie“, 1992 (englisch: „Do-It-Yourself-Shiatsu“, 1976) 1925 eröffnete er in Muroran (Hakkaido) die erste Shiatsu Treatment Clinic und veröffentlichte 1934 „Shiatsu Therapy and Physiology“. 1940 eröffnete er das „Japan Shiatsu College“.

Zu dieser Zeit gab es noch keine nationalen gesetzlichen Regelungen für Behandlungsmethoden wie Shiatsu, und erst 1947 trat der „Anma, Acupuncture, Moxibustion, Jyudo-Aliment Business Act“ in Kraft. 1955 wurde das Gesetz derart abgeändert, dass es statt „Anma“ nunmehr „Anma (including Massage and Shiatsu)“ hieß. Zwei Jahre danach, 1957, wurde die Shiatsu-Definition von Katsusuke Serizawa vom japanischen Gesundheitsministerium veröffentlicht und das „Japan Shiatsu College“ eine vom Gesundheitsministerium anerkannte Schule.

1957 ging Tokujiro Namikoshi auf Einladung der Palmer Chiropractic School in die USA. Toru Namikoshi, der Sohn von Tokujiro, blieb dort schließlich sieben Jahre lang, um Shiatsu und Chiropraktik miteinander zu vergleichen und nach seiner Rückkehr zur Entwicklung der Shiatsutheorie, basierend auf moderner westlicher Anatomie und Physiologie, beizutragen.

Heute sind Akupunktur, Moxibustion, Anma, (westliche) Massage und Shiatsu als Therapien vom japanischen Gesundheitsministerium geregelt, wobei Shiatsu – aus der Sicht der Namikoshi-Tradition allerdings fälschlicherweise – der traditionellen chinesischen/japanischen Medizin zugerechnet wird. Die offiziell anerkannte Shiatsu-Ausbildung umfasst nahezu 2.500 Ausbildungsstunden, und angehende Shiatsu-Therapeuten, die eine Registrierung anstreben, müssen auch (ebenso wie diejenigen, die westliche Massage erlernen) ihr Wissen über das Meridiansystem unter Beweis stellen, um – wie es offiziell heißt – „Anma, Massage und Shiatsu-Therapeut“ zu werden. Entgegen dieser Praxis aber betont die Namikoshi-Tradition die Anerkennung durch das Gesundheitsministerium (1964) von Shiatsu als eigenständige Methode, die sich von Anma und damit zugleich von der traditionellen chinesischen/japanischen Medizin abgrenzt.


Weiterentwicklungen des Shiatsu

„Japanese Shiatsu is Namikoshi Shiatsu, Namikoshi Shiatsu is Japanese Shiatsu“, wie es Katsusuke Serizawa zum 80. Geburtstag von Tokujiro Namikoshi formulierte[7]Zitiert nach www.shiatsupractor.org/isac/newsletter3.htm; der Link ist aktuell nicht mehr verfügbar., beschreibt zugleich die rechtliche Situation von Shiatsu in Japan. Ausschließlich das in der Tradition von Tokujiro Namikoshi stehende Shiatsu wird für die staatliche Registrierung anerkannt. Aus der Tradition des Namikoshi-Shiatsu gelten darum alle Weiterentwicklungen des Shiatsu als Abwandlungen oder Abweichungen („Derivative Shiatsu“).

Wenngleich in vielen Ländern und teilweise auch in Japan Shiatsu mit der traditionellen chinesischen Medizin assoziiert wird, hat Tokujiro Namikoshi explizit festgehalten, dass das von ihm entwickelte Shiatsu keinen Einfluss der Kampo-Medizin, der japanischen Form der TCM, beinhaltet. Die Einbeziehung von beispielsweise Meridianbehandlungen, wie sie in Japan in den 70er-Jahren populär wurde, betrachten die Anhänger der Namikoshi-Tradition deshalb als Abweichungen vom „wahren“ Shiatsu. Verbreitete Formen sind Tsubo Shiatsu, Meridian Shiatsu, Zen Shiatsu, Tao Shiatsu, Oha Shiatsu und Macrobiotic Shiatsu.[8]Die Bezeichnung „Derivate Shiatsu“ wie auch die nachfolgenden Kurzbeschreibungen der Stile beruht auf den Ausführungen der Shiatsupractor´s Association of Canada (SPAC; … weiterlesen


Wesentliche Elemente des Shiatsu nach Namikoshi

  • Shiatsu ist Diagnose und Behandlung zugleich (Shindan Soku Chiryo). Es ist Teil der Ausbildung Shiatsu-Praktizierender, mit ihren Händen, Fingern und Daumen eine solche Sensibilität zu entwickeln, dass sie Auffälligkeiten der Haut, des Gewebes, der Temperatur u.ä.m. wahrnehmen und schon mit und in der Berührung behandeln. Dieser Ansatz des Shiatsu unterscheidet Shiatsu unter anderem von der traditionellen chinesischen/japanischen Medizin, da Shiatsu keine vorangehende Diagnose benötigt.
  • Shiatsu beruht auf westlicher Anatomie und Physiologie und unterscheidet sich sowohl in der Art seiner Anwendung wie auch in der ihr zugrunde liegenden Theorie deutlich von Anma und der traditionellen Medizin.
  • Die im Namikoshi-Shiatsu verwendeten Punkte (Tsubos) und ihre Lokalisation entstammen moderner westlicher Anatomie und Physiologie und wirken auf unterschiedliche Körpersysteme wie Muskeln, Nerven, Kreislauf und Verdauungsapparat. So unterscheiden sie sich in der Begründung von den Tsubos der traditionellen Medizin, mit denen sie in ihrer Lokalisation durchaus übereinstimmen können.
  • Shiatsu in der Tradition von Namikoshi setzt ausschließlich Finger, Daumen und gelegentlich auch die Handballen ein, um Druck auf bestimmte Punkte auszuüben.


Shiatsu in der Tradition von Shitsuto Masunaga

Shitsuto Masunaga (1925 – 1981) studierte in Kyoto Psychologie. Nach dem Abschluss seines Studiums, 1949, wandte er sich dem Shiatsu zu und unterrichtete an der Japanese Academy of Shiatsu klinische Psychologie. Seine Suche nach einer (alternativen) Shiatsu-Theorie führte schließlich dazu, dass er das Iokai Shiatsu entwickelte, das heute im Westen vor allem als Zen Shiatsu bekannt ist.[9]In Japan spricht man nur von Iokai Shiatsu, weil das Wort Zen religiöse Bedeutung hat. Iokai bedeutet „Association of the King of Medicine“.

Masunaga war Mitglied der „Japanese Society of Psychology“ und der „Japanese Society of Oriental Medicine“, beides Einflüsse, die in dem von ihm entwickelten Shiatsu von Bedeutung sind, stellt er doch dem sehr westlich aufgebauten und betont somatischen Konzept des Shiatsu von Namikoshi die Verwandtschaft von Shiatsu und Zen entgegen.[10]Im Vorwort zu “Zen Shiatsu”, erschienen 1977. Die deutsche Übersetzung (Shitsuto Masunaga & Wataru Ohashi: “Das große Buch der Heilung durch Shiatsu”) erschien 1985. So wie sich im Zen Antworten nicht durch den Verstand finden, vielmehr nur durch die Meditation begreifen lassen, so handle es sich auch bei Shiatsu um eine Methode, die wir nicht verstandesmäßig erfassen können. Nicht das Drücken von Tsubos offenbart das Wesen des Shiatsu, vielmehr sei das Grundprinzip des Shiatsu, so Masunaga, einen „Kommunikationsstrom mit dem Empfänger des Shiatsu“ herzustellen. Dem Behandler kommt damit, zusammen mit der Methode, eine große Bedeutung zu.

Misst man dem kommunikativen Aspekt keine ausreichende Bedeutung bei, so warnt Masunaga, reduziere man Shiatsu zu einer mechanischen Technik – anstatt Shiatsu zu einem umfassenden Heilmittel für die Lebenskräfte in unserem Körper werden zu lassen. Und was im Zen der Wahl eines guten Lehrers entspricht, diese Funktion erfüllt im Shiatsu der Klient.

So wie Namikoshi betont auch Masunaga die Diagnostik, die mit der Berührung einhergeht („Diagnose und Behandlung zugleich“). Wesentlich ist dabei jedoch, dass nicht nach einer Krankheit gesucht wird, man sich vielmehr bemüht – und hier unterscheidet er sich von Namikoshi –, den Klienten psychisch und körperlich auf der Basis der östlichen Philosophie und Medizin zu verstehen und zu erfassen.


Wesentliche, vom Namikoshi-Stil abweichende Elemente des Shiatsu nach Masunaga

  • Behandelt werden Meridiane, vor allem die „Masunaga-Meridiane“ und nicht Punkte.
  • Die Meridiane werden nicht nur mit Händen und Fingern bearbeitet, sondern durchaus auch mit Ellbogen, Knie oder Füßen[11]Auch wegen der Verwendung auch von Ellbogen, Knien, Füßen in der Behandlung, die nach der Namikoshi als nicht adäquat für Shiatsu gilt, stellen Vertreter der Namikoshi-Tradition in Frage, ob es … weiterlesen, und auch erweiternde Arbeitstechniken wie die Verwendung der „Mutter-Hand-Technik“ kennzeichnen den Ansatz Masunagas.
  • Grundlegend sind die östliche Philosophie und Medizin wie auch ein psychologisches Verständnis des Menschen.
  • Für die Diagnostik werden vor allem die Hara-Diagnostik, aber auch andere traditionell begründete Diagnostikverfahren herangezogen, um besser zu erkennen, bei welchen Meridianen eine Behandlung angebracht ist.


Shiatsu in Japan und im Westen

Shiatsu in Japan, so erfuhr Glyn Adams[12]Glyn Adams („Shiatsu in Britain and Japan: personhood, holism and embodied aesthetics“. In: Anthropology and Medicine Vol. 9, No. 3, 2002) vergleicht das in Großbritannien und in Japan … weiterlesen bei seiner Studienreise, unterscheidet sich in vielen Aspekten von dem, was bei uns in Europa gelehrt wird. Als augenfälligen Unterschied beschreibt er beispielsweise, dass keine der Shiatsu-Behandlungen auf dem Futon erfolgte.[13]Gerade aber der Umstand, dass Shiatsu am Boden (auf der Matte, dem Futon) ausgeübt wird, ist ein im Westen häufig beschriebenes Merkmal von Shiatsu und findet sich beispielsweise auch in der … weiterlesen Erklärt wird dieser Umstand in Japan mit dem Hinweis auf die Belastung der Knie, wenn man am Boden arbeitet. Und doch – geradezu paradoxerweise – werden Europäer, die Shiatsu lernen und im allgemeinen weder mit dem Seiza- noch dem Yoga-Sitz vertraut sind, von ihren Lehrern zur knienden Ausübung angehalten.

Adams hinterfragt in seiner Untersuchung die Unterschiede der Shiatsu-Anwendungen in Ost und West, und kommt zum Schluss, dass es sich bei vielen Aspekten des im Westen unterrichteten Shiatsu um Elemente eines globaleren Kontextes handelt – des kulturellen Kontext, in dem Shiatsu gelehrt und ausgeübt wird. Selbst Unterschiede in grundlegenden Denk- und Wahrnehmungsprozessen bilden sich, wie mittlerweile mehrfach in experimentellen Studien (vor allem durch R.E. Nisbett, aber auch durch U. Kühnen[14]R.E. Nisbett: „The Geography of Thought”. 2003       R.E. Nisbett, K. Peng, I. Choi und A. Norenzayan: “Culture and Systems of Thought”. In: Psychological … weiterlesen) nachgewiesen wurde, durch kulturelle Prägungen heraus. Asiatische und westliche (amerikanische ebenso wie europäische) Kulturangehörige unterscheiden sich systematisch in der Art und Weise ihrer Wahrnehmung – und damit auch Selbstwahrnehmung.[15]Genetische Unterschiede können als Ursache dafür ausgeschlossen werden, wie weitere Untersuchungen gezeigt haben: Asiaten werden den Westlern immer ähnlicher, je länger sie im Westen leben.

Westliche Menschen, so zeigen die Untersuchungen, neigen dazu, Objekte isoliert zu betrachten, wohingegen Menschen, die im Osten aufwachsen, den Kontext deutlich stärker einbeziehen. Die Gründe dafür liegen, so die Annahme von Nisbett und anderen, in den weltanschaulichen Grundlagen dieser Kultur, die unter anderem der Verbundenheit von allem mit allem eine herausragende Stellung im Denken und Handeln einräumen. Nichts, so der fernöstliche Ansatz, kann unabhängig vom Zusammenhang betrachtet werden, alles ist Teil eines größeren, komplexen Ganzen – auch das, was (scheinbar) widersprüchlich ist.

Weite Bereiche unseres Verständnisses von Shiatsu sind der Analyse Adams zufolge damit weniger von der japanischen Shiatsu-Tradition geprägt als von der westlichen Alternativ- oder New Age-Bewegung. Als Beispiel dazu führt er das Verständnis der Ganzheitlichkeit an.

In Japan, so Adams[16]Adams bezieht sich dabei vor allem auf M. Lock: „East Asian Medicine in Urban Japan: Varieties of Medical Experience“, 1980., wird Krankheit nicht als ein individuelles Schicksal verstanden, vielmehr als eine familiäre Angelegenheit. Krankheit ist ein Ereignis für das sich die gesamte Familie die Verantwortung teilt. Und damit trägt die Familie auch zur Überwindung der Erkrankung bei, beispielsweise durch die Zubereitung spezieller Nahrungsmittel oder Heilkräuter. Auf diesem Hintergrund lässt sich dann auch verstehen, warum die familiäre und soziale Umwelt in Japan traditionell kaum (explizit) in die Behandlung einbezogen wird: sie ist es quasi automatisch. Ganzheitlichkeit bedeutet in der traditionellen Medizin Japans deshalb konkret insbesondere, dass alle Teile und Bereiche des Körpers untereinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen.

Das japanische Verständnis des Selbst (jibun verbindet die Zeichen für „Selbst“ und „Teil“) impliziert immer ein Selbst, das nicht für sich allein existiert, sondern ausschließlich im Kontext mit Anderen. Der therapeutische Zugang, der scheinbar reduktionistisch, symptomorientiert und mehr physikalisch erfolgt, bezieht deshalb – durch den soziokulturellen Rahmen, in den er eingebettet ist – zugleich immer auch das soziale Netzwerk, die Menschen, mit denen der Betroffene lebt und arbeitet, in die therapeutische Verantwortung mit ein.

Anders ist es bei uns im Westen. Hier strebt die moderne Gesellschaft die individuelle Verwirklichung an. Während noch in der Renaissance das Selbst in eine vorgegebene Ordnung eingebettet war – geprägt von der Tradition und kontrolliert von äußeren Autoritäten –, ist die Moderne durch einen starken Impuls zum Individualismus gekennzeichnet. Die Menschen heute leben (zunehmend) nicht mehr nach äußeren Moralvorgaben, sondern aus einer inneren, reflexiven Organisation des eigenen Selbst. Und das bedeutet auch, dass die Verantwortung für Gesundheit, Krankheit und Heilung in einem deutlich größeren Ausmaß beim Einzelnen liegt.

Shiatsu verspricht hier mit seinem Ziel Körper, Seele und Geist zu integrieren, den Menschen in seiner Ganzheit anzusprechen und zu einem authentischen Leben zu führen, einen Weg zu mehr innerem Gleichgewicht und Gesundheit. Dabei aber, und das stellt Adams deutlich heraus, ist dieser Ansatz vor allem dem „expressiven Individualismus“ des New Age zuzuordnen: Die Suche nach einem „authentischen Leben“, die Erfahrung und Verwirklichung der „wahren menschlichen Natur“, „Persönlichkeitsentwicklung“, „bedeutungsvolle Beziehungen“ und eine „Übereinstimmung mit dem eigenen Selbst“.[17]P. Heelas (“The New Age Movement. The Celebration of Self and Sacralization of Modernity”, 1996) unterscheidet zwischen dem „praktischen Individualismus“ und dem „expressiven … weiterlesen


Jede Methode ist abhängig vom Kontext, in dem sie sich entwickelt und ausgeübt wird

Um das Wesen von Shiatsu zu verstehen, ist es demnach wichtig, Shiatsu in seinem Kontext zu verstehen.[18]Den enormen Stellenwert, den Kontext ins Verständnis der Methode einzubeziehen, beschreiben auch Zhang Yu Huan und Ken Rose in ihrem Buch „Den Drachen reiten. Die kulturellen Wurzeln der … weiterlesen Fragestellungen dazu sind: Welche sozialen, kulturellen und geschichtlichen Bedingungen beeinflussen die Entstehung, Anwendung und Darstellung von Shiatsu? Wovon will und/oder muss es sich in seiner Entwicklung abgrenzen? Welches Ziel wird verfolgt, was soll erreicht werden?

  • In Folge der Meji-Restauration[19]Die Meji-Zeit (1868 – 1912) bedeutete den Übergang von der feudalen zur kapitalistischen Gesellschaft. Der 5. Artikel der Eidescharta des Tenno (Kaiser) vom 4. April 1868 sieht vor, dass das … weiterlesen (1868) wurde die westliche Medizin – verordneterweise – in Japan übernommen, um auch auf medizinischem Gebiet den westlichen Ländern gleichzuziehen. Mit dazu beigetragen hatte auch, dass die traditionelle Medizin gegen die grassierenden Seuchen und Epidemien kaum etwas ausrichten konnte, die westlichen Impfmethoden aber erfolgreich angewendet wurden. Hatte bislang die in der Tradition Chinas stehende traditionelle japanische Medizin[20]Die traditionelle japanische Medizin war weltanschaulich geprägt vom buddhistischen, daoistischen, konfuzianischen und shintoistischen Hintergrund Japans. eine dominierende Rolle innegehabt, so standen nun zunehmend moderne westliche und traditionelle fernöstliche (feindlich) Medizin nebeneinander. Die westliche Medizin wurde für angehende Ärzte verpflichtend, und ein Teil der traditionellen Methoden sogar verboten. Wenngleich anfänglich nur wenig Anklang in der Öffentlichkeit für die westliche Medizin bestand – auch weil sie teurer und teilweise von schlechter Qualität war –, so kam es durch ihren Einsatz zur Versorgung des Militärs (um 1900) zum entscheidenden Durchbruch ihrer Akzeptanz.[21]Nach Christian Oberländer: „Zwischen Tradition und Moderne: die Bewegung für den Fortbestand der Kampo-Medizin in Japan“, 1955 (zitiert nach Dorothea Ziegler: „Shiatsu bewegt Menschen. … weiterlesen)
  • Bis zur Meji-Restauration war das medizinische System Japans dadurch geprägt, dass das Erlernen von Anma als Grundlage für das praktische Verständnis des Körpers galt. Jeder Arzt musste deshalb in seiner Ausbildung Anma lernen und ausüben. Nun aber, durch den zunehmenden Einfluss der westlichen Medizin verloren die traditionellen Methoden zunehmend an Ansehen und Bedeutung, so dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts Anma vorwiegend zu Entspannung und Vergnügen angewendet wurde.[22]Weniger waren es Unterschiedlichkeiten in den Griffen und Ansätzen, die zur späteren Trennung zwischen Anma und Shiatsu geführt haben, als vielmehr die Abgrenzung zwischen Behandlungen, die mehr … weiterlesen
  • Unter dem Druck der zunehmenden Bedeutungslosigkeit und des zeitweisen Verbots traditioneller Methoden begannen sich die traditionellen Ärzte und Behandler zu organisieren, ein kohärentes Theoriegebäude zu schaffen und sich an die westlichen Konzepte anzupassen. Zudem stiegen auch Zweifel an der forcierten Übernahme der westlichen Medizin auf und insbesondere mit dem 2. Weltkrieg nahm das Interesse an den traditionellen Methoden wieder zu, so dass diese (hier vor allem Kräutermedizin, Akupunktur, Moxibustion und manuelle Behandlungen) neben der westlichen Medizin bestehen blieben.
  • Im Zuge der allgemeinen Unterdrückung der traditionellen japanischen Kultur nach dem Ende des 2. Weltkrieges durch die Kapitulation Japans verbot die amerikanische Besatzungsmacht Anma (und damit auch Shiatsu, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht als eigenständige Methode etabliert war). Sämtliche nicht-regulierten Methoden wurden einer strengen westlich-wissenschaftlichen Prüfung unterzogen. 1957 wurde Namikoshis „Japan Shiatsu School“ in Tokyo lizensiert und 1964 wurde Shiatsu auf diesem Hintergrund als eigenständige Therapieform anerkannt.
  • Um legal arbeiten zu können, mussten sich traditionelle Ärzte und Behandler im westlich-medizinischen Rahmen erklären. Wissenschaftlich nicht bzw. nur schwer nachweisbare traditionelle Lehren (wie das Meridiansystem, die Lehre von der Fünf Elementen u.ä.m.) wurden weggelassen und in ihrer Bedeutung geleugnet oder herabgesetzt.

Namikoshi berief sich deshalb vor allem auf westliche anatomische und physiologische Konzepte, und Punkte wurden als Reflexzonen wichtiger als nicht nachweisbare Meridiane. Seine Arbeit baute er nicht auf den traditionellen Theorien auf, sondern auf dem westlichen Wissen um Muskeln und Skelettaufbau, Nervensystem und neuromuskuläre Zonen, Dermatome und Headsche Zonen. Erst später haben Elemente der traditionellen Medizin wieder vermehrt Eingang in das offizielle (und vor allem das nicht-offizielle) Shiatsu gefunden.


Berufspolitik beeinflusst die Integration von Shiatsu im Westen – am Beispiel Österreichs

Auch bei der Einbettung von Shiatsu im Westen sind aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen maßgeblich und haben das heutige Bild von Shiatsu und seine berufs-politische Positionierung geprägt. Am Beispiel Österreichs dargestellt: Während sich Shiatsu in seiner Entstehungsphase in Japan von der traditionellen japanischen Massage (Anma) abzutrennen suchte, stand in Österreich die Abgrenzung von der westlichen Massage im Vordergrund. Als wesentliche Bestandteile des Shiatsu werden deshalb die fernöstliche Philosophie und das fernöstliche Gesundheitsverständnis in den Mittelpunkt der Definition gerückt. Aber auch die Arbeit aus dem Hara und am Boden (Futon) werden als unterscheidende Merkmale zur westlichen Massage angeführt. Klassische Meridiane und über hundert Tsubos, die aus der traditionellen chinesischen/japanischen Medizin entstammen, sind – ganz im Gegenteil zur japanischen Definition – verpflichtende und grundlegende Bestandteile des in Österreich gesetzlich anerkannten Curriculums.[23]Die Massage-Verordnung vom 28. Jänner 2003 bildet die rechtliche Grundlage für die berufliche Ausübung von Shiatsu in Österreich.

Dazu kommen, gleichsam als Einbettung in das westliche Gesundheitsverständnis, Erste Hilfe und Hygiene, westliche Anatomie und Physiologie und – aus dem Hintergrund der Erfahrungen in Österreich – auch „Begleitende Gesprächsführung“ und Selbsterfahrung. Letzteres weil bei uns im Westen wohl allgemein, mit Sicherheit aber in Österreich, oftmals ein großes Bedürfnis besteht, den Shiatsu-Gebenden auch als Begleiter und Ratgeber für Lebensfragen anzusprechen. Hier macht es Sinn und ist für die professionelle Ausübung von Shiatsu wichtig, dass Shiatsu-Praktizierende Verständnis und Erfahrung mit nicht-direktiver, begleitender Gesprächsführung schon in ihrer Ausbildung erwerben und auch ihre persönlichen und professionellen Grenzen im Sinne von Selbsterfahrung und beruflicher Ethik kennen lernen.


Das Bild des Shiatsu wandelt sich

Veränderungen in den gesellschaftlichen Bedürfnissen führen zu einem Wandel des Selbstverständnisses und der Präsentation von Shiatsu. Als Beispiel kann man das heute weit verbreitete Verständnis anführen, dass Shiatsu ausschließlich an bekleideten Klienten angewendet wird – und dies geradezu ein Charakteristikum von Shiatsu sei. Entgegen diesem Verständnis von Shiatsu aber zeigen die frühen Publikationen von Namikoshi (1974), Masunaga (1977) und Ohashi (1976) die Anwendung von Shiatsu auf nackter Haut. Die in allen diesen Büchern abgebildeten Shiatsu-Empfangenden sind lediglich mit Badehose (die Männer) bzw. Bikini oder Badeanzug (die Frauen) bekleidet.[24]Und auch kein noch so genaues Studium dieser Werke fördert kritische Warnungen zutage, dass Shiatsu nicht auf nackter Haut angewendet werden sollte oder dürfe.

Die Darstellung des Shiatsu hat sich nachweislich verändert, und im Unterschied zu den oben angeführten Frühwerken zeigen neuere Bücher nahezu ausschließlich vollständig bekleidete Personen. Shiatsu hat sich im Laufe der Jahre in seiner Präsentation zunehmend vom Image der Massage gelöst.


Shiatsu in Europa – ein europäisches Shiatsu?

Europa blickt mittlerweile auf eine etwa 30jährige Shiatsu-Geschichte zurück. Von diesen Anfängen bis heute hat sich Shiatsu auch in Europa weiterentwickelt, eingepasst in die kulturelle, soziale und gesellschaftliche Landschaft Europas. Es hat Entwicklungen genommen, die die Frage nach dem Wesen des Shiatsu und sein Selbstverständnis in Europa aufwerfen. Konsequenterweise hat Wilfried Rappenecker den von ihm 2004 organisierten Kongress in Kiental (Schweiz) unter dieses Motto gestellt und hinterfragt, was denn dieses Shiatsu ist, das in Europa praktiziert wird. Nicht: Wie soll das Shiatsu sein? Vielmehr: Was ist es? Wie wird es angewendet? Mit welchem Selbstverständnis und welchem Ansatz wird in Europa praktiziert und gelehrt?

Nicht zu vergessen aber auch die berufspolitische Seite: Unter welchen gesellschaftlichen und gesundheitspolitischen Aspekten wird Shiatsu praktiziert und gelehrt? Welche Position nimmt Shiatsu ein im Kontext der medizinischen oder eben nicht-medizinischen Betrachtung? Handelt es sich um eine Methode, die im Gesundheitswesen anzusiedeln ist (wie die Arbeit von Ärzten und anderen anerkannten Therapeuten), oder ist Shiatsu eine Methode, die einen gänzlich anderen Ansatz verfolgt und außerhalb des bestehenden Gesundheitssystems seine Ziele verfolgt? Oder soll der Spagat gelingen, sowohl das eine als auch das andere zu sein?

Eines ist auf alle Fälle gewiss: jede Positionierung (ob im klassischen Gesundheitssystem oder außerhalb desselben) verändert zugleich auch das Feld, in dem wir arbeiten, und damit auch das Shiatsu, das wir ausüben.

Die Antwort, was das „europäische Shiatsu“ ist, kann wohl noch nicht gegeben werden. Nur zeitweise tritt bislang der eine oder andere Aspekt in den Vordergrund. Wir stehen heute zwar nicht mehr ganz am Anfang eines Weges, aber sicherlich auch noch nicht an seinem Ende. Heute stellen wir die Weichen für die zukünftige Entwicklung und welches Gesicht, welche Gestalt das „europäische Shiatsu“, „unser Shiatsu“ annehmen soll und wird.       


Quellen

  • Emiko Ohnuki-Tierney: „Illness and Culture in Contemporary Japan. An anthropological view“. Cambridge University Press 1984.
  • Dorothea Ziegler: „Shiatsu bewegt Menschen. Menschen bewegen Shiatsu“. Diplomarbeit an der Fakultät der Sozialwissenschaften der Universität Wien, 2004
  • Glyn Adams: „Shiatsu in Britain and Japan: personhood, holism and embodied aesthetics“. In: Anthropology and Medicine Vol. 9, No. 3, 2002
  • Zhang Yu Huan & Ken Rose: „Den Drachen reiten. Die kulturellen Wurzeln der Traditionellen Chinesischen Medizin“. 2001
  • Shiatsupractor´s Association of Canada (SPAC; www.shiatsupractor.org)

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© Dr. Eduard Tripp, Shiatsu Senior Teacher, Psychotherapeut und Supervisor (www.eduard-tripp.at)

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Dr. Katsusuke Serizawa war 1955 als Vertreter für Akupunktur, Moxibustion und Anma beim Hearing des japanischen Gesundheitsministeriums und betrachtet Shiatsu als alte japanische Therapie in der Tradition von Anma. Er attestierte Shiatsu den Status einer traditionellen japanischen Manualbehandlung, die sich aus einer alten Wurzel des Anma entwickelte. Seine Definition von Shiatsu wurde 1957 („The Theory and Practice of Shiatsu”) vom japanischen Gesundheitsministerium veröffentlicht.
2 „Shi” bedeutet Finger, „oyayubi” Daumen und „atsu“ Druck, doch lässt sich Shiatsu sinngemäß sowohl als Finger- als auch als Daumendruck übersetzen.
3 In „Shiatsu Ryoho“, veröffentlicht 1919, hat Tenkai Tamai westliches anatomisches Wissen mit der traditionellen japanischen Behandlung verbunden.
4 Nach Shiatsupractor´s Association of Canada (SPAC; www.shiatsupractor.org), die der in Japan anerkannten Shiatsu-Ausbildung Namikoshis folgt.
5 Festgehalten ist dies im heute ältesten japanischen Medizinbuch, dem Ishinboh von Yasuyori Tanba (984).
6 Nach Wataru Ohashi: „Die japanische Fingerdrucktherapie“, 1992 (englisch: „Do-It-Yourself-Shiatsu“, 1976
7 Zitiert nach www.shiatsupractor.org/isac/newsletter3.htm; der Link ist aktuell nicht mehr verfügbar.
8 Die Bezeichnung „Derivate Shiatsu“ wie auch die nachfolgenden Kurzbeschreibungen der Stile beruht auf den Ausführungen der Shiatsupractor´s Association of Canada (SPAC; www.shiatsupractor.org):  
Tsubo Shiatsu wurde etwa 1980 entwickelt und geht auf Dr. Hiroshi Ishizuka zurück. Bekannt wurde Tsubo Shiatsu durch das gleichnamige Buch von Kiyoshi Ikenaga.          
Meridian (Keiraku) Shiatsu beruht auf der Theorie der traditionellen chinesischen Medizin und geht auf Tadashi Izawa zurück, der 1964 „Meridian and Shiatsu Therapy“ veröffentlichte.    
Zen (Iokai) Shiatsu wurde von Shizuto Masunaga begründet und stellt im Verständnis der Namikoshi-Tradition eine Form des Meridian Shiatsu dar, wobei allerdings nicht die klassischen Meridiane der traditionellen chinesischen Medizin behandelt werden, sondern die so genannten „Masunaga-Meridiane“. Im Unterschied zum Shiatsu Namikoshis werden von den Praktizierenden unter anderem auch Ellbogen und Knie eingesetzt, um starken Druck auf die Meridiane ausüben zu können.
Tao Shiatsu geht auf Ryukyu Endo zurück, der ursprünglich der Iokai-Tradition Masunagas gefolgt war. Für Tao Shiatsu typisch ist eine religiöse und spirituelle Praxis, die mit der Anwendung des Shiatsu verbunden wird. 
Oha Shiatsu ist die von Wataru Ohashi, einem Schüler von Masunaga, entwickelte Form des Shiatsu.        
Macrobiotic Shiatsu geht auf Michio Kushi zurück, der vor allem für die Verbreitung und Weiterentwicklung der Makrobiotik bekannt wurde.
9 In Japan spricht man nur von Iokai Shiatsu, weil das Wort Zen religiöse Bedeutung hat. Iokai bedeutet „Association of the King of Medicine“.
10 Im Vorwort zu “Zen Shiatsu”, erschienen 1977. Die deutsche Übersetzung (Shitsuto Masunaga & Wataru Ohashi: “Das große Buch der Heilung durch Shiatsu”) erschien 1985.
11 Auch wegen der Verwendung auch von Ellbogen, Knien, Füßen in der Behandlung, die nach der Namikoshi als nicht adäquat für Shiatsu gilt, stellen Vertreter der Namikoshi-Tradition in Frage, ob es sich bei Zen Shiatsu (Iokai Shiatsu) noch um Shiatsu handelt.
12 Glyn Adams („Shiatsu in Britain and Japan: personhood, holism and embodied aesthetics“. In: Anthropology and Medicine Vol. 9, No. 3, 2002) vergleicht das in Großbritannien und in Japan praktizierte Shiatsu.
13 Gerade aber der Umstand, dass Shiatsu am Boden (auf der Matte, dem Futon) ausgeübt wird, ist ein im Westen häufig beschriebenes Merkmal von Shiatsu und findet sich beispielsweise auch in der Shiatsu-Definition des österreichischen Dachverbandes.
14 R.E. Nisbett: „The Geography of Thought”. 2003       
R.E. Nisbett, K. Peng, I. Choi und A. Norenzayan: “Culture and Systems of Thought”. In: Psychological Review 108, 2001
15 Genetische Unterschiede können als Ursache dafür ausgeschlossen werden, wie weitere Untersuchungen gezeigt haben: Asiaten werden den Westlern immer ähnlicher, je länger sie im Westen leben.
16 Adams bezieht sich dabei vor allem auf M. Lock: „East Asian Medicine in Urban Japan: Varieties of Medical Experience“, 1980.
17 P. Heelas (“The New Age Movement. The Celebration of Self and Sacralization of Modernity”, 1996) unterscheidet zwischen dem „praktischen Individualismus“ und dem „expressiven Individualismus“. Der „praktische Individualismus“ hat das vorrangige Ziel, die eigenen Wünsche planmäßig und antonom zu verfolgen und zu verwirklichen, der „expressive Individualismus“ hingegen verfolgt Persönlichkeitsentwicklung und Selbstverwirklichung.
18 Den enormen Stellenwert, den Kontext ins Verständnis der Methode einzubeziehen, beschreiben auch Zhang Yu Huan und Ken Rose in ihrem Buch „Den Drachen reiten. Die kulturellen Wurzeln der Traditionellen Chinesischen Medizin“ (2001):   
„Die chinesische Medizin ist ein kulturelles Phänomen. Um sie zu verstehen und adäquat anwenden zu können, muss man sich zuerst gründlich mit ihrem kulturellen Hintergrund vertraut machen. Nur dann ist man im Stande, ihre tiefere Bedeutung wirklich zu erschließen und sie entsprechend zu schätzen.         
Wenn man ihr kulturelles Substrat nicht berücksichtigt, verlieren die Methoden der chinesischen Medizin ihren multidimensionalen Charakter und verkommen zu seltsamen – ja, sogar abstrusen – Artefakten“ (S. 11).  
Neben dem angeführten Buch von Zhan Yu Huan und Ken Rose zum kulturellen Kontext der Traditionellen Chinesischen Medizin empfehlen sich auch:
Joseph Needham: „Wissenschaftlicher Universalismus. Über Bedeutung und Besonderheit der chinesischen Wissenschaft“, Suhrkamp Verlag 1977 und        
Marcel Granet: „Das chinesische Denken. Inhalt, Form, Charakter“, Suhrkamp Verlag 1985.
19 Die Meji-Zeit (1868 – 1912) bedeutete den Übergang von der feudalen zur kapitalistischen Gesellschaft. Der 5. Artikel der Eidescharta des Tenno (Kaiser) vom 4. April 1868 sieht vor, dass das Wissen aus aller Welt zu nutzen sei für das Gedeihen der Herrschaft des Tenno.
20 Die traditionelle japanische Medizin war weltanschaulich geprägt vom buddhistischen, daoistischen, konfuzianischen und shintoistischen Hintergrund Japans.
21 Nach Christian Oberländer: „Zwischen Tradition und Moderne: die Bewegung für den Fortbestand der Kampo-Medizin in Japan“, 1955 (zitiert nach Dorothea Ziegler: „Shiatsu bewegt Menschen. Menschen bewegen Shiatsu“. Diplomarbeit an der Fakultät der Sozialwissenschaften der Universität Wien, 2004
22 Weniger waren es Unterschiedlichkeiten in den Griffen und Ansätzen, die zur späteren Trennung zwischen Anma und Shiatsu geführt haben, als vielmehr die Abgrenzung zwischen Behandlungen, die mehr dem Wohlbefinden dienen, und solchen, die Gesundheitsförderung und Behandlung zum Ziel haben. Den Darlegungen Masunagas folgend gab es unabhängig von Namikoshi auch noch andere Ansätze, den therapeutischen Zugang des Anma zum Durchbruch zu verhelfen.
23 Die Massage-Verordnung vom 28. Jänner 2003 bildet die rechtliche Grundlage für die berufliche Ausübung von Shiatsu in Österreich.
24 Und auch kein noch so genaues Studium dieser Werke fördert kritische Warnungen zutage, dass Shiatsu nicht auf nackter Haut angewendet werden sollte oder dürfe.