Rahmen-Gesundheitsziele für Österreich bis 2030 (zum Leitthema der EU „Gesundheit in allen Feldern der Poltik)

In Österreich werden Frauen durchschnittlich 83,1 Jahre alt, Männer 77,7 Jahre. Allerdings müssen Männer damit rechnen, dass sie durchschnittlich 18 Jahre ihres Lebens mit funktionalen Einschränkungen verbringen, Frauen 22,4 Jahre. Die Rahmen-Gesundheitsziele sollen deshalb dazu beitragen, dass die “gewonnenen Lebensjahre” (der Anstieg des durchschnittlichen Lebensalters in den letzten Jahren) für die BürgerInnen auch gesunde Lebensjahre sind („Zwei zusätzliche gesunde Jahre für europäische Bürger bis 2030“).

Dabei hat sich in den letzten Jahren der Schwerpunkt der Herausforderungen von den Infektionserkrankungen hin zu den nicht-infektiösen Leiden wie Diabetes-Typ-2, Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs und Erkrankungen des Bewegungsapparats verschoben – und diese Leiden können in einem hohen Maß durch den Lebensstil und die Lebensverhältnisse mit bedingt sein. Das ist der Ausgangspunkt dafür, nicht nur im Gesundheitswesen anzusetzen (“Health in All Policies”), sondern auch in anderen Bereichen wie Wirtschaft, Bildung, Sport und Soziales – und damit der Ansatzpunkt für die Erarbeitung der “Rahmen-Gesundheitsziele” für Österreich, die zugleich so gestaltet werden sollen, dass sich daraus konkrete Handlungsempfehlungen ableiten lassen.


Sechs zentrale Themenfelder wurden für die Erarbeitung der Gesundheitsziele bis 2030 in Österreich festgelegt:

  • Gesunde Lebensbedingungen (z.B. in den Bereichen Schule, Arbeitsplatz, Wohnumgebung, Verkehrsinfrastruktur und Umwelt)
  • Gesundes Verhalten/Gesundheitskompetenz (in Bereichen wie Ernährung, Bewegung und Stressbewältigung durch Rahmenbedingungen, die ein derartiges Verhalten erleichtern)
  • Gesundheitliche Chancengleichheit im Bezug auf Gesundheitsförderung und den Zugang zur Gesundheitsversorgung und zwar unabhängig von Bildung, Einkommen und anderen sozialen Faktoren
  • Gestaltung des Versorgungssystems in einer an den PatientInnen orientierten, bedarfsgerechten, qualitätsgesicherten und effizienten Weise
  • Spezielle Zielgruppen und deren Bedürfnisse berücksichtigen (wie Kinder, Jugendliche, ältere Menschen, Frauen, Männer, Menschen mit spezifischen Belastungen oder Menschen mit Migrationshintergrund)
  • Volkskrankeiten bekämpfen (wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes-Typ-2 oder die wachsende Zahl an psychischen Beeinträchtigungen)


Ministerielle Zusammenarbeit

In Österreich gibt es schon seit einiger Zeit, so führt Sozialminister Rudolf Hundstorfer 2011 beim Dialog zum Thema “Gesundheit in allen Politikfeldern” als Beispiel an, eine intensive Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und dem Gesundheitsressort. Hintergrund bildet der bekannt enge Zusammenhang zwischen den Faktoren Arbeit, Bildung und Gesundheit. So wird vom Sozialministerium in Maßnahmen investiert, die Jugendlichen eine Qualifizierung erlaubt, die über den Besuch einer Pflichtschule hinausreicht. Denn wer ausschließlich die Pflichtschule besuchte, hat ein vergleichsweise hohes Risiko arbeitslos zu werden – und wer arbeitslos ist, ist wiederum häufiger von Krankheiten betroffen.

Bei Menschen, die Arbeit haben, geht es hingegen darum, die Arbeitswelt so zu gestalten, dass sie länger bei guter Gesundheit arbeiten können. Derzeit beträgt das tatsächliche Antrittsalter für die Pension 59 Jahre. Dieses Alter müsse in den kommenden Jahren aber schrittweise angehoben werden. Dazu muss aber speziell auch der Prävention von psychischen Erkrankungen und der Förderung von seelischer Gesundheit Aufmerksamkeit gegeben werden, da in Österreich gegenwärtig bereits 50 Prozent der Invaliditätspensionen aus psychischen Gründen zuerkannt werden.


Erarbeitung der Rahmen-Gesundheitsziele

Im Mai 2011 begann in Österreich ein ressortübergreifender Prozess zur Erarbeitung von “Rahmen-Gesundheitszielen”, die im Sommer 2012 präsentiert werden sollen.[1]Zwei Drittel aller europäischen Länder haben bereits nationale Gesundheitsziele formuliert oder sind gerade dabei solche auszuarbeiten. Ihr Ziel ist es, Handlungsschwerpunkte aufzuzeigen, wie in den kommenden 20 Jahren für eine bessere Gesundheit der Bevölkerung gesorgt werden soll. Vier Faktoren, so der Moderator des Dialogs “Gesundheit in allen Politikfeldern” in der WIener Urania 2011 (mit Gesundheitsminister Alois Stöger, Unterrichtsministerin Claudia Schmied und Sozialminister Rudolf Huntdstorfer), sind seiner Erfahrung nach dabei wesentlich:

  • Es müssen AkteurInnen und Akteure aus vielen verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen in die Erarbeitung der Gesundheitsziele mit eingebunden werden, nicht nur solche aus dem Gesundheitswesen.
  • Die Gesundheitsziele müssen handhabbar bleiben. Das heißt, es müssen Prioritäten gesetzt werden, und es dürfen nicht zu viele und zu komplizierte Ziele formuliert werden.
  • Pragmatismus sollte im Vordergrund stehen. Es sollte vermeiden werden, Zeit und Energie in Dinge zu investieren, die nicht verwirklichbar sind, weshalb immer wieder ein “Wirklichkeits-Check” durchgeführt werden soll, ob und wie geplante Vorhaben auch realisierbar sind.
  • Es reicht nicht aus, dass VertreterInnen verschiedenster Institutionen an dem Prozess teilnehmen. Die politische Führung muss den Prozess zur Erarbeitung von Gesundheitszielen unterstützen.


Projekt zur Erhöhung des Anteils an FußgängerInnen und RadfahrerInnen

Ein Beispiel für gemeinsame Zielsetzungen und die dafür notwendige ministerielle Zusammenarbeit von Verkehrs-, Umwelt- und Gesundheitspoitik ist die Förderung des Anteils von FüßgängerInnen und FahrradfahrerInnen.

Radfahren, ebenso wie zügiges Gehen, sind Bewegungen, die gut geeignet sind, die Gesundheit zu fördern. Besonders dem Radfahren kommt hier ein besonderer Stellenwert zu, weil Radfahren nicht nur die Ausdauer verbessert und vor allem die Beine kräftigt, sondern zugleich werden auch die Gelenke nicht stark belastet, so dass Radfahren auch Menschen mit Übergewicht empfohlen werden kann. Als “Minimaldosis” für Menschen, die ansonsten inaktiv sind, geht man von 75 Minuten Radfahren pro Woche aus, verteilt auf mehrere Tage. Konkret bedeutet das eine Wegstrecke von sechs Kilometern an mindestens drei Tagen pro Woche mit einem Tempo von etwa 15 Kilometern pro Stunde.

Bei dieser Strecke kann es sich z.B. um den Weg zum Arbeitsplatz und zurück nach Hause handeln. Das ist aus Sicht der Gesundheitsförderung besonders günstig (überhaupt, dass Menschen im Alltag möglichst viel zu Fuß gehen und mit dem Rad fahren, eventuell kombiniert mit öffentlichen Verkehrsmitteln), weil so für das Wohlbefinden und die Gesundheitsförderung keine extra Zeit eingeplant werden muss.

Zzugleich wird damit auch die Umwelt geschützt, denn die umweltschädlichen Emissionen werden im Vergleich dazu, dass dieselben Wege mit dem Auto oder Motorrad zurückgelegt werden, reduziert. Laut dem Masterplan Radfahren 2011 (https://www.klimaaktiv.at/dam/jcr:bedfa1d2-246d-43d1-be53-9f50bd56bdcb/Masterplan%20Radfahren.pdf) sind 21 Prozent aller Fahrten mit PKWs in Österreich kürzer als 2,5 Kilometer und 47 Prozent kürzer als 5 Kilometer. Das ergibt (rechnerisch), dass zwei Drittel aller Autofahrten mit dem Rad in maximal 20 Minuten zurückgelegt werden könnten (bei einem gemütlichen Tempo von 15 Kilometern pro Stunde).

Zur Verdeutlichung der Komplexität die drei Ebenen, die für das Projekt von Bedeutung sind:

  • Auf der politischen Ebene ist ein Bekenntnis der EntscheidungsträgerInnen zu gesundheitsfördernden und Umwelt schonenden Formen der Mobilität notwendig.
  • Auf der psychoszialen Ebene geht es darum, bei den Menschen das Bewusstsein für die Vorteile des Fahrradfahrens zu erhöhen – und bei manchen Zielgruppen auch für ein besseres Image des Fahrrads zu sorgen (wer Radfahren als gesund und trendy betrachtet, fährt z.B. eher mit dem Rad als jemand, für den das Fahrrad ein Fortbewegungsmittel für “arme Leute” ist).
  • Von entscheidender Bedeutung ist auch die Ebene der gebauten Umwelt, die dafür zu sorgen hat, dass die Lebenswelten bewegungsförderlich gestaltet werden (entsprechende Stadt-, Raum- und Verkehrsplanung).


Quellen

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Zwei Drittel aller europäischen Länder haben bereits nationale Gesundheitsziele formuliert oder sind gerade dabei solche auszuarbeiten.