Das Wichtigste der Kyo-Jitsu-Diagnose in der östlichen Medizin (Tzvika Calisar)

Als Menschen, die im Westen aufwuchsen und eine westliche Erziehung hatten, müssen wir nun, da wir uns für die östliche Kultur interessieren, zuerst einmal folgendes verstehen. Das Studium der östlichen Philosophie und Heilkunst, die sich aus der östlichen Denkweise entwickelten, verlangt von uns, dass wir in unserer Wahrnehmung etwas verändern. Da unsere Wahrnehmung auf den Kriterien basiert, die wir gewohnt sind, neigen wir dazu, die Dinge so zurecht zu biegen, wie es uns angenehm ist und wie sie unserer gewohnten Weise, zu denken und zu handeln, entsprechen. Wir lernen in westlichen Schulen, gemäß westlicher Lehrpläne und Prüfungsverfahren.

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Unser westliches Leben verläuft anders, als das östliche Leben und unsere Art, die Dinge zu betrachten ist ebenfalls anders. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir nicht versuchen, diese Heilkünste an uns anzupassen; wenn wir uns dafür entschieden haben, Menschen mit Heilmethoden zu behandeln, die aus dem Osten stammen, müssen wir die Philosophie und die Lebensform, aus denen sie hervorgeht, genau untersuchen. Wenn ich darüber in verschiedenen Foren sprach, spürte ich oft unmittelbaren Widerstand bei den Zuhörern. Manche kritisieren sogar die japanische Lebensweise des letzten Jahrhunderts oder die Japaner oder Orientalen überhaupt.

Es steht mir weder zu, noch ist es meine Aufgabe, den Westen oder den Osten zu verurteilen. Doch ich muss wiederholt und mit Nachdruck betonen, wie wichtig es ist, dass wir die Behandlungsmethoden, die wir anwenden und ihren philosophischen und praktischen Ursprung von Grund auf und vollständig verstehen. Das ist die Grundbedingung. Aufgrund dieses Verständnisses wird unser Zugang zu der Ki-Welt und zu den Meridianen einfacher und leichter sein. Ich möchte in diesem Artikel versuchen, einige der wichtigsten Prinzipien für das Verständnis und die Anwendung der aus Japan stammenden Tao Shiatsu Therapie zu beschreiben.

Das Konzept von „Kyo und Jitsu“, das die Grundlage der östlichen Medizin darstellt, kann für Therapeuten aus dem Westen unklar oder verwirrend sein. Diese Verwirrung stammt hauptsächlich von dem grundlegenden Irrtum im Verständnis dieser Konzepte- ein Irrtum, der zu weiteren Irrtümern führt, ins besondere bei der Kyo-Jitsu Diagnose.

Ziel dieses Artikels ist es, die Begriffe Kyo und Jitsu von neuem zu klären und damit zu zeigen, dass der Kyo-Meridian nicht mit dem Bewusstsein diagnostiziert und festgestellt werden kann.

Tsvika Calisar

Wir wissen von Shizuto Masunaga, „dass Kyo das Ganze ist und Jitsu der Teil. Kyo ist also Yin und Jitsu ist Yang“. Dem folgend fügt Tao Shiatsu Meister Endo Ryokyu[1]In seinem Buch „Tao Shiatsu – Life Medicine of the 21st Century“ ,Japan Publications Incorporation, 1995. Die deutsche Übersetzung wird voraussichtlich im Herbst 2001 mit dem Titel „Tao … weiterlesen hinzu: Yang (Jitsu) ist das, was mit dem Bewusstsein wahrgenommen wird und Kyo (Yin) wird nicht mit dem Bewusstsein wahr genommen“. Ein gutes Beispiel dafür kann man sehen, wenn man das Portrait einer Person betrachtet. Die Person wird wahrgenommen und identifiziert durch das Bewusstsein – Yang, während der Hintergrund als Yin wahrgenommen wird.

Diese Identifizierung des Hintergrundes geschieht durch das Unterbewusstsein. Was verstehen wir unter Bewusstsein? Eine der wichtigsten Funktionen des Bewusstseins ist die Unterscheidung zwischen „dem Selbst und dem Anderen“. Im Falle eines Therapeuten und eines Patienten, befähigt uns das Bewusstsein, uns voneinander zu unterscheiden.

Lassen Sie uns nun zurückkehren zu den Worten der Meister: Wenn Kyo (Yin) nicht durch das Bewusstsein identifiziert werden kann, wie können wir es dann im Patienten diagnostizieren? Wenn ein Mensch aus dem Westen an die Begriffe Kyo-Jitsu oder Yin-Yang denkt, kann es leicht geschehen, dass er sie als relative Konzepte interpretiert, wie z.B. Yin ist negativ und Yang ist positiv, Kyo ist weniger und Jitsu mehr oder Kyo ist weich und Jitsu hart. Viele Bücher vermitteln das Prinzip von Yin und Yang auf diese Art. Das ist jedoch eine entzweiende und trennende Einordnung. Dieses zweidimensionale Denken ist seit der Zeit von Descartes[2]Rene Descartes, franz. Philosoph, 1596 – 1650. Sein berühmtester Satz war: „Ich denke, also bin ich“. Sinnliche Wahrnehmungen haben für ihn nicht denselben Stellenwert, wie Einsichten, die … weiterlesen im Westen weit verbreitet. Wir machen einen Fehler in der Interpretation östlicher Philosophie, wenn wir die Idee von Yin und Yang in dieser zweigeteilten Sichtweise betrachten. Das ist nicht unsere Schuld. Wir können die Dinge nur mit den Mitteln, die wir besitzen wahrnehmen und interpretieren. Der ganze wissenschaftliche Ansatz des Westens basiert auf diesem Denken. Deshalb ist es wichtig für uns, die Kluft zwischen der wahren Bedeutung von Kyo-Jitsu und ihrer Interpretation durch westliche, zweidimensional vergleichende Ansicht zu verstehen.

Wie die Meister Masunaga und Endo schon erklärten, sind Kyo und Jitsu der Teil und das Ganze oder das Unterbewusstsein und das Bewusstsein in Harmonie miteinander. Ihre Bedeutung kann nicht mit Ausdrücken, wie wenig/mehr, weich/hart oder auffallend/verdeckt erfasst werden, denn dies sind trennende Begriffe des Bewusstseins. Wir stoßen möglicherweise auch auf Fragen, wie: „Welcher Meridian ist mehr im Kyo, welcher mehr im Jitsu?“, was darauf hinweist, dass die Herangehensweise dessen, der fragt, auf einer vergleichenden Sichtweise beruht.

Lassen Sie uns versuchen, die Konzepte von Kyo und Jitsu und die Diagnose von Meridianen aus einer wahrhaft östlichen Sicht zu untersuchen, aus einem Standpunkt des Tao heraus. Basiert die Meridian-Diagnose auf einer aufteilenden und untersuchenden Herangehensweise? Im folgenden Abschnitt möchte ich versuchen, die wahre Bedeutung von Kyo-Jitsu und echter Diagnose klar zu machen.

Was z.B., ist die Bedeutung einer durch Druck auf das Hara erhaltenen Information? Ist ein weicher, tiefer Meridian wirklich Kyo und ein harter Meridian Jitsu?

Die Antwort lautet ohne Zweifel: „Nein“. Diese Diagnose beruht auf dem Tastsinn. Mit dem Tastsinn identifizieren wir ein Objekt. Wenn wir Druck ausüben, fühlen wir ob es weich ist oder hart. Der Tastsinn hilft uns auch, uns unserer eigenen Existenz bewusst zu werden – angesichts des Anderen oder des Materials, das wir berühren. Der Tastsinn ist verknüpft mit dem Bewusstsein, dem Ego und somit ist es uns nicht möglich, das Ganze damit zu erfassen, sondern nur Teile des Ganzen.

Bitte schließen Sie ihre Augen für eine Weile und versuchen Sie, ihren Körper zu spüren. Nach wenigen Sekunden wird es schwierig für uns, den Körper als Ganzes zu spüren (aus „Tao Shiatsu“, von R. Endo). Unser bewusstes Denken wird immer nur einen Teil wahrnehmen, niemals das Ganze. Östliche Medizin ist ganzheitlich. Das heißt, sie befaßt sich mit den Auswirkungen auf den ganzen Körper –den physischen, den emotionalen und den energetischen- und nicht nur auf einen seiner Teilbereiche.

Das Ziel im Shiatsu ist nicht die Manipulation des Körpers sondern die Freisetzung negativer, d.h. unpassender Energie, die in den Meridianen festsitzt und möglicherweise zu Krankheiten führen kann. Wir können durch körperlichen Druck unter Verwendung des Tastsinns, Teile des Körpers manipulieren, ohne jedoch mit Ki oder dem ganzen Körper in Verbindung zu kommen. Folglich ist es nicht möglich, mit dem Tastsinn Ki oder Meridiane zu diagnostizieren. Mit dem so genannten Yang-Bewusstsein können wir uns nur mit einem Teil des Körpers innerhalb des Ki-Feldes verknüpfen. Dies bedeutet, dass der Tastsinn kein Mittel darstellt, mit dem wir auf den ganzen Körper einwirken können

Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass die Funktion des bewussten Denkens immer in einer Trennung zwischen dem Selbst und dem Anderen sowie in der Identifizierung des Objekts liegt. Wenn wir kein vergleichendes Bewusstsein haben, können wir ein Objekt auch nicht als von uns getrennt wahrnehmen. Und wenn wir es mit Identifikation zu tun haben können wir keine Verbindung mit dem Ganzen herstellen.

Da dem so ist, stellt sich die Frage, wie wir demnach diagnostizieren können?

Westliche Medizin ist auf Wissenschaft und Forschung gegründet. Östliche Medizin basiert auf einer Lebensphilosophie, die alle Bereiche des täglichen Lebens (in dem die Begriffe Kyo-Jitsu, Yin-Yang und die fünf Elemente, allgemein verbreitet sind) miteinander vereint. Dabei geht es nicht um abstrakte Konzepte oder um eine abstrakte Philosophie; sowohl Ki als auch die Meridiane existieren wirklich. In den alten Schriften heißt es: „Ein Überschuss an Yin wird zu Yang, ein Überschuss an Yang wird zu Yin.“ Und tatsächlich, verwandelt sich ein Meridian, der über einen langen Zeitraum Kyo ist , in Jitsu und umgekehrt. In der Realität und in der Praxis besteht eine Übereinstimmung zwischen der Philosophie, den Meridianen und dem Ki.

Der Begriff Kyo stammt von dem chinesischen Schriftzeichen `Koku` ab, das „Leere“ bedeutet. Aus Koku wurde Kyo. Laut der chinesischen oder der daoistischen Philosophie ist dieser Zustand der Leere der ideale geistige Zustand. Wenn wir in unserem Ich-Bewusstsein sind, ist unser Herz Jitsu , also Yang. Mit anderen Worten ist der vergleichende Denkansatz in Konflikt mit der Natur, denn er verursacht Trennung und verhindert, dass wir aus diesem Zustand der Leere heraus arbeiten.

Endo sagt: „Wenn unser Herz leer ist, nicht bewusst ist, dann können wir den Meridian klar sehen. Es gibt unter den 14 Meridianen einen Meridian, der eins ist mit der ganzen Natur oder der universalen Lebensenergie und das ist der Kyo-Meridian.

Ein Herz, das leer ist, sieht das Kyo und ein Kopf, der frei ist, erkennt die Leere wieder. Das ist keine Philosophie; es ist real und durchführbar. Auf diese Weise wird der Kyo-Meridian diagnostiziert.

Durch Zuhilfenahme einer solchen Diagnose und mit der richtigen Behandlung können Symptome aufgelöst werden. Endo sagt außerdem: „Meister Masunaga diagnostizierte Kyo und Jitsu mit dieser inneren Einstellung (aus diesem Zustand der Leere heraus) und all die Meister vor ihm, seit den Tagen des Lao-Tse, machten es ebenso. Dies ist das Wesentliche bei der Diagnose in der östlichen Medizin“.

Der Geist von über 2500 Jahren wurde weitergereicht in der Tradition, von Generation zu Generation und von Lehrer zu Schüler. Dieser Geist des Verständnisses der Tradition wurde erhalten und weitergegeben von der Zeit des Lao-Tse zum Gelben Kaiser bis in die Gegenwart hinein. Wir lernen in erster Linie zu diagnostizieren, indem wir unseren Lehrer beobachten: dieses Beobachten ermöglicht, dass der Geist des Tao durch den Meister geht, der ihn wiederum von seinem Lehrer empfing. Wenn wir den Lehrer beobachten, schauen wir dem Herzen des Meisters zu.

Wie wir oben schon sahen, können wir weder Kyo-Jitsu mit unserem bewussten Denken diagnostizieren, noch die Meridiane auf diese Art erkennen, denn Meridiane bestehen nicht aus physischer Materie. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, zu versuchen, Meridiane mit Hilfe einer Karte oder anatomischer Messungen lokalisieren zu wollen. Der Meridian, als Kanal von Ki oder der Lebensenergie, verändert von Natur aus ständig seine Lage und kann nicht an einem bestimmten Ort gefunden werden.: Meridiane existieren als Ki, reagieren auf unsere Intention und auf den Zustand unseres Herzens und nicht auf unser Ich-Bewusstsein. Sie können nur in einem Zustand der Einheit zwischen Therapeut und Patient erkannt werden.

Endo sagt: „Im Ki-Feld gibt es keine Trennung zwischen Therapeut und Patient, und auch nicht zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“. Halten Sie dies für reine Philosophie? Nein, es ist die Realität des Ki. „Die wirkliche Welt ist eine Projektion unseres Bewusstseins“, fügt Endo hinzu. Deshalb gibt es die relative Welt nicht mehr, wenn unser Ich-Bewusstsein verschwindet. Wenn wir auf das Hara nicht mit unserem Tastsinn, sondern mit unserem Ur-Sinn[3]Mit Ur-Sinn ist hier eine Art Primär-Sinn gemeint, wie er bei Buschmenschen z.B. noch ausgeprägter vorhanden ist. Druck ausüben werden wir das Objekt nicht als weich oder hart empfinden. In diesem Zustand erkennen wir den Meridian mit unserem Herzen und sehen ihn darin widergespiegelt. Dies ist das Verfahren um den Meridian zu sehen: Ein Meridian ist kein Bestandteil des physischen Körpers, er ist ein Kanal für den Fluss des Ki. Und nochmals möchte ich betonen, dass der Meridian, da er keine physische Existenz hat, auch nicht mit physischen Mitteln erkannt werden kann. Auch wenn wir versuchen, uns den Meridian als körperliche Linie vorzustellen, werden wir einer Illusion erliegen.

Masunagas Worte: „Kyo ist das Ganze“, bedeuten, dass Kyo der Meridian ist, der mit der gesamten Natur verbunden ist. Nach Endo ist der Kyo-Meridian, der Meridian der „Leere“, in Verbindung mit dem Universum, mit dem Ganzen. Kyo bedeutet nicht nur Leere; es repräsentiert auch das Verlangen und den Bedarf nach Ki, das Bedürfnis aller Lebewesen, ein aktives und gesundes Leben zu führen. Gesundheit heißt in diesem Zusammenhang, dass der Kyo-Meridian sich ständig verändert, aufgrund der Bewegung zwischen Yin und Yang, genau wie in der Natur oder in den einfachen Tätigkeiten, die der Körper verrichtet. Natur ist per Definition nicht statisch; sie verändert sich und schwankt, fließt und bewegt sich und unsere Körper und unsere Energien sind genauso. Wenn Kyo in einem Meridian fest wird und sich nicht mehr verändert, verursacht es körperliche Symptome und Krankheit. Deshalb sagte Lao-Tse: Die „Menschen werden gesund sein, wenn sie Eins werden mit der Natur“.

Somit haben wir einen Weg zur Kyo-Meridian-Diagnose bestimmt. Weil Kyo mit einem „leeren Herzen“ identifiziert wird, müssen wir uns von einer Vorstellung der Trennung zwischen Therapeut und Patient befreien. Wir müssen „Eins werden mit der Natur“ und uns mit der Gesamtheit allen Lebens verbinden. Dies geschieht nicht durch Gebrauch unseres Bewusstseins oder unserer Urteilsfähigkeit. Alles schön und gut, aber wie geschieht es dann?

Damit jeder Shiatsu Schüler lernen kann, wie man dies tut, werde ich hier eines der Grundprinzipien des Tao Shiatsu vorstellen: Einfühlende Vorstellung (empathetic imagination). Der Begriff „einfühlende Vorstellung“ ist in der Tao Shiatsu Sprache entstanden. Lassen Sie mich ihn also genauer erklären.

Schauen wir uns also zuerst einmal den Unterschied zwischen östlicher und westlicher Definition der Begriffe „Vorstellung“ und „Einfühlungsvermögen“ an. Im Westen bedeutet das Wort Einfühlungsvermögen, Anteil zu nehmen an den Gefühlen einer anderen Person. Diese Bedeutung beinhaltet kein Einfühlungsvermögen für Gegenstände oder Teile der Natur, die „nicht lebendig“ sind, wie z.B. ein Stein oder ein Berg. Der Grund dafür liegt darin, dass es aus westlicher Sichtweise eine Trennung gibt zwischen Mensch und Natur, Materie und ihrem Wesenskern. Darum erkennt westliche Kultur einen Wesenskern der Materie nicht an.

Anders in östlicher Kultur: Natur hat einen Wesenskern, hat Energie und Schwingung und es gibt keine Unterscheidung zwischen dem Wesenskern von Geist und Materie. Ki ist das, was beide verbindet, was beide beinhaltet. Ki ist Energie, Leben und Geist; es ist die Basis aller physischen und psychischen Phänomene, die Basis des ganzen Universums.

Alle „Wesenheiten“, leblose Objekte eingeschlossen, besitzen Ki, einen Wesenskern und ein Selbst. Das Einzelne ist immer Teil des Ganzen und somit beinhaltet in der Ki-Welt jede einzelne Wesenheit alle anderen. Im Tao Shiatsu ist Einfühlungsvermögen nicht nur auf die Gefühle eines anderen Menschen gerichtet oder auf ein Gefühl, das der Therapeut unabhängig von dem Patienten oder für diesen empfindet. Einfühlungsvermögen besteht gegenüber dem eigentlichen Leben des Patienten, seinem ganzen Körper – dem physischen und dem energetischen – das Unterbewusstsein mit eingeschlossen. Einfühlungsvermögen gegenüber dem Ki des Patienten bedeutet Einheit von Wesenskern und Körper in Verbindung mit dem Unterbewusstsein.

Im Westen gebrauchen wir das Wort „Vorstellung“ meistens synonym mit „Illusion“. Aber im Ki-Feld hat Vorstellung eine andere, viel wichtigere Bedeutung. Ki wird von der Vorstellung regiert. Was man sich vorstellt, existiert in dem Ki-Feld oder in der Ki-Welt. Man kann sogar sagen, dass das, was man sich nicht vorstellen kann, in der Ki-Welt nicht existiert. Können Sie das glauben? Können Sie sich das vorstellen?

Tsvika Calisar bei der Arbeit

Sagen Sie bitte nicht: „das ist Einbildung“. Es ist Realität. Auf diese Weise arbeiten wir im Tao Shiatsu. Die Methode basiert auf dem Gebrauch der einfühlsamen Vorstellung, die durch Druck auf die Meridiane eine in höchstem Maße effektive Bewegung der Energie bewirkt. Der richtige Gebrauch dieser Vorstellung ermöglicht dem Therapeuten den Zugang zu dem Meridian und dieser „antwortet dem Herzen des Therapeuten“. Wir können den Meridian behandeln, wenn unsere einfühlsame Vorstellung und unsere Körperbewegung synchron sind.

Folglich ist die Vorstellung von größter Bedeutung bei der Identifizierung und der Diagnose von Meridianen. Wir können einen Meridian nur durch den Gebrauch der einfühlsamen Vorstellung identifizieren.

Im Tao Shiatsu wurden nur zwei Arten von einfühlender Vorstellung definiert; Eine Vorstellung ist die, wo der Empfänger am meisten mit Druck berührt werden möchte. Die zweite ist die, wie der Patient sich während der Druckanwendung fühlt (und nicht nur während der Druckanwendung). Versuchen Sie, diese Vorstellung die ganze Zeit über aufrecht zu erhalten. Der Therapeut wird nach jahrelanger Praxis anfangen, während der Behandlung nicht mehr im „Ego-Bewusstsein“ zu sein und sich bei der Druckanwendung nicht mehr auf seinen Tastsinn zu verlassen, wenn er diese Arbeitsschritte befolgt:

  • Sich vorstellen, wo der Empfänger am meisten mit Druck berührt werden will.
  • Sich gleichzeitig vorstellen, wie der Patient sich fühlt.
  • Beide Vorstellungen andauernd aufrecht erhalten, ohne an sich selbst oder etwas anderes zu denken (z.B. daran, Erfolg zu haben, o.ä.).

Dann wird der Therapeut beginnen, den Kyo-Meridian des Patienten als Reflexion in seinem eigenen Herzen zu sehen; er wird den Kyo-Meridian ( der in diesem Moment mit der ganzen Natur verbunden ist) klar sehen. Wenn der Therapeut auf den Kyo-Meridian Druck ausübt, breitet sich Ki im ganzen Körper des Patienten aus. Diese Reaktion erfolgt nur dann, wenn man auf den Kyo-Meridian Druck ausübt und nicht bei irgend einem anderen Meridian. Durch Behandlung des Kyo-Meridians werden Symptome verschwinden.

Masunaga und Endo diagnostizieren also durch reine Beobachtung. Dies Art der Diagnose nennt man Boshin – mit dem Herzen schauen. Es ist die Diagnose durch das Ki, aus der Sichtweise der östlichen Philosophie. Diese Philosophie ist gut verwurzelt in der Realität des Ki und kommt immer aus dem Herzen, nicht aus dem Kopf.

Nur durch einfühlende Vorstellung ist es möglich, diesen Tao-Zustandes[4]D.h. eins zu sein mit dem Tao, Teil des Ki – Flusses zu sein., der in der Ki-Welt das Selbst nicht vom Anderen trennt,. zu erreichen.

Und was ist in diesem Zusammenhang mit Herz gemeint?[5]Es handelt sich um eine innere Motivation, um eine innere Einstellung. Es ist das Herz, das danach strebt, dem anderen das zu geben, was das Beste für ihn ist. Es ist das Herz, das die ganze Zeit über 100% einfühlsam sein will. Ein Herz, das nach einem geistigen Zustand der Leere trachtet. Ein Herz, das hofft, frei zu werden von dem Ego, das ständig etwas will von der Welt um es herum. Dieses Herz des Therapeuten ist wahrhaft das Herz, der Kern der östlichen Medizin.

Unter Kyo versteht man keine theoretische Philosophie. Es ist ein Teil unserer Lebensweise. Und eine Tao Shiatsu Behandlung wird uns immer dazu bringen, dies zu erfahren und somit das Tao zu erleben, den Ursprung von Allem.


Fragen und Antworten

Ist es möglich, zur gleichen Zeit einen Meridian mit mehr Kyo und einen mit weniger Kyo zu finden?

Die Bedeutung der Bezeichnung „Kyo“ unterscheidet sich vollkommen von der Vorstellung, dass es mehr oder weniger Ki gibt. Kyo ist lediglich ein Meridian, der mit dem Ganzen, mit der Leere verbunden ist. Er enthält das größte Potential für Veränderung. Wenn sich der Kyo-Meridian in unserem Herzen widerspiegelt, sehen wir nur ihn. Deshalb gibt es keinen Raum für Vergleiche, wie `mehr oder weniger´. Erinnern wir uns, dass Vergleiche aus dem Bewusstsein kommen, sie gehören also nicht in die Diagnose der östlichen Medizin.


Gibt es einen bestimmten, permanenten Zusammenhang zwischen Kyo und den Symptomen, die es hervorbringt?

Das System von Kyo und Jitsu ist wichtig für unsere Gesundheit. Es sorgt für eine gesunde Bewegung von Yin und Yang und es existiert in Harmonie mit dem Fluss der Natur. Gleichwohl kann es, wenn übermäßige Mengen von Jaki (negativer, disharmonischer Energie) sich im Körper anhäuft, dazu führen, dass sich Kyo in einem bestimmten Meridian festsetzt. Dann kann es zum Auftauchen von Symptomen kommen, die mit diesem Meridian assoziiert werden. Der Kyo-Meridian kann auch als der Meridian verstanden werden, durch den .der Körper am stärksten versucht, Jaki freizusetzen oder es in Seiki (positive, harmonische Energie) umzuformen.

In vielen Schulen, auf der ganzen Welt, wird gelehrt, dass bestimmte Symptome auf Kyo in dem einen oder anderen Meridian hinweist. Doch ich möchte noch einmal betonen, dass dies eine westliche Art ist, zu unterrichten, die allein auf Statistiken basiert oder aber auf Erfahrungen, die vor Tausenden von Jahren gemacht wurden. Es ist wichtig, zu verstehen, dass wir uns heute kaum noch auf solche alten Erfahrungen verlassen dürfen. Obwohl die Denkweise und die Art der Analyse erhalten blieben, hat sich die Welt verändert, d.h. die Menschen, die Luft, die Nahrung, das Wasser, die Technologie, etc. Ist ein Patient, z.B., der vor 3000 Jahren an Schmerzen im unteren Rücken litt, vergleichbar mit einem heutigen Patienten, der am Computer arbeitet und vielleicht 14 Stunden täglich vor einem Bildschirm sitzt? Können wir annehmen, dass Kyo im Fall dieser zwei Menschen im gleichen Meridian gefunden wird? Die Antwort lautet natürlich nein. Hinzu kommt, dass Kyo zwischen Behandlungen und manchmal sogar während einer Behandlung von einem Meridian zum anderen wechselt.


Müssen wir uns darum bemühen, um diesen Zustand des leeren Herzens zu erreichen oder eher das Gegenteil tun, nämlich alle Bemühungen diesbezüglich einstellen?

Wir sollten uns bemühen, mit ganzem Herzen das beste für unseren Patienten zu tun und uns natürlich ununterbrochen vorstellen, „wo der Patient am meisten berührt werden möchte“. Die wahre Anstrengung besteht darin, den Pfad und dem Tao zu folgen und dadurch die Tradition zu empfangen, die über 5000 Jahre an Schüler weitergegeben wurde. Die größte Mühe und die schwerste Arbeit bestehen darin, uns (während der Behandlung) von unserem Ego zu befreien, mit dem Urteilen und dem Streben nach Erfolg aufzuhören und uns jeden Moment vorzustellen, wie der Patient sich fühlt und nicht wie wir uns fühlen.


Ist es im Tao Shiatsu möglich, den Patienten von all seinem Jaki zu befreien?

Im Tao Shiatsu können wir dem Kyo-Meridian dazu verhelfen, eine größere Menge Jaki freizusetzen, indem wir mit den, von Meister Endo entdeckten Super-Vessel arbeiten. Durch die Arbeit mit dem Super-Vessel[6]Durch klinische Erfahrung entdeckte Endo die Existenz der 12 Super-Vessel (besonderen Gefäßen). Durch ihren Gebrauch wird sowohl für den Geber, als auch für den Empfänger Schutz vor … weiterlesen und dem Kyo wird Jaki freigesetzt und in Seiki umgewandelt. Eine weitere effektive Methode, die Meister Endo entdeckte, ist die Arbeit auf speziellen, so genannten SST-Punkten (Super-Vessel Spezifischer Tsubo). Mittels dieser Tsubos können wir relativ schnell Jaki aus bestimmten Körperzonen ausleiten und einen Teil des Jaki´s in Seiki umwandeln. Es ist jedoch schwierig, jemanden von all seinem Jaki zu befreien. Es ist fast unmöglich, denn wir haben große Mengen davon angesammelt, seit dem Tag unserer Geburt und sogar schon vorher. Trotzdem können wir mit der Zeit, durch effektive Behandlung und korrekte Diagnose, sehr viel Jaki freisetzen. Es ist unrealistisch, zu erwarten, einem Menschen ohne Jaki zu begegnen, genauso unrealistisch, wie einen perfekten Menschen zu treffen.

Tsvikar Calisar im Kurs

Ist es schwer für einen Therapeuten, diese Diagnose-Stufe zu erreichen und gibt es außerdem noch eine andere Methode, um effektiv zu behandeln?

Ja, im Tao Shiatsu gibt es verschiedene Wege, wie man auch ohne Kyo-Jitsu-Diagnose auf dem Kyo-Meridian arbeiten kann. Wir unterrichten ein paar Arten der speziellen Behandlung von Kyo: Tsubo-Behandlung, die Behandlung nach einem Muster und die willkürliche Behandlung.

Das eigentliche Ziel in der grundlegenden Behandlung beim Tao Shiatsu, ist die Arbeit auf dem Kyo-Meridian auch ohne Diagnose. Bei der Tsubo-Behandlung, z.B. versuchen wir uns auf einfühlende Weise vorzustellen, wo der Patient am meisten von uns mit Druck berührt oder behandelt werden möchte. Der Tsubo ist verknüpft mit dem Kyo-Meridian. Genau genommen kreuzt der Tsubo einen Ast des Kyo-Meridians (Es gibt vertikale Haupt- und Sub-Meridiane, Ring-Meridiane und Spiral-Meridiane. Weitere Details siehe unten.) und ist dadurch mit ihm verbunden. Mit Tsubo meine ich nicht den Behandlungspunkt, den man mit Namen oder Zahl kennen gelernt hat, wie in der Akupunktur, sondern wie er im Tao Shiatsu verstanden wird. Das heißt, der Punkt, an dem der Patient unterbewusst am meisten behandelt werden möchte.


Wie kann ich wissen, ob ich mit leerem Herzen diagnostiziere und nicht mit meinem bewussten Denken? Wie kann ich wissen, ob ich den Kyo-Meridian wirklich gefunden habe?

Wenn wir aufhören zu beurteilen, was gut oder schlecht, hart oder weich, tiefgründig oder oberflächlich ist und anfangen, mit Sesshin (dem Zustand des gebenden Herzens) und mit einfühlender Vorstellung zu behandeln; wenn wir unser Ego aus der Behandlung heraus halten – nur dann wir der Kyo –Meridian sich in unserem Herzen widerspiegeln.

Wir können prüfen, ob der Meridian, den wir erreicht haben, wirklich Kyo ist, wenn wir auf den Tsubo des entsprechenden Meridians im Hara drücken. Dabei wird das Symptom verschwinden oder schwächer werden. Eine andere Möglichkeit der Überprüfung ist die: wenn wir den Kyo-Meridian drücken, entspannt sich der Empfänger unterbewusst am ganzen Körper und Ki breitet sich im ganzen Körper aus.


Ist es auch effektiv, wenn ich Kyo nicht genau diagnostiziert habe und auf einem anderen Meridian arbeite?

Wenn wir auf einem anderen Meridian als dem Kyo-Meridian arbeiten, aber den sich darauf befindenden Tsubo mit einfühlender Vorstellung gefunden haben, werden wir in Wirklichkeit den Kyo-Meridian erreichen und auf ihm arbeiten. Die Meridiane fließen auf verschiedene Weise durch den Körper: als vertikale Haupt-Meridiane (gemäß Masunaga), als Sub-Meridiane, Ring-Meridiane und Spiral-Meridiane. Arbeiten wir also auf einem anderen Meridian als dem Kyo-Meridian und suchen den Tsubo dabei mit einfühlender Vorstellung (wo de Empfänger am meisten berührt werden möchte), dann besteht demnach die Möglichkeit, dass wir den Kyo-Meridian dennoch behandeln, da er den Meridian, auf dem wir arbeiten kreuzt. Auf dem Tsubo zu arbeiten wird am ehesten effektiv sein, wenn wir dabei vorsichtig vorgehen. Wir müssen mit Hilfe der Super-Vessel arbeiten und mit einfühlender Vorstellung. Wir müssen, sobald der Meridian und der Ki-Körper reagieren, aus dem Tsubo heraus gehen, sonst wird es zu einer schädlichen Wirkung auf das Ki und den Meridian kommen. Wenn wir uns daran halten und auf diese Weise vorgehen, wird die Behandlung effektiv sein. Wie dem auch sei, wir müssen uns immer bemühen, eine Behandlung so effektiv und so kurz wie möglich zu gestalten. Das heißt wir müssen auf direktem Weg durch den Super-Vessel und den Kyo-Meridian arbeiten.


Mein Patient hat chronisches Kyo im Nieren-Meridian. In einer Behandlung konnte ich feststellen, dass Kyo in den Dickdarm-Meridian überwechselte. Was hätte ich behandeln sollen, das chronische oder das akute Kyo?

Wir müssen den Meridian behandeln, der jetzt gerade Kyo ist. Wenn wir ihr Beispiel nehmen, war der Kyo-Meridian im gegebenen Moment der Dickdarm-Meridian. Hätten Sie den Nieren-Meridian behandelt, hätten Sie nicht das momentane Kyo behandelt. Es ist wichtig, zu verstehen, dass sich der Kyo-Meridian verändern kann und sollte und dass er sich demnach auch verändern wird, wenn die Behandlung richtig und effektiv ist. Es ergibt also keinen Sinn, an einer früheren Diagnose festzuhalten. Leben verändert sich von einem Moment zum anderen und mit den Meridianen ist es genau so.

Man spricht im Tao Shiatsu von einem überlieferten `Geist´ und einer 2500 Jahre alten Tradition. Die Sachverhalte, die Sie hier vorstellen, unterscheiden sich jedoch völlig von dem, was wir über die Prinzipien der chinesischen Medizin gelernt und gelesen haben. Gibt es da keinen Widerspruch?

Ich denke, dass sich Tao Shiatsu und die Kyo-Jitsu-Diagnose ganz und gar nicht von der Tradition der chinesischen Medizin unterscheiden. Im Gegenteil, glauben Sie etwa, dass die chinesischen Meister ihre Diagnose vor Tausenden von Jahren anhand von Statistiken und Überlegungen erlangten? Jeder, der wirklich mit der Ki-Welt in Verbindung steht weiß, dass sich alles fortwährend verändert. Das Leben ändert sich und mit ihm die Meridiane und die Symptome. Meister Endo sagt oft: „Meridiane sind etwas Lebendiges und genau das ist Ki!“

Wir neigen dazu, den Patienten mit einer Meridian-Karte zu vergleichen, wie sie in unserer Klinik an der Wand hängt. Wir müssen uns klar machen, dass diese Karten die klinische Erfahrung jenes Meisters von vor Tausend Jahren ausdrückt; eine Erfahrung, die seiner Zeit gemäß war. Denken Sie, jener chinesische Meister sah nicht, dass die Meridiane, die in den Beinen verliefen, auch in den Armen verliefen und umgekehrt? Schon zu Zeiten Meister Masunagas war es weniger effektiv, entlang der „klassischen Meridiane“ in Armen und Beinen zu arbeiten. Das Kyo hatte sich verändert und Masunaga war der Meinung, die Behandlung sei effektiver, wenn die Arbeit auf dem Kyo-Meridian Arme und Beine mit einbezog. Deshalb zeichnete er, entsprechend seiner Erfahrungen, neue Karten mit zusätzlichen Meridianen. Unglücklicherweise werden die Symptome und der Kyo-Meridian heutzutage immer mehr chronisch und wir sind gezwungen, immer effektiver zu arbeiten. Deshalb entwickelte Meister Endo die Methode, die sowohl für unsere Zeit als auch für die Bedürfnisse der Patienten am meisten geeignet ist. Wir arbeiten auf dem Haupt-Meridian (nach Masunaga), auf dem Sub-Meridian, auf dem Ring- oder dem Spiral-Meridian. Doch die Form unserer Diagnose unterscheidet sich in keiner Weise von der Diagnose der alten chinesischen Meister. In Wirklichkeit ist sie das Allerwichtigste bei der traditionellen, chinesischen Medizin. Es handelt sich hier um die Ki-Welt und nicht um Texte, grafische Darstellungen, Schlussfolgerungen, Ego`s oder Beurteilungen.

Sollte der Kyo-Meridian nach einer Behandlung angefüllt sein?

Da der Zweck des Kyo-Meridians nicht darin besteht, voll oder leer zu sein, sondern das Jaki des Patienten freizusetzen, wird er genau das tun, vorausgesetzt, er wurde richtig diagnostiziert und die Behandlung ist effektiv. Anschließend wird sich der Kyo-Meridian zwar verändern, aber es wird immer in irgend einem Meridian ein Kyo-Jitsu-Muster sein. Wie gesagt, ist das Kyo-Jitsu-Muster lebenswichtig für unseren Körper. Es sei denn, wir wären perfekt, doch ich kenne niemanden, der perfekt ist.

Abschließend möchte ich versuchen, in wenigen Sätzen zusammenzufassen, was ich zu Therapeuten, die Shiatsu und östliche Medizin praktizieren und zu den Lesern dieses Buches, gerne sagen möchte. Um uns in den Heilkünsten des Ostens zu betätigen, müssen wir anfangen, die Dinge aus dem Blickwinkel zu betrachten, der dieser Methode zu Grunde liegt. Ich behaupte nicht, dass wir uns zu Chinesen oder Japanern verändern sollen. Doch zum genauen Diagnostizieren von Kyo-Jitsu, zur Behandlung der Meridiane und zum Betreten der Ki-Welt, ist es notwendig, dass wir unsere westlich geschulte Wahrnehmung zu einem gewissen Grad verändern. Das heißt, nicht mit dem Ego zu schauen und zu entscheiden und auch nicht zu beurteilen, sondern zu versuchen, sich vorzustellen, wo der Empfänger am meisten mit Druck berührt werden möchte. Unser Fokus als Therapeuten, sollte zu 100 % bei dem Wohl des Patienten sein. Und deshalb lernen wir nur durch das Beobachten von und das Arbeiten mit einem qualifizierten Lehrer, der seinerseits bei einem Lehrer unterrichtet wurde.

Zum Schluss möchte ich meine grenzenlose Dankbarkeit und Wertschätzung gegenüber meinen Lehrern ausdrücken: dem Meister des Tao Shiatsu, Herrn Ryokyu Endo und seiner Frau, Mayu Endo Sensei und deren Lehrer, Meister Masunaga, sowie der ganzen, von Lehrern an Schüler weitergegebenen, 2500 Jahre alten Tradition des Tao.

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© Tzvika Calisar, Tcalisar@aol.com (veröffentlicht in Holger Greinus – Kyo & Jitsu. Verlag Edition Vitalis, ISBN 3-935110-12-X)

Tzvika Calisar wurde 1962 in Israel geboren. 1985 ging er nach Japan begann mit seinen Shiatsu-Studien in Namikoshi`s Schule in Tokyo. Gleichzeitig nahm er Unterrichtsstunden an der Schule von Meister Masunaga in Tokyo. Er war auch Teilnehmer einer kleinen Studiengruppe, die sich im Haus von Suzuki Sensei traf. Nach 18 Monaten Lehrzeit hörte er von Meister Ryokyu Endo aus Kyoto, der in Tokyo jeden Monat eine Gruppe von japanischen Shiatsu- und Akupunktur-Therapeuten unterrichtete. Herr Calisar trat der Gruppe bei. Nach einigen Monaten wurde er von Meister Endo nach Kyoto eingeladen, um dort Tao Shiatsu zu studieren. Er begann sein Tao Shiatsu Studium mit Meister Ryokyu Endo und dessen Frau Mayu Endo Sensei. Dort studierte er zweieinhalb Jahre lang und gab Behandlungen in Meister Endo`s Klinik. 1990 kehrte Herr Calisar nach Israel zurück und gründete das dortige Tao Shiatsu Zentrum. Er begann sowohl, Tao Shiatsu zu unterrichten, als auch Patienten zu behandeln.

Zur Zeit unterrichtet er im Zentrum in Israel und fliegt jeden zweiten Monat nach Europa, um Tao Shiatsu Praktizierenden Kurse in Tao Shiatsu zu geben

Anmerkungen

Anmerkungen
1 In seinem Buch „Tao Shiatsu – Life Medicine of the 21st Century“ ,Japan Publications Incorporation, 1995. Die deutsche Übersetzung wird voraussichtlich im Herbst 2001 mit dem Titel „Tao Shiatsu“ beim Karl F. Haug Verlag in Heidelberg erscheinen.
2 Rene Descartes, franz. Philosoph, 1596 – 1650. Sein berühmtester Satz war: „Ich denke, also bin ich“. Sinnliche Wahrnehmungen haben für ihn nicht denselben Stellenwert, wie Einsichten, die man allein durch Denken gewonnen hat. Er vergleicht ein aufgrund sinnlicher Wahrnehmung gewonnene Weltbild sogar mit einer Traumwelt. Für Descartes ist die ganze Welt zweigeteilt in die Körper, die man an ihrer räumlichen Ausdehnung erkennen kann und in den Geist, den man daran erkennt, dass er denkt.
3 Mit Ur-Sinn ist hier eine Art Primär-Sinn gemeint, wie er bei Buschmenschen z.B. noch ausgeprägter vorhanden ist.
4 D.h. eins zu sein mit dem Tao, Teil des Ki – Flusses zu sein.
5 Es handelt sich um eine innere Motivation, um eine innere Einstellung.
6 Durch klinische Erfahrung entdeckte Endo die Existenz der 12 Super-Vessel (besonderen Gefäßen). Durch ihren Gebrauch wird sowohl für den Geber, als auch für den Empfänger Schutz vor „negativem“ Jaki gewährleistet.