Der Europäische Qualifikationsrahmen (European Qualification Framework, EQF)

Das European Qualifikation Framework (EQF) wurde 2008 vom Europäischem Parlament initiiert und die EU empfiehlt ihren Mitgliedstaaten auf Basis des vorgelegten EQF die Entwicklung eines nationalen Qualifikationsrahmen (NQR).

Das Ziel des EQF ist es, alle nationalen Bildungs- und Ausbildungsbereiche erfassbar und vergleichbar zu machen für

  • europaweite Transparenz (primär) in der Bildungslandschaft
  • Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit von Qualifikationen (Bildungsabschlüssen)
  • Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit
  • Förderung der Mobilität von Arbeitskräften und Lernenden

Den Kern bilden acht Stufen (Level), die auf der Ebene von Lernergebnissen beschrieben werden und Kenntnisse (Wissen), Fertigkeiten und Kompetenzen erfassen. Die Basis dafür bildet eine Lernergebnisorientierung, die auf einer kompetenzorientierten Ausbildung mit entsprechendem Lehrplan (Competency Based Curriculum) gründet.

In der praktischen Vorgehensweise werden alle Qualifikationen werden zunächst national zugeordnet (National Qualification Framework, NQF) und im zweiten Schritt über den EQF europaweit vergleichbar gemacht.[1]Der vorliegende Beitrag wurde 2016 verfasst.


Die acht Stufen des EQF

Stufe 1

  • Kenntnisse: Grundlegendes Allgemeinwissen
  • Fertigkeiten: Grundlegende Fertigkeiten, die zur Ausführung einfacher Aufgaben erforderlich sind
  • Kompetenzen: Arbeiten oder Lernen unter direkter Anleitung in einem vorstrukturierten Kontext

Stufe 2

  • Kenntnisse: Grundlegendes Faktenwissen in einem Arbeits- oder Lernbereich
  • Fertigkeiten: Grundlegende kognitive und praktische Fertigkeiten, die zur Nutzung relevanter Informationen erforderlich sind, um Aufgaben auszuführen und Routine-probleme unter Verwendung einfacher Regeln und Werkzeuge zu lösen
  • Kompetenzen: Arbeiten oder Lernen unter Anleitung mit einem gewissen Maß an Selbstständigkeit

Stufe 3

  • Kenntnisse: Kenntnisse von Fakten, Grundsätzen, Verfahren und allgemeinen Begriffen in einem Arbeits- oder Lernbereich
  • Fertigkeiten: Eine Reihe kognitiver und praktischer Fertigkeiten zur Erledigung von Aufgaben und zur Lösung von Problemen, wobei grundlegende Methoden, Werkzeuge, Materialien und Informationen ausgewählt und angewandt werden
  • Kompetenzen: Verantwortung für die Erledigung von Arbeits- oder Lernaufgaben übernehmen; Bei der Lösung von Problemen das eigene Verhalten an die jeweiligen Umstände anpassen

Stufe 4

  • Kenntnisse: Breites Spektrum an Theorie- und Faktenwissen in einem Arbeits- oder Lernbereich
  • Fertigkeiten: Eine Reihe kognitiver und praktischer Fertigkeiten, die erforderlich sind, um Lösungen für spezielle Probleme in einem Arbeits- oder Lernbereich zu finden
  • Kompetenzen: Selbstständiges Tätigwerden innerhalb der Handlungsparameter von Arbeits- oder Lernkontexten, die in der Regel bekannt sind, sich jedoch ändern können; Beaufsichtigung der Routinearbeit anderer Personen, wobei eine gewisse Verantwortung für die Bewertung und Verbesserung der Arbeits- oder Lernaktivitäten übernommen wird

Stufe 5

  • Kenntnisse: Leiten und Beaufsichtigen in Arbeits- oder Lernkontexten, in denen nicht vorhersehbare Änderungen auftreten; Überprüfung und Entwicklung der eigenen Leistung und der Leistung anderer Personen
  • Fertigkeiten: Umfassende kognitive und praktische Fertigkeiten die erforderlich sind, um kreative Lösungen für abstrakte Probleme zu erarbeiten
  • Kompetenzen: Umfassendes, spezialisiertes Theorie- und Faktenwissen in einem Arbeits- oder Lernbereich sowie Bewusstsein für die Grenzen dieser Kenntnisse
  • Universitär: Kurzstudiengang

Stufe 6

  • Kenntnisse: Fortgeschrittene Kenntnisse in einem Arbeits- oder Lernbereich unter Einsatz eines kritischen Verständnisses von Theorien und Grundsätzen
  • Fertigkeiten: Fortgeschrittene Fertigkeiten, die die Beherrschung des Faches sowie Innovationsfähigkeit erkennen lassen, und zur Lösung komplexer und nicht vorhersehbarer Probleme in einem spezialisierten Arbeits- oder Lernbereich nötig sind.
  • Kompetenzen: Leitung komplexer fachlicher oder beruflicher Tätigkeiten oder Projekte und Übernahme von Entscheidungsverantwortung in nicht vorhersehbaren Arbeits- oder Lernkontexten; Übernahme der Verantwortung für die berufliche Entwicklung von Einzelpersonen und Gruppen
  • Universitär: erster Studienzyklus (Bachelor & Staatlich geprüfter Techniker / Betriebswirt / Gestalter & Geprüfter Meister / Fachwirt / Operativer Professional)

Stufe 7

  • Kenntnisse: Hoch spezialisiertes Wissen, das zum Teil an neueste Erkenntnisse in einem Arbeits- oder Lernbereich anknüpft, als Grundlage für innovative Denkansätze und/oder Forschung; Kritisches Bewusstsein für Wissensfragen in einem Bereich und an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Bereichen
  • Fertigkeiten: Spezialisierte Problemlösungsfertigkeiten im Bereich Forschung und/oder Innovation, um neue Kenntnisse zu gewinnen und neue Verfahren zu entwickeln sowie um Wissen aus verschiedenen Bereichen zu integrieren
  • Kompetenzen: Leitung und Gestaltung komplexer, unvorhersehbarer Arbeits- oder Lernkontexte, die neue strategische Ansätze erfordern; Übernahme von Verantwortung für Beiträge zum Fachwissen und zur Berufspraxis und/oder für die Überprüfung der strategischen Leistung von Teams
  • Universitär: zweiter Studienzyklus (Master)

Stufe 8

  • Kenntnisse: Spitzenkenntnisse in einem Arbeits- oder Lernbereich und an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Bereichen
  • Fertigkeiten: weitest fortgeschrittene und spezialisierte Fertigkeiten und Methoden, einschließlich Synthese und Evaluierung, zur Lösung zentraler Fragestellungen in den Bereichen Forschung und/oder Innovation und zur Erweiterung oder Neudefinition vorhandener Kenntnisse oder beruflicher Praxis
  • Kompetenzen: wissenschaftliche und berufliche Integrität und nachhaltiges Engagement bei der Entwicklung neuer Ideen oder Verfahren in führenden Arbeits- oder Lernkontexten, einschließlich der Forschung
  • Universitär: dritter Studienzyklus (PhD)


Kompetenzbasierter Lehrplan (Competency Based Curriculum)

Prinzipien und Zielsetzungen des Kompetenzbasierten Curriculums:

  • Lernergebnisse beschreiben, was die Lernenden nach dem erfolgreichen Abschluss eines Lernprozess wissen, verstehen bzw. können sollten
  • Lernergebnisse werden als Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen definiert, nicht über Stunden und  Inhalte
  • Für die (zukünftige) Zuordnung einer Qualifikation müssen die Lehrpläne/Curricula lernergebnisorientiert beschrieben werden
  • Der Bezug auf Lernergebnisse erleichtert die Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen
  • Führt zu einer genaueren Anerkennung/Beurteilung der Fähigkeiten der Studierenden und Lernenden – auch für die Studierenden und Lernenden selbst
  • Erleichtert die Zuordnung zum NQR und erhöht damit die Transparenz und Vergleichbarkeit von Qualifikationen (national und europaweit)
  • Zeigt Unternehmen und Gesetzgebern klarer auf, was Absolvent/innen nach ihrem Abschluss wissen und können


Beispiele für Klassifizierungen nach NQF


Beispiel 1

4-jährige Fachschule (Quelle: Stellungnahme zur Einstufung  von Qualifikationsnachweisen der agrarischen Bildung. Bundesministerium für Bildung und Frauen, Juni 2008): Die Schüler*nnen der Abschlussklasse einer 4-jährigen Fachschule können wahlweise eine Abschlussprüfung auf höherem Niveau machen: diese umfasst eine 5-stündige Klausurarbeit im Fachbereich, die Erstellung einer Projektarbeit und eine kommissionelle Prüfung über die Projektarbeit.

Gesamteinstufung: 3

  • Zeugnisse: 4-jährige Fachschule
  • Kenntnisse auf Level 3: Kenntnisse von Fakten, Grundsätzen, Verfahren und allgemeinen Begriffen in einem Arbeits- oder Lernbereich
  • Fertigkeiten auf Level 3: eine Reihe kognitiver und praktischer Fertigkeiten zur Erledigung von Aufgaben zur Lösung von Problemen, wobei grundlegende Methoden, Werkzeuge, Materialien und Informationen ausgewählt und angewendet werden können.
  • Kompetenzen im Sinne der Übernahme von Verantwortung und Selbständigkeit auf Level 3: Verantwortung für die Erledigung von Arbeits- und Lernaufgaben übernehmen; bei der Lösung von Problemen das eigene Verhalten an die jeweiligen Umstände anpassen

Gesamteinstufung: 4

  • Zeugnisse: 4-jährige Fachschule mit Abschlussprüfung auf höherem Niveau
  • Kenntnisse auf Level 4: breites Spektrum an Theorie und Faktenwissen in einem Arbeits- und Lernbereich
  • Fertigkeiten auf Level 4: eine Reihe kognitiver und praktischer Fertigkeiten, um Lösungen für spezielle Probleme in einem Arbeits- oder Lernbereich zu finden
  • Kompetenzen im Sinne der Übernahme von Verantwortung und Selbständigkeit auf Level 3: Verantwortung für die Erledigung von Arbeits- und Lernaufgaben übernehmen; bei der Lösung von Problemen das eigene Verhalten an die jeweiligen Umstände anpassen


Beispiel 2

Baubereich (Sabine Tritscher-Archan: NQR in der Praxis Am Beispiel des Baubereichs. Endbericht. ibw-Schriftenreihe Nr. 141  Wien, August 2008):

  • Für die Zuordnung von Lehrabschlüssen aus dem Bauhauptbereich sprechen sich die TeilnehmerInnen mehrheitlich für Stufe 4 aus. Diese Einstufung wird seitens der Hochschule als zu hoch kritisiert. Die Hochschul-Vertreter*nnen würden die Lehre dem Niveau 3 zuordnen.
  • Abschlüsse aus berufsbildenden mittleren Schulen (BMS, Bau-Fachschulen) werden großteils ebenfalls der Stufe 4 zugeordnet. Die Hochschule stimmt dieser Gleichstellung mit den Lehrabschlüssen grundsätzlich zu, sieht beide Qualifikationen aber auf Niveau 3.
  • Die Berufsreifeprüfung rechtfertigt aus Sicht der Expert*nnen nicht eine Höherstufung auf Niveau 5. Sie treten dafür ein, die BRP dem Level 4 zuzuordnen.
  • Für die Abschlüsse der BMS-Sonderformen, der Werkmeister- und Bauhandwerkerschule, plädieren die Diskutant*nnen für eine Einstufung auf Level 5.
  • Auf demselben Level sollte nach Ansicht der Mehrheit der Workshop-Partizipant*nnen auch der BHS-/Kolleg-Abschluss gestuft werden.
  • Für die nach dreijähriger Praxis erworbene Qualifikation Ingenieur*in treffen nach mehrheitlicher Ansicht die Deskriptoren der Stufe 6 zu. Dem widerspricht die Hochschulseite, die den*der HTL Ingenieur*in als mit einem short cycle Programm vergleichbaren Abschluss sieht und daher für die Einstufung auf Level 5 eintritt.
  • Die Tertiärabschlüsse sind bereits fix den Levels 6, 7 und 8 zugeordnet. Die Einstufung des Ziviltechnik-Abschlusses auf dem höchsten Niveau wird ebenso generell befürwortet wie die Zuordnung des/der gerichtlich beeideten Sachverständigen auf dieselbe Stufe.
  • Die Einstufung von Qualifikationen aus dem Bereich der Erwachsenenbildung (non-formal erworbene Qualifikationen) könnte nach Ansicht der WorkshopTeilnehmerInnen zu gewissen Umstrukturierungen führen. Um die Karrieremöglichkeiten am Bau abbilden zu können, wäre es erforderlich, den Lehr- und BMSAbschluss dem Level 3 zuzuordnen, um Spielraum für die Einstufung des*der Vorarbeiter*in auf Niveau 4 zu haben. Diese Vorgehensweise würde jedoch zu einer im Branchenvergleich inkonsistenten Einstufung führen, wenngleich damit die Vielfalt an Qualifikationen besser abgebildet werden könnte.
  • Der Polier-Abschluss wird auf Stufe 5 gesehen, der Bauleiter-Abschluss auf Stufe 6. Der*Die Baumeister*in wird als eine mit dem universitären Master gleichwertige Qualifikation gesehen und daher dem Level 7 zugeordnet.


Vergleich NQF und EQF

Unterschiede  NQF (NQR)  EQF (NQR)
Wichtigste FunktionVergleichsmaßstab für Niveau, Umfang und Art der LernerfahrungVergleichsmaßstab für das Niveau jeder Lernerfahrung, die in einer Qualifikation anerkannt oder in einem NQR definiert wird
Entwickelt vonregionalen Behörden, nationalen Agenturen und sektoralen Behördengemeinsam von den Mitgliedstaaten
Reagieren auflokale, regionale und nationale Prioritäten (z. B. Alphabetisierungs- grad, Arbeitsmarktnachfrage)gemeinsame Prioritäten der Länder  (z. B. Globalisierung im Handel)
Anerkennung der Lernerfahrung der Lernenden anhand vonBeurteilung / Bewertung, Validierung und ZertifizierungKeine direkte Anerkennung der Lernerfahrung der Lernenden
Gebräuchlichkeit abhängig vonFaktoren im nationalen KontextGrad des Vertrauens zwischen den internationalen Anwendern
Qualität wird sichergestellt durchdie Praktiken der nationalen Behörden und Lerneinrichtungennationale Praktiken und die Tragfähigkeit des Prozesses, durch den nationale und EQR-Niveaus verknüpft werden  
Niveaus sind definiert durch Bezugnahme aufnationale Vergleichsgrößen, die in verschiedene spezifische Lernkontexte eingebettet sind, z. B. schulische Bildung, Arbeitswelt und Hochschulbildungkontext- und länderübergreifende allgemeine Lernfortschritte


Quellen und weiterführende Texte

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Der vorliegende Beitrag wurde 2016 verfasst.