Ernährung der Menschen in der Frühzeit und heute. Auswirkungen auf Gesundheit und Krankheit

Der Speiseplan der Jäger und Sammler der Frühzeit war, so die heutige wissenschaftliche Erkenntnis, weitaus abwechslungsreicher als der ihrer sesshaften Nachfahren, die Landwirtschaft betrieben. Mit dem Übergang in die Sesshaftigkeit wurden die Menschen, so zeigen Knochenfunde, kleiner, hatten zudem einen insgesamt schlechteren Gesundheitszustand, und die Säuglings- und Kindersterblichkeit nahm zu. Geradezu paradoxerweise führte die ausreichende Lebensmittelproduktion zu Mangelerscheinungen.

Menschliche Wesen leben seit einigen Millionen Jahren auf der Erde. Anfänglich ernährten sie sich wohl vorwiegend von rohen Pflanzen (der Mensch gehört zu den ganz wenigen Säugetieren, deren Körper nicht selbst Vitamin C synthetisieren kann). Der Übergang zu mehr fleischlicher Nahrung vollzog sich dann vor etwa 1,5 Millionen Jahren. Seit etwa 700.000 Jahren gehen die Menschen planmäßig auf die Jagd, und vor rund 100.000 Jahren wurde der Homo sapiens ein perfekter Waidmann, dessen Speiseplan wahrscheinlich überwiegend aus Fleisch bestand, ergänzt durch Wildgemüse und Obst. Fleisch, Obst und Gemüse bilden die ältesten Nahrungsmittel. Getreide und Milchprodukte sind erst im Laufe der Evolution mit der Sesshaftigkeit und mit Ackerbau und Viehzucht hinzugekommen.


Fleischkonsum

Obwohl heute Fleisch als Nahrungsmittel eher problematisiert wird, zeigen Naturvölker mit einem hohen Fleischkonsum (z.B. die Inuit, die sich bis vor kurzem vor allem von Robbenfleisch und Robbenfett ernährten) keinen – wie erwartet – hohen Cholesterinspiegel, im Gegenteil: Verschlechterungen im Gesundheitszustand traten erst auf, als sich Menschen dieser Volksgruppe nach der uns vertrauten Art und Weise zu ernähren begannen. Das Fleisch von Beutetieren ist im allgemeinen wesentlich weniger fett als das ihrer gezüchteten (domestizierten) Artgenossen, und das Verhältnis zwischen mehrfach ungesättigten und gesättigten Fettsäuren ist günstiger. Man geht davon aus, dass unsere Vorfahren etwa 1/5 ihrer Kalorien in Form von Fett aufgenommen haben – eine Ernährung, die auf Grund ihres hohen Cholesteringehaltes als starke Disposition für Erkrankungen der Herzkranzgefäße angesehen werden könnte.

Untersuchungen zu Herzkranzgefäßerkrankungen haben aber aufgezeigt, dass möglicherweise nicht die Cholesterinaufnahme für sich verantwortlich ist, ob Cholesterin der Gesundheit nutzt oder schadet. Bemerkenswerterweise leben die Menschen (Europas) mit den meisten Herzkrankheiten im Norden (Europas), wo viel mehr Kalzium zu sich genommen wird als im Süden (mit der zugleich geringsten Anzahl an tödlichen Herzerkrankungen). Jäger und Sammler haben Kalzium hauptsächlich mit der Pflanzennahrung zu sich genommen und erst seit der „landwirtschaftlichen Revolution“ stammt das Kalzium vorzugsweise aus Milchprodukten (Südländer essen auch deshalb weniger Milchprodukte, weil sie in höherem Maße zu Laktoseunverträglichkeit neigen).


Getreidekonsum

Ähnlich wie Milchprodukte, die von vielen Menschen nicht „vertragen“ werden, gelten Getreide – im Sinne von Getreideanbau – als „neue“ Nahrungsmittel und werden, insbesondere die Kleberhaltigen (Gliadenhaltigen) Getreidesorten wie Weizen, Roggen, Gerste und Hafer, von manchen Menschen nicht vertragen. Ursprünglich wurden Getreide weniger gegessen als getrunken. Aus Gerste gebrautes Bier gibt es seit 7.500 Jahren, und die Sumerer haben etwa 40 Prozent ihrer Getreideernte in Bier verwandelt. Bier ist älter als Brot.

Getreide, das mit der Sesshaftigkeit mehr und mehr zu einem Hauptnahrungsmittel wurde, ist, so wird vermutet, möglicherweise der Hauptgrund für die Abnahme der Körpergröße. Die Jäger und Sammler der Frühzeit waren größer als alle ihre Nachkommen, und erst im vorigen Jahrhundert hat die Menschheit – zumindest in den westlichen Ländern – damit begonnen, wieder zur körperlichen Größe ihrer Urahnen vor 25.000 bis 10.000 Jahren aufzuschließen.

Fast alle Getreide liefern wenig Eisen, kaum Aminosäuren und behindern häufig sogar die Wirkung anderer Nährstoffe. Reis beispielsweise blockiert die Wirkung von Vitamin A. Die Phytinsäure in Weizenkleie bindet Zink, das deswegen nicht im Körper aufgenommen wird, was nachteilig für das Wachstum von Kindern sein kann. Mais wiederum enthält Phytale, die eine Eisenresorption verhindern.


Salzkonsum

Eine weitere ernährungsgeschichtlich eingreifende Veränderung ist der Umgang mit Salz. Selbst starke Salzesser in der Vorzeit haben höchstens halb so viel Salz konsumiert wie US-Amerikaner heute. Auch die heute noch als Jäger und Sammler lebenden Völker nehmen wenig Kochsalz zu sich und leiden nicht einmal unter dem bei uns für normal gehaltenen, altersbedingten Anstieg des Blutdrucks.

Vor etwa 1.000 Jahren ist Kochsalz (hauptsächlich Natriumchlorid, Natriumsalz) zur Massenware geworden. Mit Salz wird gekocht und konserviert, und Salz wird der Nahrung noch beim Essen zugefügt. Der menschliche Organismus hat sich im Lauf der Jahre scheinbar (zumindest teilweise) auf den erhöhten Salzkonsum eingestellt: Er entsalzt sich teilweise über Urin und Schweiß. Menschen in salzarmen Weltregionen hingegen, die früher fast ohne Salz gekocht haben, behandeln ihr Körpersalz als etwas Kostbares, das vorrangig – zum Schaden der Gesundheit – gespeichert wird.


Eisenmangel

Auch Eisenmangel, der zu Blutarmut (Anämie) führt, wird als Folge geänderter Ernährungsweisen betrachtet. Insbesondere in Entwicklungsländern, wo die Nahrung wenig Fleisch, hingegen mehr Gemüse enthält, ist diese Form der Anämie weit verbreitet. Während der Körper Eisen aus Fleisch ziemlich effektiv gewinnen kann, behindern Gemüsebestandteile wie Oxal- und Gerbsäure die Aufnahme von Eisen.

Manche Parasiten (z.B. Hakenwurm), aber auch Viren und Bakterien leben von dem im menschlichen Blut enthaltenen Eisen beziehungsweise benötigen Eisen, um sich zu reproduzieren (vermehren). Unser Körper kann, gleichsam um die Krankheitserreger auszuhungern, den Eisenanteil im Blut verringern und zwischenspeichern. Werden – wie wohl häufig – gegen eine solche „Anämie“ Eisenpräparate verschrieben, so nutzen diese mehr den Erregern als den Patienten. Studien in Polynesien, Neuguinea und Westafrika belegen, dass Kleinkinder, die Eisenpräparate bekommen haben, häufiger unter ernsthaften Infektionen leiden als andere.

Eisen als Nahrungsergänzung bedroht möglicherweise auch die Gesundheit in den Industrieländern, wenn es wahllos als Nahrungsmittel benutzt wird, denn die in den Industrieländern verbreitete Anämie von Frauen nach den Wechseljahren und älteren Männern könnte eine Abwehr des Körpers gegen Erkrankungen sein, beispielsweise auch gegen Tumore, deren Zellen zu ihrer Vermehrung ebenfalls Eisen benötigen.


„Theorie der knausrigen Gene“

Im Laufe der Evolution des menschlichen Organismus, so besagt die „Theorie der knausrigen Gene“, hatten diejenigen, die nach einer erfolgreichen Jagd die im Überfluss angebotenen Kalorien am effektivsten als Fett speichern konnten, eine überdurchschnittlich hohe Überlebenschance. Dieser Mechanismus macht uns jedoch heute zu schaffen, weil unsere Nahrungsmittel kalorienreicher sind. Die gleiche Menge Nahrung enthält heute etwa dreimal so viel Kalorien. Die Folge ist, dass wir uns, noch bevor wir satt sind, mehr Kalorien als nötig zugeführt haben – mit dem Problem der durch Fettleibigkeit mitverursachten Krankheiten wie Diabetes oder Gallensteinen.


Quelle

Geo Wissen – Ernährung: Gesundheit und Genuss