Grundlegende Eigenschaften des Bewusstseins. Ergebnisse der Neurowissenschaften nach Antonio R. Damasio

Bewusstsein ist nicht monolithisch

Bewusstsein ist – zumindest gilt dies für den Menschen – nicht monolithisch, vielmehr lassen sich eine einfache und eine komplexe Form unterscheiden. Die einfache Form stellt das Kern-Bewusstsein dar, das den Organismus gleichsam mit einem Selbst-Sinn ausstattet, der für einen Augenblick (“jetzt”) und einen Ort (“hier”) gilt. Das Kern-Bewusstsein ist als einfache biologische Organisationsebene für das Hier und Jetzt zuständig – ohne die Perspektiven von Vergangenheit und Zukunft. Die Vergangenheit wird im Kern-Bewusstsein nur insofern berücksichtigt, als Ereignisse einbezogen werden, die sich ganz unmittelbar zuvor zugetragen haben.

Die komplexe Form des Bewusstseins, das erweiterte Bewusstsein (wobei sich auch hier noch verschiedene Ebenen oder Stufen unterscheiden lassen), baut auf dem Kern-Bewusstsein auf, vermittelt dem Organismus einen höheren Selbst-Sinn (Identität und Personalität) und “verortet” ihn an einem bestimmten Punkt der individuellen historischen Zeit. Mit dem erweiterten Bewusstsein ist der Organismus in der Lage, sich die gelebte Vergangenheit in vielen Einzelheiten zu vergegenwärtigen, die Zukunft zu antizipieren, und die Welt, in der er lebt, seinem Erkenntnisdrang zu unterwerfen.[1]Klinische Untersuchungen bestätigen die Unterscheidung zwischen Kern-Bewusstsein und erweiterten Bewusstsein. Fällt das Kern-Bewusstsein aus (z.B. bei Absence-Anfällen, epileptischen Automatismen … weiterlesen   

Bewusstsein lässt sich von einzelnen Funktionen wie Wachsein, basaler Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, konventionellem Gedächtnis, Sprache und Denken unterscheiden

Bewusstsein ist auf Wachsein und basale Aufmerksamkeit[2]Aufmerksamkeit, wenn sie über einen längeren Zeitraum auf Objekte gerichtet werden kann, die für angemessenes Verhalten in einem gegebenen Kontext notwendig ist (Dauer von Minuten oder Stunden), … weiterlesen angewiesen, um normal arbeiten zu können, ist aber deutlich von ihm zu trennen. So sind beispielsweise Menschen mit Absence-Anfällen oder akinetischem Mutismus “wach”, aber nicht bewusst.[3]Wachen, aber nicht bewussten Menschen sind einige elementare Aspekte des menschlichen Geistes geblieben. Ihr Geist verfügt über einige Inhalte, die sich auf die Objekte der Umgebung beziehen. Ein … weiterlesen Auch das Aufrechterhalten einer Vorstellung – ein Vorgang, der als Arbeitsgedächtnis bezeichnet wird – ist nicht mit dem Vorliegen von Kern-Bewusstsein ident, bildet aber eine unentbehrliche Grundlage für das erweiterte Bewusstsein.

Das Kern-Bewusstsein basiert nicht auf Sprache[4]Die Sprache trägt entscheidend zu den höheren Bewusstseinformen im Sinne des erweiterten Bewusstseins bei, und der fundamentale Bewusstseinsprozess wird unablässig in Sprache übersetzt (in … weiterlesen, ist unabhängig von den Prozessen konventionellen Lernens und Erinnerns und ist nicht identisch mit den intelligenten Manipulationen einer Vorstellung (wie Planen, Problemlösen und Kreativität). Auch Menschen mit gravierenden Störungen des Denkens und Planens haben, wie klinische Untersuchungen zeigen, wenn nur die höheren Ebenen des erweiterten Bewusstseins beeinträchtigt sind, ein vollkommen normales Kern-Bewusstsein.[5]Damasio klassifiziert die neurologischen Beispiele für ein gestörtes Kern-Bewusstsein wie folgt:             1) Unterbrechung des … weiterlesen)


Emotionen und Kern-Bewusstsein sind eindeutig miteinander verknüpft

Mit der Beeinträchtigung des Kern-Bewusstseins verlieren Menschen die gesamte Bandbreite ihrer Emotionen, von den Hintergrundemotionen bis zu den sekundären Emotionen. Ist hingegen das Kern-Bewusstsein intakt und nur das erweiterte Bewusstsein beeinträchtigt, zeigen sich normale Hintergrund- und primäre Emotionen.[6]Emotionen und Kern-Bewusstsein treten gewöhnlich zusammen auf, d.h. sie sind entweder beide vorhanden oder fehlen beide. Emotionsmangel scheint deshalb, so Damasio, ein zuverlässiges Anzeichen für … weiterlesen


Störungen des Kern-Bewusstseins ziehen alle geistigen Aktivitäten und den gesamten Bereich der sensorischen Modalitäten in Mitleidenschaft

Ist das Kern-Bewusstsein unterbrochen (z.B. Koma, apallisches Syndrom), so erstreckt sich die daraus resultierende Beeinträchtigung auf alle Sinnesmodalitäten. Umgekehrt hingegen führt die Beeinträchtigung der Vorstellungserzeugung in einer Sinnesmodalität (z.B. im optischen Bereich) aber nicht zu einer Störung des Kern-Bewusstseins und auch nicht in der Vorstellungserzeugung desselben Objekts in anderen sensorischen Kanälen.[7]Auch bei Alzheimer-Patienten ist – im fortgeschrittenen Stadium – das Bewusstsein eingeschränkt. Zwar prägt in den Frühstadien der Erkrankung der Gedächtnisverlust das Bild, während … weiterlesen

Der Umstand, dass sich das Kern-Bewusstsein von anderen kognitiven Prozessen trennen lässt, bedeutet aber nicht, dass das Kern-Bewusstsein keinen Einfluss auf sie hat. Im Gegenteil wirkt das Kern-Bewusstsein nachhaltig auf all die anderen kognitiven Prozesse ein: Das Kern-Bewusstsein fokussiert und verstärkt die Aufmerksamkeit und das Arbeitsgedächtnis, begünstigt die Bildung von Erinnerungen, ist unentbehrlich für die normalen Sprachfunktionen und erweitert den Horizont der intelligenten Manipulationen (Planen, Problemlösen, Kreativität).

Alle diese kognitiven Eigenschaften werden durch das Kern-Bewusstsein potenziert und tragen ihrerseits dazu bei, das erweiterte Bewusstsein auf der Grundlage des Kern-Bewusstseins aufzubauen. Und ständig ist hinter dem erweiterten Bewusstsein der Pulsschlag des Kern-Bewusstseins spürbar, gleich einer Nabelschnur, die nie durchtrennt wird und auch nie durchtrennt werden kann.


Kern-Selbst und autobiographisches Selbst

Der Selbstsinn, der dem Kern-Bewusstsein erwächst, ist das Kern-Selbst, ein flüchtiges Phänomen, das für jedes Objekt, mit dem der Organismus interagiert, neu erschaffen wird. Unserem traditionellen Selbstbegriff, der mit der Idee der Identität verbunden ist und einen dauerhaften Bestand von Fakten, Verhaltens- und Existenzweisen, die einen Menschen charakterisieren, reflektiert, hingegen entspricht das autobiographische Selbst. Das autobiographische Selbst beruht auf den systematischen Erkenntnissen aus Situationen (autobiographisches Gedächtnis), in denen dem Kern-Selbst die grundlegenden Ereignisse im Leben des Organismus zur Kenntnis gelangt sind.


Die biologischen Grundlagen des Bewusstseins

Generell, so Damasio, besteht Bewusstsein aus der Konstruktion von Wissen über zwei Fakten:

  1. dass der Organismus damit beschäftigt ist, eine Beziehung zu einem Objekt zu knüpfen, und
  2. dass das Objekt in der Beziehung eine Veränderung im Organismus hervorruft.

Damit Bewusstsein entstehen kann, müssen die neuronalen Muster und Vorstellungen die Funktion von Stellvertretern haben: Stellvertreter für den Organismus, für das Objekt und für die Beziehung zwischen den beiden. Die Biologie des Bewusstseins läuft damit auf die Frage hinaus, wie das Gehirn sowohl die beiden Akteure als auch die Beziehung, die sie unterhalten, abbildet.[8]Die bisherige Forschung hat sich bislang vor allem damit beschäftigt, was Damasio als “Objektstellvertreter” bezeichnet, nämlich mit den Repräsentationen des Objektes im Gehirn, der … weiterlesen

Damasio kommt aufgrund seiner Forschung zum Schluss, dass der Organismus als Repräsentation in seinem eigenen Gehirn wahrscheinlich ein biologischer Vorläufer dessen ist, was schließlich zum Selbst-Sinn wird. Die frühen Ursprünge des Selbst sind darum in der Gesamtheit jener Hirnmechanismen zu finden, die fortwährend und unbewusst dafür sorgen, dass sich die Körperzustände in jenem Bereich relativer Stabilität bewegen, der zum Überleben erforderlich ist. Diesen ständig vorhandenen, unbewussten Aktivitätszustand bezeichnet Damasio als Proto-Selbst und meint damit den unbewussten Vorläufer jener Stufen des Selbst, die in unserem Geist als bewusste Protagonisten des Bewusstseins in Erscheinung treten: Kern-Selbst und autobiographisches Selbst.[9]Dabei erzeugen aber weder diese lebensregulierenden Mechanismen noch innere Körperkarten das Bewusstsein, ihr Vorhandensein ist aber unentbehrlich für diejenigen Systeme, die das Kern-Bewusstsein … weiterlesen


Ziel und Aufgaben des Bewusstseins

Grundlegend für die Entwicklung von Bewusstsein ist die biologische Tatsache aller lebenden Organismen, dass ihr Überleben davon abhängt, Energiequellen aufzuspüren und sich einzuverleiben sowie alle Situationen zu vermeiden, die die Unversehrtheit der lebenden Gewebe gefährden. Die bahnbrechende Neuerung des Bewusstseins besteht in der Möglichkeit, die innere Sphäre der Lebensregulierung mit der Verarbeitung von Vorstellungen zu verbinden. Durch das Bewusstsein ist der Organismus in der Lage, das System seiner Lebensregulation auf die Verarbeitung von Vorstellungen zu stützen, die Dinge und Ereignisse innerhalb und außerhalb des Organismus repräsentieren. Der Organismus ist auf diese Weise durch Manipulationen von Vorstellungen in der Lage, diese im Interesse des Organismus so zu optimieren, dass er sich einen erheblichen Evolutionsvorteil verschafft.

Nützliche Handlungen sind in diesem Sinne auf nützliche Vorstellungen angewiesen. Diese ermöglichen es dem Organismus, eine Auswahl aus einem Repertoire von verfügbaren Handlungsmustern zu treffen und die Ausführungen der gegenwärtigen Handlungen zu optimieren.

Bewusstsein vermittelt dem Individuum die Erkenntnis, dass es in seinem Inneren Vorstellungen (mentale Muster[10]“Vorstellungen” oder “mentale Muster” sind von “neuronalen Mustern” oder “Karten” (die sich mit modernen neurowissenschaftlichen Methoden in … weiterlesen) gibt, gleicht sie mit der Perspektive des Organismus ab (indem es sie an der Repräsentation des Organismus ausrichtet) und ermöglicht damit die Manipulation der Vorstellungen zum Vorteil des Organismus. Damit wird individuelle Vorsorge möglich, und der Organismus wird zu einem geistbeseelten Organismus, dessen Reaktionen von der geistigen Sorge um das eigene Leben bestimmt sind. Das Bewusstsein steht also im Dienste des Selbsterhaltungstriebes.


Die Anfänge des Bewusstseins

Wenn ein Organismus ein Objekt verarbeitet, dann veranlasst das Objekt den Organismus zu reagieren und verändert dadurch seinen Zustand. Und Bewusstsein entsteht dann, wenn die Repräsentationsmechanismen eine bestimmte Art von wortloser Erkenntnis offenbaren (nämlich dass der Zustand des Organismus verändert worden ist) und wenn diese Erkenntnis gleichzeitig mit einer deutlicheren Repräsentation eines Objektes erfolgt. Die einfachste Form, in der dieses wortlose Wirken in Erscheinung tritt, ist das entstehende Gefühl, das Fühlen dessen, was geschieht, wenn der Organismus mit dem Verarbeiten eines Objektes beschäftigt ist – und erst danach können Schlussfolgerungen und Interpretationen hinsichtlich des Erkenntnis-Gefühls erfolgen.

Bewusstsein beginnt also mit dem Fühlen dessen, was geschieht, wenn wir sehen, hören, riechen, tasten oder auch erinnern. Es handelt sich hierbei um das Gefühl, das die Erzeugung jeder Art von Vorstellung (visuell, auditorisch, taktil oder viszeraler Art) begleitet.

Auf frühen Stufen sind innere organismische Zustände, die den Hintergrund unseres Geistes bilden (wie z.B. auch Emotionen) dem Organismus, der sie erzeugt, vermutlich vollkommen unbekannt. Alle diese Zustände erfüllen – und das ist ihre Aufgabe – eine regulatorische Funktion. Sie rufen innere oder äußere Handlungen hervor, die nützlich sind, oder sie tragen indirekt zu solchen Handlungen bei, indem sie deren Ausführung wahrscheinlicher machen. Es gibt Leben, es gibt Sein, aber noch kein Wissen (darüber), weil das Bewusstsein noch nicht begonnen hat.

Bewusstsein beginnt, wenn das Gehirn das (einfache) Vermögen erwirbt, eine Geschichte ohne Worte zu erzählen, eine Geschichte, die davon handelt, dass in einem Organismus das Leben vergeht, dass die Zustände des lebenden Organismus in seinen Körpergrenzen ständig durch die Begegnung mit Objekten und Ereignissen in seiner Umwelt verändert werden, oder auch, dass solche Veränderungen durch Gedanken und innere Anpassungen an den Lebensprozess hervorgerufen werden. Bewusstsein entsteht, wenn diese Urgeschichte in der nonverbalen Universalsprache der Körpersignale erzählt wird. Bewusstsein ereignet sich im Inneren des Organismus, ist persönlich und privat, zugleich aber mit zahlreichen öffentlichen Manifestationen verknüpft.


Quelle

Antonio R. Damasio – “Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des Bewusstseins”. Ullstein Taschenbuchverlag (List) , München 2002

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Klinische Untersuchungen bestätigen die Unterscheidung zwischen Kern-Bewusstsein und erweiterten Bewusstsein. Fällt das Kern-Bewusstsein aus (z.B. bei Absence-Anfällen, epileptischen Automatismen oder Koma), so ist immer auch das erweiterte Bewusstsein unterbrochen. Ist hingegen nur das erweiterte Bewusstsein betroffen (z.B. bei tief greifenden Störungen des autobiographischen Gedächtnisses), so ist das Kern-Bewusstsein davon unberührt und bleibt intakt.
2 Aufmerksamkeit, wenn sie über einen längeren Zeitraum auf Objekte gerichtet werden kann, die für angemessenes Verhalten in einem gegebenen Kontext notwendig ist (Dauer von Minuten oder Stunden), weist auf das Vorliegen eines normalen (erweiterten) Bewusstseins hin. Die Art von Aufmerksamkeit, die auf Bewusstsein schließen lässt, ist gekennzeichnet durch eine längere Spanne und die Fokussierung auf angemessene Objekte. Der Mangel an manifester Aufmerksamkeit weist allerdings noch nicht unbedingt auf ein Fehlen von Bewusstsein hin, sondern kann auch bedeuten, dass die Aufmerksamkeit auf ein inneres Objekt gerichtet ist.  
Basale Aufmerksamkeit geht dem Kern-Bewusstsein voraus und ist erforderlich, um jene Prozesse in Gang zu setzen, die das Kern-Bewusstsein hervorbringen. Der Prozess des Kern-Bewusstseins wiederum schärft die Aufmerksamkeit: Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf jemanden richten, der gerade zur Tür hereinkommt, dann geschieht dies unter dem Einfluss des Kern-Bewusstseins. Dieses Kern-Bewusstsein konnte aber nur erzeugt werden, weil der Organismus von einer basalen, automatischen Aufmerksamkeit gesteuert wird, dass er bestimmte Merkmale der Umgebung verarbeitet, die für unseren Organismus von Bedeutung sind (in diesem Fall bewegte Lebewesen mit menschlichen Gesichtern). Im Fortgang der Verarbeitung hilft das Kern-Bewusstsein dann seinerseits, die Aufmerksamkeit auf das Objekt zu richten, mit dem der Organismus vorrangig beschäftigt ist.  
Die Kontinuität des Bewusstseins setzt eine Erinnerungsfähigkeit in der Größenordnung eines Sekundenbruchteils voraus (das menschliche Gehirn hat die Fähigkeit in seinem Kurzzeitgedächtnis Fakten bis etwa 60 Sekunden lang aktiv zu halten).
3 Wachen, aber nicht bewussten Menschen sind einige elementare Aspekte des menschlichen Geistes geblieben. Ihr Geist verfügt über einige Inhalte, die sich auf die Objekte der Umgebung beziehen. Ein normales Bewusstsein ist aber damit nicht vorhanden: Es gibt parallel zur Vorstellung der Objekte, die sie umgeben, keine auf das Selbst zentrierte Vorstellung des Erkennens, keine weitergehende Vorstellung von den Objekten und kein Empfinden für eine angemessene Verbindung zwischen dem, was vor einem gegebenen Zeitpunkt geschehen ist (Erinnerung) und was anschließend passieren könnte (Antizipation).
4 Die Sprache trägt entscheidend zu den höheren Bewusstseinformen im Sinne des erweiterten Bewusstseins bei, und der fundamentale Bewusstseinsprozess wird unablässig in Sprache übersetzt (in gewissem Sinne auch von ihr verdeckt). Es gibt aber keinen Beitrag der Sprache zum Kern-Bewusstsein, so dass die Annahme, dass Selbst und Bewusstsein nach der Sprache entstehen und direkte Konstrukte der Sprache sein könnten, jeglicher Grundlage entbehren. Auch zeigen Menschen mit einer globalen Aphasie, die keine Sprache verstehen und weder lesen, schreiben noch reden können, deutliche Hinweise auf das Vorliegen eines Kern-Bewusstseins.
5 Damasio klassifiziert die neurologischen Beispiele für ein gestörtes Kern-Bewusstsein wie folgt:             
1) Unterbrechung des Kern-Bewusstseins bei Fortbestand von Wachsein und von minimaler Aufmerksamkeit/minimalem Verhalten (z.B. akinetischer Mutismus, epileptische Automatismen)           
2) Unterbrechung des Kern-Bewusstseins mit Erhalt des Wachseins, aber Beeinträchtigung von minimaler Aufmerksamkeit/minimalem Verhalten (z.B. Absence-Anfälle, appalisches Syndrom; bei letzterem zeigen die Patienten – im Unterschied zum Koma – beispielsweise noch Schlaf-Wach-Rhythmen)
3) Unterbrechung des Kern-Bewusstseins begleitet von einer Beeinträchtigung des Wachseins (z.B. Koma, vorübergehende Bewusstlosigkeit bei Ohnmacht oder Schädel-Hirn-Trauma, tiefe Narkose, tiefer traumloser Schlaf
6 Emotionen und Kern-Bewusstsein treten gewöhnlich zusammen auf, d.h. sie sind entweder beide vorhanden oder fehlen beide. Emotionsmangel scheint deshalb, so Damasio, ein zuverlässiges Anzeichen für ein beeinträchtigtes Kern-Bewusstsein, wie wohl auch ungekehrt ein gewisses Maß an emotionalen Prozessen praktisch immer mit bewussten Zuständen einhergeht. 
Diese Verknüpfung lässt auch darauf schließen, das einige der neuronalen Apparate, von denen sowohl Emotionen als auch das Kern-Bewusstsein abhängen, im selben Gebiet lokalisiert sind (möglicherweise aber geht die Verbindung zwischen Emotionen und Kern-Bewusstsein über die bloße Kontiguität hinaus). Zu den gemeinsamen Substraten gehört beispielsweise der Komplex von neuronalen Strukturen, die das Proto-Selbst unterstützen – Strukturen, die die inneren Zustände des Körpers sowohl regulieren als auch repräsentieren.
7 Auch bei Alzheimer-Patienten ist – im fortgeschrittenen Stadium – das Bewusstsein eingeschränkt. Zwar prägt in den Frühstadien der Erkrankung der Gedächtnisverlust das Bild, während das Kern-Bewusstsein intakt bleibt, doch mit dem Fortschreiten der Erkrankung kommt es häufig zu einem progressiven Abbau des Bewusstseins. 
Zunächst ist das erweiterte Bewusstsein betroffen, bis praktisch alle Elemente des autobiographischen Selbst verloren gegangen sind, und schließlich ergreift der Zerfall auch das Kern-Bewusstsein, bis sogar der einfachste Selbst-Sinn untergegangen ist. Das Wachsein aber bleibt erhalten. Die Patienten reagieren auf Menschen und Objekt in elementarer Weise, aber es gibt keine Anzeichen, dass die Reaktionen aus wissendem Erkennen erwachsen. Schon nach wenigen Sekunden wird die Kontinuität der Aufmerksamkeit unterbrochen, und der Mangel einer übergeordneten Zielsetzung wird ersichtlich.
8 Die bisherige Forschung hat sich bislang vor allem damit beschäftigt, was Damasio als “Objektstellvertreter” bezeichnet, nämlich mit den Repräsentationen des Objektes im Gehirn, der Abbildung des Objektes in Gestalt neuronaler Muster, wobei sich zeigt, dass visuelle Aspekte eines Objekts beispielsweise als neuronale Muster nicht in einem, sondern in vielen verschiedenen Regionen der Sehrinde konstruiert werden, die in konzertierter Aktion zusammenarbeiten.
9 Dabei erzeugen aber weder diese lebensregulierenden Mechanismen noch innere Körperkarten das Bewusstsein, ihr Vorhandensein ist aber unentbehrlich für diejenigen Systeme, die das Kern-Bewusstsein hervorbringen.
10 “Vorstellungen” oder “mentale Muster” sind von “neuronalen Mustern” oder “Karten” (die sich mit modernen neurowissenschaftlichen Methoden in aktivierten sensorischen Cortexfeldern nachweisen lassen) zu unterscheiden. “Vorstellungen” bezeichnen immer mentale – bewusste oder nichtbewusste – Ereignisse, die entweder nicht (im Falle einer nichtbewussten Vorstellung) oder nur in der Perspektive der ersten Person (“meine Vorstellungen”, “deine Vorstellungen”) zugänglich sind.           
Die von Damasio als “Vorstellungen” bezeichneten mentalen Muster bezeichnen eine Struktur, die sich aus Elementen des visuellen, auditorischen, olfaktorischen, gustativen und sensormotorischen Sinnesmodalitäten zusammensetzen. Vorstellungen aller Modalitäten sind “Abbildungen” von Prozessen und Dingen der verschiedensten Art, konkreten wie abstrakten. Dabei sind Vorstellungen keine Faksimiles eines bestimmten Objekts, sondern Vorstellungen von Interaktionen, die wir mit dem Objekt hatten – niedergelegt in neuronalen Mustern.