Kann Shiatsu bei chronischem Schmerz hilfreich sein? (Eduard Tripp)

Schmerz ist ein Alarmsignal und hat absoluten Vorrang vor allen anderen Wahrnehmungen. Schmerz weist auf Verletzungen und Funktionsstörungen des Körpers hin, auf Bedrohungen der Integrität des Organismus. Er durchdringt alle psychischen Erlebnisbereiche, erfasst den ganzen Menschen und kann ihn vollkommen beherrschen. Bei akutem Schmerz steht die Schmerzwahrnehmung, meist im Bereich einer lokalen Schmerzquelle, im Vordergrund. Er wird vor allem von Angst begleitet und von für sie typischen Reaktionen wie Steigerungen von Herzfrequenz, Brutdruck, Gefäß- und Muskeltonus. Im Vergleich dazu ist chronischer Schmerz, also bleibender oder immer wiederkehrender Schmerz, der länger als sechs Monate andauert, eine oft noch schwerwiegendere Beeinträchtigung. Begleitet wird dieser vor allem von Depressivität und Deaktivierung. Typisch sind körperliche Missempfindungen und Leistungsstörungen, wie Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Erschöpfung, sexuelles Desinteresse etc.

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Die Ursachen für Schmerz sind vielfältig. Arbeitet man mit Menschen, die an Schmerz leiden, so ist es von grundlegender Bedeutung, die Gründe für seine Entstehung zu verstehen. Aus traditioneller chinesischer Sicht ist die Behinderung der Zirkulation von Qi und Blut der zentrale Aspekt. „Sind die Meridiane frei“, sagt man, „gibt es keinen Schmerz; sind sie blockiert, gibt es Schmerz“. Die dem Schmerz zu Grund liegenden Disharmoniemuster der Traditionellen Chinesischen Medizin werden in Fülle- und Leere-Muster unterschieden. Fülle-Muster sind bedingt durch Eindringen äußerer pathogener Faktoren, innere Kälte oder Hitze, Qi- und Blut-Stagnation, Obstruktion durch Schleim oder Nahrungsstagnation. Leere-Muster sind bedingt durch Qi-, Blut- oder Säfte-Mangel.


Chronischer Schmerz

Die von den Schmerzrezeptoren ausgehenden Signale werden in der Großhirnrinde bewusst und im limbischen System emotional bewertet. Als Reaktion auf die eintreffenden Schmerzreize läuft im Körper eine Vielzahl an Informations- und Heilprozessen ab. Unwillkürliche Reflexe wie Gefahrenvermeidung und Schonhaltung, das Immunsystem und Zellreparaturmechanismen werden aktiviert. Gleichzeitig verarbeitet das Gehirn den Schmerzeindruck: Was ist passiert? Woher kommt der Schmerz genau? Ist die Schmerzursache lebensbedrohlich? Könnte noch mehr Schmerz folgen und wie verhindert man das? Kennt man derartige Schmerzen schon? Und entsprechend den Ergebnissen dieser Bewertung wird der Schmerz als eher unbedeutend bis hin zu massiv traumatisch eingestuft und erlebt.

Während leichter, kurz dauernder und absehbarer Schmerz im Allgemeinen wenig behindert, führt schwerer, anhaltender und nicht absehbarer Schmerz zwangsläufig zu Veränderungen in Stimmung, Denken, Planen, Erleben und Verhalten. Chronischer Schmerz zermürbt und mündet häufig in Angst, Niedergeschlagenheit, körperlichen Beschwerden und schmerzbezogene Verhaltensweisen wie Rückzug aus familiären, gesellschaftlichen und beruflichen Aktivitäten.

Neurophysiologisch betrachtet liegt eine mögliche Ursache für das Entstehen von chronischem Schmerz im so genannten Schmerzgedächtnis. Die gesteigerte Schmerzempfindlichkeit geht dabei von einer kleinen Gruppe von Nervenzellen im Rückenmark aus. Diese werden nach einem besonders starken Reiz (wie Entzündung, Operation oder Unfall) aktiviert und verändern sich über chemische Umbauprozesse nachhaltig. Ähnlich wie bei einer Allergie sind sie nun überempfindlich und reagieren bereits auf einen harmlosen Reiz mit starken Schmerzen. Zudem weitet sich die Schmerzwahrnehmung auf Hirnareale aus, die vorher mit den betroffenen Körperteilen nichts zu tun hatten. Tat bislang nur die Hand weh, ist es nun der ganze Arm. Und die schmerz verarbeitenden Zellen „merken“ sich die Dauersignale und melden auch dann noch Schmerz, wenn die ursprünglichen Reize ausbleiben. Der Organismus hat auf Daueralarm umgeschaltet.

Für die Entstehung chronischer Schmerzen können aber auch psychische Befindlichkeiten und soziale Faktoren (z.B. berufliche Belastungen, familiäre Probleme, depressive Störungen) zum Zeitpunkt eines traumatischen Geschehens entscheidend beitragen.[1]Hasenbring & Klasen (2005) zitieren eine Untersuchung von Raspe & Kohlmann aus dem Jahr 1993, derzufolge etwa 37 Prozent von Rückenschmerzen betroffene Menschen chronische oder … weiterlesen Aus diesem Grund ist Psychotherapie oftmals Bestandteil der Behandlung chronisch schmerzkranker Menschen. Das Ziel ist die oftmals engen Zusammenhänge zwischen Psyche und körperlichem Schmerz aufzulösen. Der Therapieweg führt dabei – parallel zur medizinischen Schmerzbehandlung – vom passiven Leiden zur aktiven Kontrolle des Schmerzes und zu einem erneuten Zurechtfinden im Leben.

Psychodynamische Hypothesen stellen insbesondere den kommunikativen Aspekt von chronischem Schmerz in den Vordergrund. Sie verstehen Schmerz als Hilferuf und Schmerzfixierung als Ausdruck der Zurückweisung. Der mit dem Schmerz einhergehende Rückzug kann dabei narzisstische Tendenzen verstärken, sich zu isolieren. Ein geringes Selbstwertgefühl vieler chronischer Schmerzpatienten, eingeschränkte Möglichkeiten, sich das Leben befriedigend zu gestalten, und die Neigung zu körperlichen Beschwerden („Somatisierungstendenz“) ergänzen das Bild von chronischen Schmerzpatienten mit auffallend geringen Sozialkontakten. Auf diese Weise kann die Schmerzsymptomatik auch zur Entlastungs- und Alibi-Funktion für nicht realisierte Lebensziele werden.

Lerntheoretische Hypothesen gehen davon aus, dass chronischer Schmerz auch durch Anteilnahme oder andere positive Zuwendungen verstärkt wird. Zudem wird „ungeeignetes“ Schmerzverhalten (wie z.B. Schonhaltungen oder die Verwendung von Schmerz als besser akzeptiertes Alibi für andere, weniger tolerierte Defizite) durch die Behinderung alternativer Verhaltensweisen gefördert.


Symptomatische und ursächliche Behandlung von Schmerz

Es ist von vordringlicher Bedeutung Schmerz in der kürzest möglichen Zeit zu lindern, weil er die Betroffenen schwer belastet und es bei Fortbestehen der Symptomatik zu einer Vielzahl von sekundären Problemen und Beschwerden kommen kann. Auf keinen Fall aber sollte man Schmerz behandeln, ohne die ihm zugrunde liegende Ursache zu berücksichtigen. Es ist, im Vergleich gesagt, unsinnig, den Feueralarm auszuschalten und sich nicht um das Feuer zu kümmern. Manchmal aber hört der Alarm nicht auf, obwohl das Feuer schon ausgegangen ist.

Schmerz wird dann symptomatisch behandelt, wenn er keine nützliche Rolle mehr spielt, kein sinnvolles Warnsignal mehr darstellt, wie z.B. bei einer Neuralgie, die einer Gürtelrosen-(Herpes zoster-)Erkrankung folgt. In anderen Fällen, wie z.B. arthritischen Kniebeschwerden, hat der Schmerz eine sinnvolle Funktion. Hier wäre es fatal, den Schmerz einfach nur auszuschalten, weil eine weitere Beanspruchung das Problem verstärken würde.

Manchmal ist die Schmerzlinderung auch der notwendige erste Schritt in Richtung Normalisierung und Gesundheit. In manchen Fällen genügt die Schmerzreduktion, und der Organismus macht von sich aus den Rest. In den meisten Fällen allerdings muss anschließend noch den zugrunde liegenden Ursachen und Bedingungen nachgegangen werden. Das kann chirurgische Eingriffe, medikamentöse Behandlung, Ernährungsumstellung, manuelle Behandlungen oder Ähnliches bedeuten. Jetzt, wenn der Schmerz nicht mehr da oder gelindert ist, wird die weitere Behandlung oft erst möglich.


Die Einbeziehung alternativer Methoden in die Schmerzbehandlung

In multidisziplinär ausgerichteten Kliniken werden in der Schmerztherapie auch komplementäre (ergänzende) Ansätze einbezogen, weil selbst dann, wenn diese Behandlungen keinen direkten Beitrag zur Schmerzbekämpfung liefern, entsteht ein Nutzen schon allein auf Grund der empathischen Zuwendung und auf Grund des Gefühls, dass der Schmerz ernst genommen wird. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist auch die Möglichkeit, etwas aktiv für sich selbst tun zu können.

Eine der besten Methoden gegen die meisten chronischen Schmerzformen, und hier sind sich Volksmeinung und Medizin einig, ist die regelmäßige Bewegung. Bewegung fördert die Durchblutung, hält die Muskeln locker und die Sehnen geschmeidig – und hebt über die Ausschüttung körpereigener Hormone die Stimmung. In chinesischer Terminologie kann man sagen, dass Qi und Blut darin unterstützt werden, frei und ungehindert zu fließen. Aus diesem Grund werden auch Qigong und Taiji vielfach in die Therapie chronischer Schmerzen einbezogen.

 

Der Einfluss von Beziehung auf das Erleben von Schmerz

Schmerz als Reaktion auf Beziehungskrisen oder Verluste ist keine Einbildung. Menschen, vor allem wenn sie in einer für sie unverständlichen Weise von anderen aus der Gemeinschaft ausgegrenzt werden, reagieren nicht nur psychologisch, sondern auch neurobiologisch mit einer Mobilisierung des emotionalen Schmerzzentrums. Das Gehirn trennt nachweislich nur unscharf zwischen seelischem („social pain“) und körperlichem Schmerz („physical pain“). Zudem erleben Menschen, die sich allein gelassen fühlen, körperliche Schmerzen stärker als Personen, denen menschliche Unterstützung zur Verfügung steht, die sich geborgen und sicher fühlen.[2]Eine gute Beziehung (und damit das auf dieser Basis entstehende Gefühl der Bindung) führt zu einer Ausschüttung von körpereigenen Opioiden, Oxytocin und Dopamin – und macht auf diese Weise … weiterlesen

Anhaltender Schmerz führt zu einem messbaren Anstieg der endogenen Opioid-Ausschüttung, verbunden mit einer Zunahme der Beladung ihrer Rezeptoren. Wird Versuchspersonen gesagt, sie bekämen ein schmerzstillendes Medikament verabreicht, obwohl es sich dabei um ein Placebo (ein Scheinmedikament, das keinen Wirkstoff beinhaltet) handelt, so führt dies zu einer deutlichen subjektiven Besserung und zu einer objektiv nachweisbaren Zunahme der endogenen Opioide. Zwischenmenschliche Zuwendung hat also nachweislich das Potential, das endogene Opioid-System zu aktivieren und Beschwerden zu lindern.[3]Bleibt infolge schwerer zwischenmenschlicher Krisen die beruhigende Wirkung von Oxytocin aus und wird der erregende Neurotransmitter Glutamat ausgeschüttet, so aktiviert dieser zwei tiefer im Gehirn … weiterlesen

Der Wirksamkeit von Placebos[4]Als Placebo kann man alles betrachten, was einen positiven Effekt auf das Befinden hat, ohne dass dies auf einem geprüften medizinischen Wirkstoff oder einer überprüften Methode basiert. bei Schmerzen und deren Wirkung im Gehirn wurde mit Hilfe der Kernspintomografie nachgegangen. Dabei spiegelt die Aktivität der Hirnregionen, die an der Verarbeitung von Schmerzen beteiligt sind (die so genannte „Schmerzmatrix“) die Stärke der unangenehmen Empfindung ziemlich deutlich wider. So sind die Insula und der Thalamus stärker durchblutet, wenn die Versuchsteilnehmer starke Schmerzen empfinden, und geringer, wenn sie wegen einer vermeintlich lindernden Creme weniger spüren.

Die Untersuchung weist auch darauf hin, dass Placebos vor allem dann helfen, wenn man an ihre Wirkung glaubt. Die Versuchspersonen wurden kurz vor dem Stromstoß durch ein aufleuchtendes Symbol „gewarnt“. In dieser kurzen Zeit ändert sich, wie die Hirnscans zeigen, die Durchblutung des präfrontalen Cortex. Diese Hirnregion wird immer dann aktiv, wenn die Probanden wegen der vermeintlich schmerzstillenden Creme einen gedämpften Stromstoß erwarten.[5]Wahrscheinlich, so die Forscher, dämpft der präfrontale Cortex die Reaktionen in der Schmerzmatrix. Eine wichtige Rolle bei der Wirkung von Placebos scheint dabei der Neurotransmitter … weiterlesen


Angst und Vertrauen

Schmerz entsteht dort, wo zwei Kräfte aufeinander treffen. Druck allein erzeugt keinen Schmerz. Erst wenn Gegendruck dazu kommt, entsteht dieser. Wenn die Wand, auf die man schlägt, nachgibt, tut es nicht weh. Hält die Wand aber dagegen, so tut das, abhängig von der Wucht des Schlages, weh. Wünscht man sich etwas von einem anderen Menschen, das dieser verweigert, so erlebt man Schmerz, in der Folge vielleicht Zorn und Trauer. Der Grad der Verletzung ist abhängig von der Stärke des Begehrens und der Stärke der Zurückweisung.

Angst äußert sich körperlich als Spannung. Entspannung hingegen geht einher mit einem Nachlassen der Angst. Auch aus diesem Grund wirkt Autogenes Training so gut gegen Ängste. Ist man entspannt, hat man keine Angst. Lernt man sich zu entspannen, so lernt man seine Angst zu bewältigen und zu kontrollieren.[6]Der Umgang mit dem Schmerz hat sich auch gesellschaftlich über die Zeit gewandelt. Schmerz verstand man in früherer Zeit als sinnvoll und notwendig. So wurde, um ein Beispiel anzuführen, im 19. … weiterlesen

In der Körperarbeit können wir erleben, wie schmerzvoll ein angespannter Muskel auf Druck reagiert. Er kann nicht nachgeben. Könnte er es, würde es nicht wehtun. Ein entspannter Muskel hingegen ist elastisch und gibt dem Druck nach. Derselbe Druck wird dann durchaus als angenehm erlebt. Wenn man sich ganz auf den Schmerz einlassen kann, lässt er nach, wird annehmbarer. Schmerz, der durch den anhaltenden Druck auf einen verspannten Muskel entsteht, und die Angst, dass es noch schlimmer werden könnte, führen – ganz konträr zu obiger Annahme – zu einem Mehr an Schmerz. Gibt man die Gegenwehr, den Widerstand auf und riskiert, dass man sich dem Druck ungeschützt und annehmend hingibt, so kann man die Erfahrung machen, dass derselbe Druck seine bedrohliche und schmerzvolle Qualität verliert.

Über ähnliche Erfahrungen berichten Meditierende.[7]MBSSR („achtsamkeitsbasierte Stressreduktion“), die von Jon Kabat-Zinn (Universität Massachusetts) auf Basis der buddhistischen Achtsamkeitsmeditation entwickelt wurde, führt zu signifikanten … weiterlesen Gibt man den Widerstand auf, kämpft man gegen den Schmerz nicht an, lässt ihn vielmehr zu, in sich hinein, so wird er annehmbar(er) und gewinnt eine völlig andere Dimension des Erlebens. Bewältigung von Schmerz ist also nicht allein von der Ausschaltung des Schmerzauslösers oder der Unterbrechung der Schmerzübertragung abhängig.

Man kann man die Forschungsergebnisse also dahingehend interpretieren, dass Zuwendung jene Zuversicht gibt, die das Schmerzerleben zu mildern vermag. Damit liegt ein wesentlicher Ansatzpunkt für die schmerzlindernde Wirksamkeit von Shiatsu in der beruhigenden und Vertrauen schaffenden Shiatsu-Begegnung. Diese Wirkung entfaltet Shiatsu vor allem über sein Potential, den inneren, psychophysiologischen Kern des behandelten Menschen über die Vermittlung von Wärme, Rhythmus und Konstanz zu stärken.[8]Wärme, Rhythmus und Konstanz bilden, so der Ansatz von G. Bartl (1984, 1989), die wesentlichen Qualitäten, die in der frühen Lebenszeit des Säuglings aufgefüllt werden müssen, damit eine solide … weiterlesen

Shiatsu hilft dabei loszulassen und vertrauensvoll anzunehmen „was da ist“. Shiatsu ist, wie es eine KlientIn einmal ausdrückte ein „Einüben in vertrauenvolles Loslassen“. Unter Begleitung (und manchmal auch Anleitung) wird Vertrauen in den eigenen Körper und in die Fähigkeit, das was geschieht, bewältigen und annehmen zu können, aufgebaut. Ein wesentlicher Aspekt ist die innere Gewissheit „größer zu sein, als das, was uns bedrängt“ und damit die Sicherheit, dass wir unser Schicksal meistern und bis zu einem gewissen Grad steuern können. Zwar sind wir nie völlig autonome Meister unseres Schicksals, doch sind wir ihm auch nicht hilflos ausgeliefert.

Dass wir unser Leben steuern und ihm eine Richtung geben können, ist ein wesentlicher Ansatz in der (biopsychosozialen) Therapie chronischer Schmerzzustände. Das Gefühl der Beeinflussung des eigenen Schicksals entscheidet in einem hohen Maß darüber, ob wir gesund bleiben oder krank werden bzw. gesund werden oder krank bleiben. Shiatsu kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.        


Quellen

  • Bartl, G. (1984): Der Umgang mit der Grundstörung im Katathymen Bilderleben. In: J.W. Roth (Hg) – Konkrete Phantasie. Verlag Hans Huber.
  • Bartl, G. (1989): Strukturbildung im therapeutischen Prozess. G. Bartl & F. Pesendorfer (Hg) – Strukturbildung im therapeutischen Prozess. Literas Universitätsverlag.
  • Bauer, J. (2006a): Warum ich fühle, was du fühlst. Heyne Verlag.
  • Bauer, J. (2006b): Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren. Verlag Hoffmann & Campe.
  • Brown, W. A. (1998): Der Placebo-Effekt. In: Spektrum der Wissenschaft 3/1998, S. 68.
  • Chaitow, L. (1976): The Acupuncture Treatment of Pain. Thorsons Publishers Ltd.
  • Hasenbring, M. & Klasen, B. (2005): Psychologische und Psychobiologische Modelle der Schmerzchronifizierung. In: psychoneuro 2005, 31 (2), S. 92.
  • Maciocia, G. (1994): Die Grundlagen der chinesischen Medizin. Verlag für Traditionelle Chinesische Medizin Dr. Erich Wühr.
  • Mäder, A. (2204): Der Schein heilt. Gehirn & Geist 5.
  • Nagel, S. (2006): Genug gelitten. In: Die Zeit 51 vom 14. 12. 2006.
  • Strian, F. (1996): Schmerz: Ursachen, Symptome, Therapien. Verlag C.H. Beck.
  • Stux, G., Stiller, N. & Pomeranz, B. (1989): Akupunktur.  Lehrbuch und Atlas, Springer Verlag.

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© Dr. Eduard Tripp, Shiatsu Senior Teacher, Psychotherapeut und Supervisor (www.eduard-tripp.at). Veröffentlicht im Kongressband des 2. Europäischen Shiatsu-Kongresses 2007.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Hasenbring & Klasen (2005) zitieren eine Untersuchung von Raspe & Kohlmann aus dem Jahr 1993, derzufolge etwa 37 Prozent von Rückenschmerzen betroffene Menschen chronische oder rezidivierende (wiederkehrende) Schmerzen entwickeln. Klenerman et al. (1995) fanden heraus, dass sich schon nach zwei Monaten abzeichnet, wer gefährdet ist, chronische Schmerzen zu entwickeln. Die Prädiktoren, die einen ungünstigen Verlauf vorhersagen, sind insbesondere ungünstige Strategien der Stressbewältigung ebenso wie psychische Belastungen im beruflichen und familiären Alltag sowie eine depressiv getönte Stimmungslage (nicht hingegen psychiatrisch relevante Depressionen).Was die chronischen Rückenschmerzen betrifft, wird das entscheidende psychobiologische Bindeglied in einer Erhöhung der muskulären Anspannung vor allem der symptomrelevanten Rückenstreckmuskulatur vermutet.
2 Eine gute Beziehung (und damit das auf dieser Basis entstehende Gefühl der Bindung) führt zu einer Ausschüttung von körpereigenen Opioiden, Oxytocin und Dopamin – und macht auf diese Weise Schmerz erträglicher.
3 Bleibt infolge schwerer zwischenmenschlicher Krisen die beruhigende Wirkung von Oxytocin aus und wird der erregende Neurotransmitter Glutamat ausgeschüttet, so aktiviert dieser zwei tiefer im Gehirn gelegene Alarmzentren. Im Hypothalamus werden Stressgene angeschaltet – mit der Folge, dass es im Körper zu einer Erhöhung des Stresshormons Cortisol kommt. Durch das im Mandelkern ausgeschüttete Glutamat kommt es in den Alarmzentren des Hirnstamms unter anderem zur Ausschüttung von Noradrenalin, das dann das „Panikorchester des Körpers“ in Gang setzt (einschließlich Herz, Kreislauf und Psyche).
4 Als Placebo kann man alles betrachten, was einen positiven Effekt auf das Befinden hat, ohne dass dies auf einem geprüften medizinischen Wirkstoff oder einer überprüften Methode basiert.
5 Wahrscheinlich, so die Forscher, dämpft der präfrontale Cortex die Reaktionen in der Schmerzmatrix. Eine wichtige Rolle bei der Wirkung von Placebos scheint dabei der Neurotransmitter („Motivationsbotenstoff“) Dopamin zu spielen, der ausgeschüttet wird, wenn eine baldige Belohnung abzusehen ist, um gleichsam nicht auf halbem Weg aufzugeben. Placebos könnten, sofern man an sie glaubt, dadurch wirken, dass sie die Produktion von Dopamin wie auch von schmerzstillenden Endorphinen anregen.2001 stellten zwei dänische Forscher (Hrobjartsson, A. & Gotzsche, P.C.: Is the Placebo Powerless? In: New England Journal of Medicine 344, 2001, S. 1594 – 1602)  die Wirkung von Placebos in Frage und kamen zum Schluss, dass sich keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit zwischen den Placebos und den „unbehandelten“ Gruppen zeigen. Ihre Interpretation der Daten, dass es den Placeboeffekt praktisch nicht gibt, wird jedoch angezweifelt, weil man sich ja auch um die „unbehandelte“ Gruppe intensiv gekümmert hat. Vielmehr wird die Studie dahingehend interpretiert, dass man keine Spritze und keine Zuckerpille benötige, um einen Placeboeffekt hervorzurufen.
6 Der Umgang mit dem Schmerz hat sich auch gesellschaftlich über die Zeit gewandelt. Schmerz verstand man in früherer Zeit als sinnvoll und notwendig. So wurde, um ein Beispiel anzuführen, im 19. Jahrhundert die Verwendung von Chlorophorm bei der Geburt von puritanischen Kreisen als sündhafter Eingriff in den gottgewollten Geburtsschmerz bewertet. Schmerz hatte Sinn und der individuelle Schmerz wurde aufgefangen im Leid der Vorbilder und in der von ihnen vermittelten Heilsgewissheit. Er wurde im Kontext christlicher Leidensmystik als „innere Kreuzigung“ verstanden, ein Zugang, der heute kaum mehr Verständnis und Anerkennung findet.
7 MBSSR („achtsamkeitsbasierte Stressreduktion“), die von Jon Kabat-Zinn (Universität Massachusetts) auf Basis der buddhistischen Achtsamkeitsmeditation entwickelt wurde, führt zu signifikanten Besserungen bei chronischen Schmerzpatienten (Untersuchungsergebnisse von Paul Grossmann, Uniklinikum Basel, und Christof Nachtigall, Universität Jena). Erklärt wird die Wirkung der Achtsamkeitsmeditation dadurch, dass automatisch ablaufende Reaktionsmuster erkannt werden (d.h. zwischen Reiz und Reaktion wird ein weiterer Schritt geschaltet).
8 Wärme, Rhythmus und Konstanz bilden, so der Ansatz von G. Bartl (1984, 1989), die wesentlichen Qualitäten, die in der frühen Lebenszeit des Säuglings aufgefüllt werden müssen, damit eine solide Grundlage für die harmonische Reifung und Entwicklung gegeben ist – und damit auch gute Voraussetzungen für eine psychische und physische Gesundheit.Shiatsu stärkt durch seinen körperlich-emotionalen Zugang Wärme (durch die zugewandte und achtsame Berührung), Rhythmus (durch den Rhythmus der Arbeit, die Stärkung körpereigener Rhythmen) und Konstanz (durch das im Kern gleich bleibende Setting, die grundlegend gleich bleibende Unterstützung). Damit schafft es, richtig angewendet, notwendige Voraussetzungen für selbstregulative Vorgänge, die ihrerseits Gesundheit und Entwicklung unterstützen und fördern.