Körperarbeit (Bodywork)

In allen Formen von Körperarbeit[1]Der Begriff Körperarbeit ist, ebenso wie Bodywork, nicht konkret definiert und umfasst verschiedene Methoden mit spezifischen manuellen Techniken und/oder Anleitungen zur Schulung von Haltungen und … weiterlesen aber wird der Körper als eine Art grundlegender „Struktur“ betrachtet, in der Erleben stattfinden und sich entwickeln kann und in der Emotionen, Wahrnehmungen und Gewhrsein verankert sind. Unterscheiden lassen sich dabei zwei grundlegende Sichtweisen, was Struktur bedeutet und wie sie verändert werden kann:

  • Struktur als Gleichgewichtszustand, der sich auf die Schwerkraft bezieht und 
  • Struktur als physische Manifestation des Pulsierens von Energie.

Obwohl beiden Betrachtungsweisen gemeinsam ist, dass sie die Menschen in der Entwicklung eines lebendigen, leichten und erfüllten „Lebens in der Vertikalen“ zu unterstützen suchen, unterscheiden sich ihre Ansätze und die mit ihnen einhergehenden Methoden durchaus deutlich.


Struktur als Gleichgewichtszustand, der sich auf die Schwerkraft bezieht

Diese Sichtweise geht vor allem auf Ida Rolf zurück, bildet die Grundlage der von ihr entwickelten Methode des Rolfing und wurde von anderen Methoden wie z.B. Soma, Lomi-Bodywork, Heller-Work, Aston-Patterning und Posturaler Integration weiterentwickelt. Ist ein Organismus, so der Ansatz von Ida Rolf, in einem Zustand des muskulären Gleichgewichts und der Flexibilität, so kann er mit seiner Umgebung effizient und harmonisch in wechselseitige Beziehung treten. In dieser Betrachtungsweise ist die Körperstruktur ein schwerkraftbezogenes Gleichgewicht, das durch einander ausgleichende Spannungsverhältnisse von Agonisten und Antagonisten (einander funktional entgegengesetzte Muskeln und Muskelgruppen) ausgebildet und aufrecht erhalten wird. Durch gewohnheitsmäßige Bewegungs- und Haltungsmuster entstehen allerdings Ungleichgewichte in der Körperhaltung, die in anderen Körperbereichen wiederum kompensiert werden. So entstandene einseitige Muskelbelastungen wiederum wirken auf die Faszienhüllen, die die Muskelfasern, Muskelbündel und Muskelgruppen umgeben, und führen zu Verdickungen und Verkürzungen. Bewegungseinschränkungen sind die Folge.

Um ein solches Ungleichgewicht aufzulösen, folgt die Körperarbeit zwei unterschiedlichen Ansätzen, die beide zum Ziel haben, wieder ein schwerkraftbezogenes Gleichgewicht zu ermöglichen:

  • die direkte Intervention in der Gewebestruktur; und
  • Bewegungsübungen, die die Entwicklung neuer Gleichgewichtszustände fördern. 


Direkte Interventionen in der Gewebestruktur

Durch direkte Interventionen in der Gewebestruktur versucht der Behandler zu erreichen, dass die Bindegewebsfaszien wieder weicher und flexibler werden und sich wieder ausdehnen, wo sie verkürzt waren. Die Muskeln sollen auf diese Weise ein neues Gleichgewicht finden, das eine mühelose und aufrechte Haltung ermöglicht. Die wohl bekannteste Sequenz einer direkten systematischen Intervention wurde von Ida Rolf (Rolfing) entwickelt, und aus ihrer Strategie der Lösung und Reorganisation des Fazien- und Muskelsystems sind unterschiedliche Traditionen entstanden, die teilweise auch mit intuitiv geleiteten Interventionen und Interaktionen arbeiten.

Die Arbeit an tiefen Gewebeschichten und Strukturen mobilisiert zugleich aber auch ein intensives Erleben, das von Schmerz bis hin zu spezifischen Erinnerungen und damit verbundenen Gefühlen reichen kann. Viele aus der Tradition des Rolfing entstammende Bodyworker (wie auch ihre Klienten) sehen das Ziel ihrer Arbeit deshalb darin, an diesen Gefühlen und Erinnerungen zu arbeiten und so zu einem größeren Maß an Klarheit zu gelangen (und damit auch die Körperstruktur zu beeinflussen). Dies allerdings in Abweichung zum Ansatz von Ida Rolf, die die ausgleichende Arbeit an den Körperstrukturen als die einzig notwendige Methode zur Transformation des Erlebens betrachtete.

Robert Hall (Lomi-Bodywork), der wie viele andere Körperarbeiter ursprünglich aus dem Rolfing kam, unterstützt den Veränderungsprozess durch eine Art Dialog zwischen der körperorientierten Arbeit an den Faszien und der Arbeit mit dem damit verbundenen Erleben in der Tradition der Gestalttherapie. Einem ähnlichen Ansatz folgen auch Joseph Heller (Heller-Work), der besonderen Wert darauf legt, mit der ganzen Person zu arbeiten und in seiner Arbeit einen Dialog initiiert, und Marion Rosen (Rosen Method), die es als besonders wichtig erachtet, den Botschaften des Klienten zu lauschen, auf welche Art die Transformation der Körperstruktur am besten durchgeführt werden kann. Jack Painter (Posturale Integration) betrachtet die Körperstruktur und das Erleben (wie auch die Erfahrung) als zwei Aspekte des gleichen Phänomens und befürwortet die simultane Arbeit an beiden Aspekten.


Bewegungsübungen, die die Entwicklung neuer Gleichgewichtsmuster fördern

In diesem Ansatz steht zwar ebenfalls das körperliche Gleichgewicht im Mittelpunkt, die Körperstruktur wird hier aber mit Hilfe von Bewegungsübungen beeinflusst. Wenn der Körper dadurch flexibler und aufgerichteter wird, verändern sich auch die Wahrnehmung, das Denken und das Fühlen. Methoden, die diesem Ansatz folgen, sind die Feldenkrais-Methode und die Alexander-Technik, wobei in der Alexander-Technik das Erleben auch direkt einbezogen wird.


Struktur als physische Manifestation des Pulsieren von Energie

Ist der Energiefluss im Körper nicht blockiert, kann die Energie (und damit der ganze Organismus) pulsieren, sich in einem umfassenden und befriedigenden Muster ausdehnen und wieder zusammenziehen. Diese Betrachtung der körperlichen Struktur als Manifestation des Pulsierens von Energie geht vor allem auf Wilhelm Reich und seine Anhänger zurück. Reichs Ansatz zufolge bewegt sich die Energie des Organismus in einem natürlichen Rhythmus nach außen und nach innen. Dieser Rhythmus ist eine vertikale, frei fließende Bewegung des ganzen Körpers als funktionelle und in sich integrierte Einheit. Allerdings kann das natürliche Pulsieren durch blockierte Körpersegmente unterbrochen werden.

Im Verständnis von Reich werden frühe traumatische Erlebnisse und damit verbundene Gefühle in bestimmte Körpersegmente eingeschlossen, ohne dass dies den Betroffenen zu Bewusstsein kommt. Diese „erlebnismäßigen Ablagerungen“ führen zu Panzerungen, die einen Teil des Charakters eines Menschen ausmachen und ihn vor der völligen Bewusstwerdung der in der Vergangenheit erlittenen Verletzungen schützen.

Ziel der Interventionen ist deshalb die Auflösung übermäßiger Energieansammlungen und, allerdings erst in zweiter Linie, die Bildung neuer Energien zu fördern. Wenn sich blockierte Segmente öffnen, kommt es zu einem Ansturm alter, oft auch beängstigender Gefühle, die gefördert und entwickelt werden. Der Behandler zielt dabei auf Konfrontation, Katharsis und die Auflösung der in der Panzerung neutralisierten Gefühle. Ziel der unmittelbaren Arbeit am Körper ist der Ausgleich der in einem Segment bestehenden Ladungs- und Entladungszustände und die Verbesserung des vertikalen Energieflusses zwischen den einzelnen Segmenten, wodurch das Gewebe weicher und reaktionsfähiger wird. Zugleich wird ein gleichmäßiger Muskeltonus und ein schwerkraftbezogenes Gleichgewicht gefördert. Das Hauptziel besteht aber darin, den Klienten zu größerer emotionaler und kognitiver Freiheit zu führen.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Der Begriff Körperarbeit ist, ebenso wie Bodywork, nicht konkret definiert und umfasst verschiedene Methoden mit spezifischen manuellen Techniken und/oder Anleitungen zur Schulung von Haltungen und Bewegungen, wobei psychosomatische Wechselwirkungen mit einbezogen werden. Obwohl manche Methoden explizit auch zur persönlichen Entwicklung eingesetzt werden, sind sie selten in psychotherapeutische oder medizinische (wissenschaftliche) Konzepte eingebettet.

Ziel der Körperarbeit ist es Körperhaltungen und Bewegungsabläufe zu verbessern oder aber auch die persönliche Entwicklung zu fördern. Einige Methoden arbeiten dabei gezielt mit Energieblockaden des Körpers.

Im Unterschied zur Massage (zumindest im klassischen Sinne) werden Massagegriffe und Manipulationen nicht eingesetzt, um mit bestimmten Problembereichen zu arbeiten oder allgemeine Entspannung zu erzielen, sondern eine Beziehung zum*zur/mit dem*der Klient*in aufzubauen, die (tieferen) Ursachen für körperliche und/oder psychische Beschwerden zu erforschen und auf diese einzuwirken. Der Unterschied zwischen Massage und Körperarbeit liegt in diesem Verständnis in der Art/Qualität der Berührung, in der Haltung mit der man berührt.