Kyo und Jitsu sind gleichbedeutend mit Fülle und Leere. Über die grundsätzliche Übereinstimmung der Konzepte von Masunagas Zen-Shiatsu mit den Prinzipien der Chinesischen Medizin (Markus Grasser)

Übersetzung: Rene Tischhart

Dieser Artikel wird anhand eigener Erklärungen, Fallbeispielen und den Schriften Shizuto Masunagas, bzw. denen alter und moderner Klassiker im Bereich der fernöstlichen Medizin, die Richtigkeit der im Titel beinhalteten Aussage erläutern. Es wird aufgezeigt werden, wie die Theorie und Praxis der Chinesischen Medizin (CM) das aktuelle Verständnis des Zen-Shiatsu bereichern kann.


Die Verwirrung

Die CM wird oft als intellektuelles System angesehen, welches keinen Bezug zur Palpationsdiagnostik des Zen-Shiatsu hätte. Zur Erläuterung dessen wird häufig der Umstand angeführt, dass die palpierbaren Kyos und Jitsus nicht immer (oder nie) mit den Fülle- und Leere-Aspekten der jeweiligen TCM-Diagnose übereinstimmen. Aus diesem Grund wird die TCM von vielen Shiatsu-PraktikerInnen entweder abgelehnt, oder lediglich als zusätzlicher, intellektueller Hintergrund verstanden.[1]In diesem Artikel soll dem Begriff Chinesische Medizin CM der Vorzug gegenüber dem Begriff TCM gegeben werden, einerseits um den Bezug zur ursprünglichen und umfassenden Lehre der Chinesischen … weiterlesen

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Masunaga selbst jedoch drang tief in die Lehren der klassischen Chinesischen Medizin ein. In seinem Buch „Zen Imagery Exercices” schreibt er: Der Chinesische Charakter von Jitsu (Chinesisch: Shi) beschreibt ein vollgefülltes Haus, welches in der traditionellen Medizin als Yang- und Füllezustand bezeichnet wird. Es ist leicht zu verstehen, dass Bewegung in einem vollen Haus schwierig wird. Jitsu-Zustände werden immer mit Sha (Chinesisch: Xie)-Technik behandelt. Sha (sedierende) Techniken zerstreuen oder transferieren Energie an eine andere Stelle. Die effektiefste Methode überschießende Energie von der Stelle des Jitsu wegzulenken, ist der Energieausgleich über Behandlung des Kyo. Ein Kyo, im Gegensatz zum Jitsu, ist eine Stelle mit Mangel an Energie, an der kaum oder keine Einschränkung an Bewegung vorhanden ist. Das Chinesische Bild für Kyo (Chinesisch: Xu) ist ein hohler Hügel. Masunaga gibt also für die Begriffe Kyo und Jitsu selbst die chinesischen Begriffe für Fülle und Leere an und setzt sie somit einander gleich! Er bezieht sich bei den Begriffen Xu (Leere) und Shi (Fülle) in seinen Erläuterungen auf die alten Klassiker der TCM.


Die Wichtigkeit der Palpation

Die Palpation zur Erstellung einer Diagnose stellt in der traditionellen CM den Grundstein zum wahren Verständnis der Körperenergetik dar. Edward Obaidey ist Shiatsupraktiker, Akupunkteur und Pharmakologe und studiert diese Fächer seit 20 Jahren bei seinem japanischen Meister Masakazu Ikeda. In seinem Seminar „From Styles to Principles” (London, August 2005) erläutert er, dass die vier Zweige der Orientalischen Medizin – Shiatsu, Akupunktur, Pharmakologie und Qi Gong – von jeher gemeinsam praktiziert wurden. Er unterstreicht die Wichtigkeit im sicheren Erspüren der komplexen Energien unserer Köper-Geist-Einheit als Voraussetzung für Akupunktur- und Kräuteranwendungen. Auch er und sein Meister Masakazu Ikeda verstehen Kyo gleichbedeutend mit Leere und der Notwendigkeit zur Tonisierung und Jitsu gleichbedeutend mit Fülle und der Notwendigkeit zur Zerstreuung oder Verlagerung (nach Obaidey entspricht der Begriff der Verlagerung wesentlich besser der ursprünglichen Bedeutung des Sedierens).

Die Zeichen und Symptomen aus den vier Säulen der Diagnose stellen eine Einheit dar. In der Geschichte der CM stellen Fülle und Leere Begriffe zur Beschreibung des palbierbaren Zustandes von Meridianen, der Zang/Fu(Organ)-Disharmonien, der 5-Elemente-Pathologien und der dynamischen Interaktionen zwischen ihnen dar. Sie sind Ausdruck einer gemeinsamen Phänomenolgie. Ich bin der festen Überzeugung, dass es keinen Unterschied in der jeweiligen TCM-Diagnose und der Palpationsdiagnose einer Shiatsu-PrakiterIn geben kann. Es ist das unzureichende Verständnis der CM einerseits und/oder die unzulängliche Palpationsfähigkeit andererseits, welche die jeweiligen Ergebnisse gegensätzlich erscheinen lassen.

Obwohl es eine reiche Tradition gab und gibt, verwenden viele moderne TCM-PraktikerInnen keine Palpation mehr. Im Klassiker der Inneren Medizin, dem “Gelben Kaiser” oder Neijing, und dem Klassiker der 5-Elemente, dem Nanjing, wird ausführlich über die palpatorischen Zeichen, welche in direkter Relation zu den Symptomen der drei anderen diagnostischen Säulen (Betrachtung, Riechen/Hören, Befragung) stehen, berichtet. Im Nanjing wird erstmals eine systematische Beschreibung zur Palpation und Interpretation des Hara gegeben. In „The Precious Record of Acupuncture” von Hongo Masayoto aus dem Jahre 1726 ist zu lesen: Leere unter dem Nabel ist ein Indiz für Leere der Nieren. Auch andere Japanische Akupunkteure und Pharmakologen setzen neben der Diagnose an Meridianen und Punkten auch das Hara ein, hervorragende Ausführungen dazu finden sich bei Denmei in „Meridian Therapy“. Honma Shohaku ist ein japanischer Akupunkteur der Meridian-Therapie-Schule, deren Theorien auf dem Nanjing basieren. In seinem Diskurs über Meridiantherapie führt er an: Der Zustand des Lungenmeridians kann im oberen Thorax im Bereich um Lu 1 palpiert werden. Eine Leere des Lu-Qi ist gegeben, wenn die Haut dieses Areals trocken ist, das Fleisch weich ist und die Rippen leicht gesehen und gefühlt werden können. Der Zustand des Herzens kann im Epigastrium palpiert werden. Dieser Bereich (KG 12 – 15) sollte weich, federnd und ohne Pulsation sein, andernfalls gäbe es einen Mangel an Herz-Qi. Gleiches lesen wir in Masunagas Kyo- und Jitsu-Tabelle unter Herz-Kyo. Shohaku beschreibt weiter, dass der Bereich KG 9 – 12 den Zustand der Milz wiederspiegelt, was sich mit den Texten des Nanjing und Masunagas deckt. Milz-Qi-Mangel äußert sich hier in einem weichen Gewebsausdruck, ähnlich einem wassergfüllten Plasikbeutel. Hier können wir klare Zusammenhänge zwischen Kyo/Jitsu –Zuständen und den klassischen Syndromen erkennen.

Kiiko Matsumoto ist eine anerkannte Akupunkteurin und mit den alten Klassikern bestens vertraut. In ihrem Buch „Hara Diagnosis: Reflections on the sea” ist zu lesen: Die Zeichen und Symptome einer Leere der Milz beinhalten neben Antriebslosigkeit, Blähungen, leichter Ermüdbarkeit oder Müdigkeit nach dem Essen auch palpatorische Zeichen wie: Pulsieren im Bereich KG 7 – 9 (entspricht Masunagas Milz-Diagnosezone und der klassischen 5-Elemente Erde-Diagnosezone), Aufgedunsenheit um den Nabel, bzw. Schmerz, Schlaffheit oder Schwäche um die Punkte MP 3 und MP 4. Sie bezeichnet alle diese Zeichen als Kyo-Leere.

Skya Gardner Abbate beschreibt in ihrem Buch „Die Kunst der Palpationsdiagnose in der orientalischen Medizin” sowohl die Japanische, als auch die Chinesische Tradition und ihre Zusammenhänge. Basierend auf den Lehren Matsumotos beschreibt sie ausführlich die Zusammenhänge zwischen den klassischen Syndromen und den dabei zu erwartenden palpatorischen Merkmalen, beispielsweise Fülle des Le 3 bei Syndromen von Leber-Qi-Stagnation, Leere des Ni 4 bei Syndromen einer Leere der Nieren oder Fülle des Gb 41 bei aufsteigendem Leber-Yang aufgrund einer Leere des Leber-Yin und fasst diese Merkmale in Tabellen zusammen. Obwohl sie Akupunkteurin ist, beschränkt sie ihre Untersuchung nicht nur auf einzelne Punkte, sondern betrachtet die Meridiane in ihrer Gesamtheit – ein Behandlungsmerkmal, das viele PraktikerInnen gerne ausschließlich für die Methode Shiatsu in Anspruch nehmen. Auch Gardner Abbate weist auf diagnostische Merkmale des Hara hin, beispielsweise auf knotenähnliche Gewebsspannung unterhalb des Sternums bei Anspannung mit Einengung des Herz-Qi.

Auch gängige Lehrbücher der TCM wie jenes von Giovanni Macciocia „Die Grundlagen der Chinesischen Medizin” weisen auf palpatorischen Merkmale von traditionellen Fülle- und Leeere-Syndromen hin. In Macleans „Clinical Handbook of Internal Medicin”, eine 1000 Seiten umfassende Betrachtung des gastrointestinalen Systems, wird darauf hingewiesen, dass die verlässlichste Methode zur Unterscheidung von Fülle und Leere die Palpation darstellt. Zum Verständnis von Durchfall schreibt er: Das Abdomen ist der Schlüssel. Fühlt es sich gespannt an und verträgt der Patient dort keinen Druck, so weist dies auf einen Fülle-Zustand hin. Ist es hingegen weich und nachgiebig und der Patient toleriert oder verlangt Druck, so weist dies auf einen Leere-Zustand hin. Diese Merkmale scheinen verlässliche Indikatoren zu sein, auch wenn die Erscheinungsbilder der Patienten vom Ausdruck ihres Abdomens abweichen.

Der Tuina-Methode (Chinesische Massage) liegt das System der TCM zugrunde. Um eine Leere-Symptomatik auszugleichen werden auch hier die korrespondierenden Xu/Kyo-Zonen und Meridiane tonisiert, bzw. bei Fülle-Syndromen sediert. Wir können also deutlich sehen, dass viele namhafte Therapeuten und Methoden keinen Widerspruch finden, in dem was sie mit ihren Händen begreifen können und den anderen diagnostischen Hinweisen. Es besteht also kein Grund zu Verwirrung!


6 Prinzipien, um 6 häufige Missverständnisse zu klären


Ein Meridian beinhaltet wesentlich mehr, als nur seine korrespondierenden Zang/Fu-Organe.

Oftmals wird die Wirkung eines Meridians fälschlicherweise auf seine zugeordneten Yin- und Yang-Organe (Zang/Fu) reduziert. Ein klares Beispiel, um dieses Missverständnis aufzuzeigen, ist der Blasenmeridian, der weit mehr Indikationen beinhaltet, als das Organ Blase zu regulieren. Ein Beispiel für dieses Missverständnis findet sich in Carola Beresford’s Buch „Shiatsu in Theorie und Praxis” im TCM-Abschnitt des Perikard-Meridians: Der Perikard-Meridian wird ausschließlich zur Behandlung von Problemen des Herzens verwendet. Das ist verwirrend und nicht wahr, denn in der TCM wird der Perikard-Meridian zur Behandlung von Auffälligkeiten von Magen, Herz und Lunge, sowie bei Leber-Qi-Stagnation verwendet. Die Summe derartiger Fehler kreieren eine unberechtigte Trennung zwischen Zen-Shiatsu und der CM.


Ein TCM-Syndrom wird nicht nur durch den jeweils zugeordneten Meridian behandelt.

Es gibt die häufig vertretene Annahme, dass bei Problemen in einem Organ, einzig der zugeordnete Meridian Kyo- oder Jitsu-Charakter aufweisen kann. Wenn dann aktuell andere Meridiane diagnostiziert werden, wird dieser Aspekt häufig der Irrelevanz von TCM-Syndromen für die Shiatsupraxis zugeschrieben. Mit einem tieferen Verständnis der CM wird jedoch deutlich, warum auch andere Meridiane in der Palpation auffällig sind. Beispielsweise kann sich bei Leber-Qi-Stagnation neben dem Lebermeridian auch der Gallenblasenmeridian, der Perikardmeridian und der 3-Erwärmermeridian als am meisten Jitsu präsentieren. In der TCM-Literatur werden deshalb für die Syndrome der Zang/Fu immer eine Auswahl mehrerer indizierter Punkte verschiedener Meridiane angegeben.


Yin-Mangel-Syndrome präsentieren sich nicht als Jitsu, werden aber häufig damit verwechselt.

Ein sehr häufiges Beispiel dafür ist Nieren-Yin-Mangel, mit den Erscheinungsbildern der Ruhelosigkeit, Nachtschweiß, Lumbalschmerz und der Unfähigkeit zur Ruhe zu kommen. Man würde erwarten in der Palpation Niere-Kyo zu finden, überraschenderweise erscheint jedoch das Wasser im Allgemeinen und die Niere im speziellen häufig als Jitsu. Die Diagnosezonen am Hara und am Rücken sind gespannt, eventuell mit entzündlichen Zeichen. Das Hinterhaupt und die Rückseite der Beine sind gespannt und scheinen energetisch in Fülle zu sein.[2]An dieser Stelle ist es wichtig die Funktion des Yin zu verstehen: Kühlen, Befeuchten, Nähren, Verankern, Empfangen… physisch wie emotional. Wenn das Yin verletzt wird, werden die … weiterlesen Die Bedürftigkeit erfordert satte Tonisierung, damit die Rastlosigkeit wieder zur Ruhe gebracht werden kann. Zu empfehlen wären in diesem Fall beispielsweise satte und anhaltende Arbeit an den Nierenzonen oder am Nierenmeridian in der Fötus-Position, um die EmpfängerIn tief zu entspannen und mit der eigenen Nierenenergie wieder in Kontakt zu bringen.[3]Das ist gleichzeitig ein gutes Beispiel dafür, wie eine saubere Unterscheidung der vorliegenden Syndrome die Feinfühligkeit und Intuition steigern können und damit die Wahl der angemessenen … weiterlesen

Der gleiche Fehler wird auch gerne bei Herz-, Magen- und Leber-Yin/Blut-Syndromen gemacht. Masunaga selbst beschreibt einige Kyo-Manifestationen als dicht, gespannt und steif, z. B. im Abschnitt für den Herzmeridian: Spannung im Solarplexusbereich, starkes Pulsieren, Spannung im Hara und ein Ziehen an der Zunge. Kyo fühlt sich also nicht immer nur kalt, schlaff und leer an und die Folgen einer fachgerechten Unterscheidung sind weitreichend. Wenn der Yin-Leere-Meridian nicht fälschlicherweise als Jitsu diagnostiziert wird, kann dem wirklichen Kyo und damit dem wirklichen Jitsu angemessen begegnet werden, was die Effizienz der Behandlung um ein Vielfaches erhöht. In meiner Anfangszeit mit Shiatsu, wirkte Jitsu von Fülle-Syndromen für mich gleich wie die gespannte, spröde Qualität einer Yin-Leere. Aufgrund der Unterweisungen meines Lehrers Tim Mulvagh und einiger Praxiserfahrung kann ich den Unterschied jetzt deutlich spüren und meine Behandlungsweise hat sich damit grundlegend verändert.


Qi- und Yang-Leere-Syndrome können Jitsu erscheinen, sind des aber nicht.

Ein gutes Beispiel dafür ist eine Leere des Milz-Qi oder Milz-Yang. Diese Syndrome können sich in der Harazone dicht oder knotig anfühlen. Aufgrund der verminderten Fähigkeit der Milz zur Transformation kommt es zu Völlegefühl nach dem Essen begleitet von Müdigkeit und unverdauter Nahrung. Wenn nicht genug Erde-Energie verfügbar ist, kommt es zu übermäßigen Denken und Besorgnis. Sorgen lähmen das Qi steht in den Klassikern und das Hara kann statt der zu erwartenden Schlaffheit die beschriebene Dichtheit, häufig begleitet von starken Pulsationen, zeigen. Im Neijing ist zu lesen: Bei einer Leere der Milz kommt es zu Völlegefühl im Abdomen und weichem Stuhl. Im Nanjing steht: Es kommt zu Pulsationen oberhalb des Nabels und die Nabelregion ist druckempfindlich und Masunaga führt in “Zen Imaginery Exercises” aus, dass es bei Milz-Kyo zu einem harten und knotigen Gefühl um den Nabel kommen kann. Diese Auffälllighkeiten können leicht als Jitsu interpretiert werden, bei tieferem Hinspüren jedoch kann die zugrundeliegende Leere gut wahrgenommen werden. In der Praxis habe ich in diesen Fällen den Milzmeridian und insbesondere den Quellpunkt MP 3 verlässlich kyo gefunden.

Auch die verdichtenden Eigenschaften von Kälte können leicht als Jitsu missinterpretiert werden, beispielsweise bei Nieren-Yang-Mangel kann sich das Hara kalt und hart anfühlen.


CM-Diagnosen und -Behandlungen können genauso spontane und unmittelbare Veränderungen Ansprechen wie Zen-Shiatsu-Diagnosen.

Eine andere häufige Annahme ist, dass Shiatsu-PraktikerInnen aktuelle Diagnosen finden, die den momentanen Zustand der KlientIn wiederspiegeln und im Gegensatz zur jeweiligen TCM-Diagnose stehen können, die mehr für die grundsätzliche Thematik dieser Person steht. Die Kyo/Jitsu-Ebene wird als eine andere Ebene der Wahrnehmung empfunden, die sich von der Ebene der TCM-Diagnose unterscheidet, welche als statisch empfunden wird. Gute TCM-PraktikerInnen können jedoch genauso gut und differenziert auf aktuelle Bedürfnisse einer KlientIn eingehen wie gute Zen-Shiatsu-PraktikerInnen. Ein adäquates Beispiel dafür aus meiner Praxis als TCM-Pharmakologe ist das bekannte Syndrom, welches Holz attackiert Erde genannt wird und sich von Woche zu Woche verschieden präsentieren kann. Auf Basis von Befragung, Haltung, Tonfall, usw. und Palpation bin ich in der Lage aktuelle Fülle- und Leere-Zustände zu erkennen und unmittelbar angemessen zu reagieren.


Wenn es leer ist, ist es leer und wenn es voll ist, ist es voll

Carola Beresford-Cooke schreibt: Der Meridian eines Organs, welches sich aus Sicht der TCM in Leere befindet, kann sich als Kyo oder Jitsu manifestieren. Das Jitsu bedeutet eine größere Investition an Energie in die Lebensaspekte, welche dieser Meridian repräsentiert. Die Annahme darin ist, dass sich bei einer Leere-Symptomatik der entsprechende Meridian in Fülle präsentieren kann. Das ist ganz eindeutig nicht möglich! Wenn beispielsweise das Nieren-Yang fehlt, können Funktionen wie Willenskraft, Körperwärme oder Libido nicht ausreichend versorgt werden. Der Mangel wird auf allen Ebenen der Existenz sichtbar sein. In diesem Zusammenhang sei auf die exzellenten Ausführungen von Ted Kaptchuk in „Kan Herbals” hingewiesen, wo er physische, emotionale und spirituelle Symptome und Zeichen den korrespondierenden Syndromen zuordnet.


Zusammenfassung

Die orientalische Medizin beschreibt die inhärenten Zusammenhänge zwischen Geist und Körper. Einige Zen-Shiatsu-PraktierInnen haben befunden, dass sich die Informationen, die wir aus der Palpations-Diagnose gewinnen, von den Ergebnissen der 3 anderen Säulen der Diagnose unterscheiden können. Aufgrund meiner Erfahrung komme ich zu dem Schluss, dass sich die aus der Palpation gewonnenen Informationen logisch den anderen diagnostischen Zeichen und Symptomen unterordnen, bzw. diese sinnvoll ergänzen müssen. Aufgrund mangelhafter Kenntnisse der CM und/oder palpatorischer Fähigkeiten erscheinen die Aussagen jedoch manchmal widersprüchlich.

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© Markus Grasser MRSS(T), MRCHM has been in full time practice since 1996. His main teachers,on top of his formal training, were Michael Rose, who studied directly with Masunaga, (3 years of study as well as assisting most of his workshops) , Bill Palmer (Movement Shiatsu) (3 years of  intensive postgraduate training)  and Tim Mulvagh (Classically Based Shiatsu or CBS) ongoing supervision and training for seven years. He is the Director of the Brighton Branch of the European Shiatsu School and also practices Chinese Herbal Medicine at the ‘Avicenna Centre for Chinese Medicine’. E-mail: ssbrighton@btopenworld.com      

Anmerkungen

Anmerkungen
1 In diesem Artikel soll dem Begriff Chinesische Medizin CM der Vorzug gegenüber dem Begriff TCM gegeben werden, einerseits um den Bezug zur ursprünglichen und umfassenden Lehre der Chinesischen Medizin zu verdeutlichen und andererseits als Abgrenzung gegenüber der spezifischen Version, die vornehmlich ein Produkt der Kulturellen Revolution darstellt.
2 An dieser Stelle ist es wichtig die Funktion des Yin zu verstehen: Kühlen, Befeuchten, Nähren, Verankern, Empfangen… physisch wie emotional. Wenn das Yin verletzt wird, werden die korrespondierenden Bereiche unterversorgt, trocken und brüchig. Es handelt sich hierbei aber nicht um Jitsu und sedierendes Shiatsu wird die Situation eher verschlimmern. Die betroffenen Bereiche verlangen satte, tonisierende Maßnahmen, damit die Säfte des Lebens die Wüste wieder beleben können. Mehr noch, das Yang kann aufgrund des fehlenden, beruhigenden Yin nicht mehr ausreichend verankert werden und wird hyperaktiv. In der Folge entstehen Unruhe, Rastlosigkeit, und das Unvermögen, zur Ruhe zu kommen. Diese Leere-Hitze steht in krassem Gegensatz zu Fülle-Syndromen wie Leber-Feuer mit Symptomen wie starker Erregbarkeit, rotes Gesicht, Ungeduld und lauter Stimme.
3 Das ist gleichzeitig ein gutes Beispiel dafür, wie eine saubere Unterscheidung der vorliegenden Syndrome die Feinfühligkeit und Intuition steigern können und damit die Wahl der angemessenen Technik ermöglicht. Die Arbeitskonzepte (frameworks – in diesem Fall die CM) bestimmen somit maßgeblich den Raum, in dem sich die PraktikerIn intuitiv bewegen kann. Ist das Hintergrundwissen der PraktikerIn nicht ausreichend in der CM verankert, basiert deren Intuition nicht ausreichend im meridianenergetischen Denken, da Intuition vom persönlichen Referenzsystem (bewusst oder unbewusst) maßgeblich gefärbt wird.