Marketing für Körpertherapeuten. Tabu oder Chance? (Mignon von Scanzoni)

Gehören Sie auch zu der Therapeutengeneration, die in ihrer Ausbildung noch die Botschaft mitbekommen haben „Wenn du gut bist, dann hast du auch Erfolg“? Und wenn sich der Erfolg dann nicht in der gewünschten Form einstellt, beginnen die Selbstzweifel in Ihnen zu nagen? Gut sind heute viele Therapeuten und Lehrer, deswegen hängt unsere berufliche Zukunft davon ab, ob wir bereit sind mit unserer Fachkompetenz innovativ umzugehen und die Fähigkeit besitzen, auf unsere Leistungen aufmerksam zu machen. Meinen Beitrag verstehe ich als Impuls für die notwendige Diskussion zu diesem Thema.[1]Wenn ich in meinem Artikel von „Therapeuten“ spreche, ist das für mich in diesem Kontext ein Sammelbegriff. Er bezieht sich auf die Berufe, die einen ganzheitlichen Ansatz haben in der … weiterlesen


Wie es damals war

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Als ich 1985 im Rahmen meiner Shiatsu-Prüfung meinem Lehrer Ohashi eine Behandlung gab, fragte ich ihn anschließend, ob er mich für geeignet hält, Shiatsu auszuüben. Natürlich wollte ich von ihm hören, dass ich gut bin. Er gab mir seine japanische Variante der Botschaft zur Antwort: „Wenn du deine Arbeit liebst, wirst du gut sein“.

Meine Arbeit mit Menschen liebe ich heute noch genauso wie damals. Wenn ich mir hingegen die Entwicklung meiner Praxis seit ihrem Beginn im Jahr 1986 vor Augen führe, dann entdecke ich ein breites Spektrum. Es reicht von Kursen mit Warteliste bis zu Gruppen, die wegen mangelnder Teilnehmerzahl abgesagt werden mussten. In der Arbeit mit Klienten gab es Phasen, in denen ich ausgebucht war und Wochen des schweigenden Telefons. Angesichts dieser Schwankungen wurde mir mit meinem inneren Skript „Ich liebe, also bin ich gut“, oft ziemlich schwindlig.

Der Aufbruch in die Selbstverwirklichung der Siebziger und Achtziger Jahre ist vorbei. Heute suchen die Menschen mehr nach einer pragmatischen Lösung für ein konkretes emotionales, körperliches oder soziales Problem.

In den Zeiten der „Rezession“ hörte ich in mir noch eine weitere Stimme: „Ich genüge nicht“. Das führte dann meistens direkt zu Investitionen in die nächste Fortbildung. Die Bereitschaft zum Lernen und sich persönlich weiter zu entwickeln, ist für mich eine Grundvoraussetzung für die therapeutische Arbeit mit Menschen. Doch beim Abtauchen in die Tiefen des eigenen Fachs, ist es notwendig, den Kopf ab und zu aus dem Wasser zu heben und einen Blick nach draußen auf die Landschaft am Ufer zu werfen. Die hatte sich seit 1982 – dem Beginn meiner Ausbildung – verändert. Im ersten Ausbildungsabschnitt waren wir noch eine kleine Gruppe von Pionieren in der Therapie-Szene und als fertige „Practitioner“ gehörten wir zu den interessanten Exoten. Die Leute kamen voller Neugier in unsere Gruppen und in unsere Praxen, weil sie am eigenen Leib etwas über diese „geheime Heilkunst aus dem Osten“ erfahren wollten.


Die heutige Situation

Spezielle Beratungsangebote und schriftliche Wegweiser geben einem Suchenden Orientierungshilfe im Therapiedschungel der großen Städte. Viele Therapierichtungen, vor allem die körperorientierten, unterscheiden sich in ihren Zielen und ihrer Methodik nur noch gering voneinander, natürlich nicht in den Augen der Profis, aber für Menschen oder Gruppen, die nach Lösungen für ihre Probleme Ausschau halten. Dieses Phänomen spiegelt sich in der Flut von Büchern und Ratgebern wider, deren Inhalte austauschbar sind. Das trifft auch für die meisten Kursflyer und Seminartexte in den Programmen der Therapie-Institute zu. Bei den potentiellen Kunden führt das zu Desorientierung und zu Desinteresse.

Wie hoch der Prozentsatz der hauptberuflichen Therapeuten und Lehrer ist, die nur von ihrer therapeutischen Arbeit gut leben können, bleibt dabei offen.

Diese Entwicklung bleibt nicht ohne Folgen für die Anbieter. Allein in München haben in den letzten zwölf Jahren drei bekannte Therapiezentren zugemacht, weil die Gruppen nicht mehr voll wurden. Auch die Seminare von so genannten „Star-Therapeuten“ sind weniger gut besucht als früher.

Der Aufbruch in die Selbstverwirklichung der Siebziger und Achtziger Jahre ist vorbei. Heute suchen die Menschen mehr nach einer pragmatischen Lösung für ein konkretes emotionales, körperliches oder soziales Problem. Doch viele der Seminarangebote orientieren sich immer noch an den Zielgruppen von damals. Der Geschäftsführer einer dieser Einrichtungen brachte das Phänomen auf den Punkt: „Wir sind mit unseren Klienten gealtert“.

Die Aus- und Weiterbildungen sind noch gut besucht, weil die Teilnehmer sich von den Zusatzqualifikationen erhoffen, beruflich mehrere Alternativen zu haben oder sich besser zu positionieren. Inzwischen ist aber auch hier ein Engpass entstanden. Es werden sehr viele Ausbildungen angeboten, und dementsprechend bewegen sich immer mehr gute Therapeuten auf dem Markt. Wer die nächst höhere Stufe erreichen will, wählt den Weg über die Weiterqualifizierung zum Lehrer, oft mit der Perspektive, selbst wieder eine Ausbildung anzubieten. Diese Möglichkeit wird in den einzelnen Berufsverbänden unterschiedlich geregelt, aber grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Ressourcen knapper werden. Das führt zur Konkurrenz zwischen den Anbietern und manchmal auch dazu, dass Ausbildungsinstitute wegen zu geringer Nachfrage schließen müssen.

Der Bedarf nach Einzeltherapie steigt. Das Bewusstsein, sich bei Problemen Hilfe von außen zu holen ist inzwischen weit verbreitet. Die öffentlich geförderten Beratungsstellen haben Wartelisten und in die Privatpraxen kommen die Klienten mit einem hohen Leidensdruck und weniger aus Gründen des „persönlichen Wachstums“. Da das Geld knapper geworden ist und gleichzeitig die Versorgungshaltung zugenommen hat, häuft sich der Wunsch nach Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Abrechnungsmodi, die vor Inkrafttreten des neuen Psychotherapeutengesetzes für Therapeuten ohne Kassenzulassung noch möglich waren, sind jetzt nicht mehr durchführbar. Körpertherapeuten wählen daher oft den Ausweg über den Heilpraktiker oder die Krankengymnastik. Wem auch diese Alternativen verschlossen sind, bietet seine Leistung nicht selten zu Dumpingpreisen an. Das wirkt sich negativ auf den Selbstwert und die Lebensqualität aus und ist berufspolitisch gesehen ein defensives Verhalten.

Die Aus- und Weiterbildungen sind noch gut besucht, weil die Teilnehmer sich von den Zusatzqualifikationen erhoffen, beruflich mehrere Alternativen zu haben oder sich besser zu positionieren

Wie hoch der Prozentsatz der hauptberuflichen Therapeuten und Lehrer ist, die nur von ihrer therapeutischen Arbeit gut leben können, bleibt dabei offen. Meine Beobachtungen beziehen sich auf Gespräche, die ich bei verschiedenen Kongressen und Fortbildungen mit Kollegen geführt habe. Eine Vielzahl von ihnen, vor allem jene, deren Ausbildung noch nicht lange zurückliegt, üben ihren neuen Beruf nur als Nebenerwerb aus.

Beim Thema „Geld“, kommt sehr schnell eine vernebelte Atmosphäre auf, so als hätte man ein Tabu berührt. Vielleicht liegt es an der Auffassung, dass Geld unsere „heiligen Handlungen“ verunreinigt oder an Wertvorstellungen, die aus der eigenen Herkunftsfamilie übernommen wurden. Auf den finanziellen Erfolg im Beruf wirkt es sich jedenfalls wie eine angezogene Handbremse aus.


Die „Kunst der Berührung“ gewinnt an Bedeutung

Aus meiner Beschreibung des Ist-Zustands ziehe ich nicht den Schluss, dass der therapeutische Beruf keine Zukunft mehr hat. Ganz im Gegenteil. Der Wunsch, etwas für den eigenen Körper zu tun und sich Hilfe bei Problemen zu holen, ist inzwischen kein Tabu mehr. Das zeigt sich in dem breiten Spektrum dieser Themen in den öffentlichen Medien. Auch viele Unternehmen haben inzwischen begriffen, dass sie sich mehr um die Gesundheit und Persönlichkeitsentwicklung ihrer Mitarbeiter kümmern müssen.

Unsere Berufswelt ist durch eine hohe Beschleunigung, Technisierung und virtuelle Prozesssteuerung geprägt. Die sozialen Bindungen am Arbeitsplatz verlieren an Bedeutung, stattdessen wächst die Forderung nach Mobilität und Flexibilität. Ein Wandel in der Arbeitswelt steht immer in einer Wechselwirkung mit dem Privatbereich. So hat sich in den letzten Jahrzehnten auch unsere Beziehungskultur verändert. Sie zeichnet sich durch eine größere Vielfalt an sozialen Lebensformen und Lebensentwürfen aus. Das Schlagwort von der „Single-Gesellschaft“ konnte überhaupt erst in diesem Kontext entstehen.

Übergangszeiten sind meistens instabiler und anfälliger für soziale und emotionale Probleme: In einer zunehmend virtuell gesteuerten Welt geht das Selbst-Gefühl der Menschen immer mehr verloren. Es fehlt der Bezug zum eigenen Körper und das Erleben über die fünf Sinne. In dem Körperkult der Fitness- und Wellnessangebote sehe ich eher eine affirmative Reaktion auf diese Entwicklung. Es geht mehr um die Leistung und das äußere Erscheinungsbild und weniger um eine Bewusstheit im Umgang mit der eigenen Person. Gerade die „Berührenden Künste“ bekommen vor diesem Hintergrund eine zentrale Bedeutung. Sie bringen den Menschen wieder in Kontakt mit den inneren Seinsqualitäten des Lebens, die für eine stabile Identität unabdingbar sind : mit dem Atem, mit der Lebenskraft, mit der Bewegung und mit dem eigenen Rhythmus.


Wir müssen unsere Komfortzone verlassen

Die Veränderungen, die eine hoch technisierte Gesellschaft mit sich bringt, erfordert von unsere Berufsgruppe eine Neuorientierung. Therapie darf nicht l’art pour l’art sein, sondern muss sich in ihrer Ausrichtung und in ihren Inhalten stärker auf die Probleme von Menschen und Organisationen beziehen, die von den Auswirkungen betroffen sind. Verständnis und Empathiefähigkeit reichen nicht mehr aus, um darauf aufmerksam zu machen, dass wir etwas zur Problemlösung beitragen können. Um in der Flut von Informationen mit seiner Leistung noch aufzufallen und positiv wahrgenommen zu werden, bedarf es zusätzlicher Fähigkeiten. Die Fachkompetenz alleine reicht nicht mehr aus.

Unsere Berufswelt ist durch eine hohe Beschleunigung, Technisierung und virtuelle Prozesssteuerung geprägt. Die sozialen Bindungen am Arbeitsplatz verlieren an Bedeutung, stattdessen wächst die Forderung nach Mobilität und Flexibilität.

In einer IBM-Studie über die Beförderung von Mitarbeitern lautete die Fragestellung: „Woran liegt es wirklich, warum jemand befördert wird oder nicht?“ Drei Hauptkriterien wurden dabei entdeckt:


Leistung – Selbstdarstellung – Kontakte und Beziehungen

Bei einem beruflichen Aufstieg spielen 10% Leistung, 30% Selbstdarstellung und 60% Kontakte und Beziehungen eine Rolle. Es ist kein Unterschied, ob es sich um Angestellte eines Wirtschaftsbetriebs handelt, um ein Lehrinstitut, einen Berufsverband oder um eine Einzelpraxis, die Prinzipien von denen der berufliche und wirtschaftliche Erfolg abhängen, sind ähnlich. Die Fachkompetenz wird vorausgesetzt. An Bedeutung gewinnen das Qualitätsprofil, die Positionierung auf dem Markt und die so genannten „future skills“. Themen wie Persönlichkeit, Sozialkompetenz, Kreativität, Flexibilität, Vernetzung, Präsentation, professioneller Stil und Umgangsformen spielen eine immer größere Rolle.

Für uns Therapeuten haben diese Veränderungen die Konsequenz, dass wir unserer Komfortzone verlassen müssen. Die Rituale im Umgang miteinander und eine eigene Semantik der Sprache haben bei uns oft die Funktion, sich ständig seiner selbst zu versichern. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Kontakt nach außen verloren geht und Stagnation eintritt. Je seltener die Verbindung mit einer anderen Kultur gepflegt wird, um so mehr geht die gesunde Distanz zu sich selbst und die Differenzierung der Außenwahrnehmung verloren. Andere Umgangsformen und Sichtweisen des Lebens, die einem außerhalb der eigenen Komfortzone begegnen, scheinen manchmal konträr zu den eigenen Wertvorstellungen zu sein. Sie führen oft zur eigenen Verunsicherung und Rückzug ins vertraute Terrain. Aber gerade in dieser Auseinandersetzung liegt die Chance zur Erneuerung – für beide Seiten. Es gibt viele Arbeitsfelder für unsere Kompetenzen, die noch nicht erschlossen sind. Und der Bedarf nach achtsamer Berührung und Begegnung ist groß, auch wenn er nicht immer bewusst wahrgenommen wird.

Um in der Flut von Informationen mit seiner Leistung noch aufzufallen und positiv wahrgenommen zu werden, bedarf es zusätzlicher Fähigkeiten. Die Fachkompetenz alleine reicht nicht mehr aus.

Bei der Erforschung von neuen Arbeitsbereichen kommt es vor allem auf die Bereitschaft an, uns auf die Sprache, in denen unser Gegenüber seine Probleme kommuniziert, einzulassen und den sozialen Kontext, der sich darin vermittelt zu erspüren. Meine eigene Erfahrung beim Anbieten von Seminaren für Wirtschaftsunternehmen haben mir gezeigt, dass sich der Kontakt ähnlich gestaltet wie mit Klienten. Es geht nicht darum, eine Methode oder ein Konzept anzubieten, sondern in den Dialog zu gehen und gemeinsam herauszufinden, welche Art von Begleitung der Lösung des Problems gemäß ist.


Der Berufsverband muss Rückenwind geben

Bei der „Gesellschaft für Shiatsu in Deutschland“ habe ich lange Zeit in der Kommission für Aus- und Weiterbildung mitgearbeitet. Im Hinblick auf die Berufsperspektive der Ausbildungsteilnehmer halte ich es für sinnvoll, wenn die Curricula auch in Richtung Anwendung der Fachkompetenzen überarbeiten werden. Schulen dürfen nicht nur ausbilden und dadurch das Einkommen für die Ausbildungsleiter absichern, sie müssen sich auch Gedanken über die finanzielle Zukunft ihrer Absolventen machen. Dazu gehört auch die Vermittlung einer unternehmerischen Perspektive. In die Inhalte der Weiterbildungsseminare sollte deshalb das Thema „Marketing“ als ein wichtiger Baustein mit aufgenommen werden. Die veränderte soziale und ökonomische Situation für Körpertherapeuten und Körperpädagogen, macht es heute notwendig, die eigene Berufsidentität neu zu überprüfen. Dabei gehe ich davon aus, dass man eine lange Ausbildung, nicht nur für die Bildung der eigenen Person absolviert. Erst wenn ich meine Potentiale nach außen bringe und in deren Anwendung meine fachliche Kompetenz weiter entwickle, entsteht ein Energieaustausch mit meiner Umwelt. Die Impulse, die ich gebe, wirken belebend auf meine Person zurück.

Ein Beruf sollte drei Dinge miteinander in Einklang bringen: mich ernähren, mich verwandeln und mich erfreuen. In diesem Kontext wird die Frage wichtig, ob meine Absicht auch mit der Art und Weise meiner Ausführung übereinstimmt. Wenn ich nicht weiß, wie ich meine Fachkompetenz in einer sinnvollen Weise auf den Markt bringe, kann ich nicht das tun, was ich mit meinem Beruf erreichen möchte. Die berufliche Zukunft von Körpertherapeuten und Körperpädagogen hängt deswegen von ihrer Bereitschaft ab, sich auch von innovativen Impulsen aus anderen Disziplinen anregen zu lassen, um ihren Bewegungsspielraum zu erweitern. Die Absicht, Menschen und Organisationen zu neuen Handlungsweisen zu ermuntern und damit auch gutes Geld zu verdienen, gelingt besser, wenn ich deren Probleme und Bedürfnisse genau kenne und mein Angebot zielgerichtet gestalte. Marketing zeigt mir, wie ich meine Potentiale und beruflichen Fähigkeiten im Hinblick auf meine Zielgruppen klüger benutzen kann.

Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit dem Beruf ist für mich immer die eigene Vision. Nur ein inneres Leitbild von mir und meiner Arbeit gibt mir die Kraft zu zielgerichtetem Handeln.

Ein Berufsverband hat vor diesem Hintergrund die Aufgabe, Öffentlichkeitsarbeit für die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten der eigenen Methode zu machen. Zur Professionalität eines Berufsverbands gehört, dass er die Stärken und Potentiale seiner Methode zum Nutzen seiner Mitglieder nach außen vertritt. Die Angebote für die Zielgruppen, seien es Einzelpersonen oder Organisationen wie z.B. heilpädagogische Einrichtungen, Schulen, Seniorenheime, Firmen, Kliniken oder Krankenkassen sollten vom Gesichtspunkt des Kunden aus gestaltet sein. In einer Informationsbroschüre kommt es darauf an, dass die Ansprechpartner in ihrer Sprache verstehen können, welche Vorteile ihnen unsere Arbeit und unsere besonderen Qualitäten bringen. Das unterstützt die Mitglieder in ihrem beruflichen Erfolg, denn bei der Suche nach Arbeitsaufträgen fällt es leichter, sich zu präsentieren, wenn man die Kraft im Rücken spürt.


Ganzheitliches Marketing

Nach meinem Verständnis ist Marketing keine Technik zur Manipulation von Menschen. Auf dieses Ressentiment stoße ich immer wieder, wenn ich mit Kollegen über dieses Thema spreche. Meine Erfahrung ist, dass wir für unseren beruflichen Erfolg sehr viel von den Prinzipien der Wirtschaft lernen können. Wenn wir sie mit unseren eigenen Inhalten füllen, sind sie nichts anderes als das professionelle Design unserer beruflichen Identität.

Erst wenn ich meine Potentiale nach außen bringe und in deren Anwendung meine fachliche Kompetenz weiter entwickle, entsteht ein Energieaustausch mit meiner Umwelt. Die Impulse, die ich gebe, wirken belebend auf meine Person zurück.

Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit dem Beruf ist für mich immer die eigene Vision. Nur ein inneres Leitbild von mir und meiner Arbeit gibt mir die Kraft zu zielgerichtetem Handeln. Ohne eine innere Ausrichtung besteht die Gefahr, dass die eigenen Kompetenzen und das in ihnen enthaltene Potential nicht zur Wirkung kommen , ja sogar manchmal vergeudet werden.

In einem zweiten Schritt geht es um das Zulassen von innovativen Geschäftsideen. In ihnen brennt das kreative Feuer, das jeder in sich entzünden kann. Leider wird es meistens durch vorschnelle Bewertungen und Urteile erstickt. Ein Phönix braucht weite Schwingen, um aus der Asche aufsteigen zu können. Die Kompetenzen, die wir im Laufe unseres Lebens erworben haben, ergeben dann unser Profil. Dazu gehören nicht nur unser Fachwissen, sondern die Gesamtheit unserer Berufs- und Lebenserfahrungen, auch die bewältigten Krisen. Je deutlicher die Gestalt unseres Profils ist, desto leichter gelingt es, die potentiellen Kunden zu bestimmen und sie auf sich aufmerksam zu machen. Für meine Zielgruppen, seien es Einzelpersonen oder Organisationen, muss erkennbar sein, welche Lösungen ich für ihre spezifischen Probleme anzubieten habe.

Kontakte und Beziehungen bilden dann in einem weiteren Schritt die Bühnen, auf denen wir unser Profil kommunizieren. Dazu gehören nicht nur die gegenwärtigen sozialen Beziehungen, sondern ebenso die Kontakte aus früheren Arbeitszusammenhängen. Auch wenn sich der Beruf verändert hat, sind die Erfahrungen immer noch wertvoll.

In einem meiner Seminare war eine Teilnehmerin, die vor ihrer Shiatsu-Ausbildung im Personalbereich einer Firma tätig gewesen ist. Sie war frustriert von dieser Arbeit und wollte mit ihrem alten Beruf nichts mehr zu tun haben. Als es um ihr Profil und ihre Zielgruppen ging, kam ihr die Idee, ihre neue Fachkompetenz in ihrer ehemaligen Firma anzubieten, als eine Möglichkeit, mit den Gesundheitsproblemen des Personals ganzheitlich umzugehen.

Eine kleine Übung:
Stellen Sie sich vor, Sie treffen im Lift einen potentiellen Auftraggeber. Sie haben nur eine Minute Zeit, ihr Profil, ihr Markenzeichen, darzustellen.
Was sagen Sie?

Für mich bedeutet Marketing, zunächst in einem inneren Zyklus sich selbst zu begegnen. In diesem Prozess schärft und klärt sich der eigene Standort. Wer bin ich und was will ich beruflich erreichen? Wie möchte ich mich fühlen, wenn ich dort angekommen bin? Mit wem möchte und kann ich gut arbeiten? Welche Fähigkeiten und Talente stehen mir dabei zur Verfügung? Welche Ressourcen bietet mir mein soziales Umfeld und wie kann ich sie für meine beruflichen Ziele nutzen?

Nach diesem inneren Dialog richtet sich mein Blick in einem zweiten Zyklus nach außen: Wer sind meine Kunden? Welche Probleme haben sie? Welche Lösungsmöglichkeiten habe ich für sie anzubieten? Wie kann ich sie in ihrer Situation angemessen begleiten?

Ganzheitliches Marketing ist also ein dynamisches Geschehen, in dem die Kompetenzen eines Menschen, einer Gruppe oder einer Organisation so zur Entfaltung gebracht werden, dass sie auch dort ankommen können, wo sie gebraucht werden. Marketing stiftet Nutzen – für uns selbst und für unsere Kunden.

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© Mignon von Scanzoni, M.A., Soziologin, Körperpsychotherapeutin, Shiatsu-Lehrtherapeutin (GSD) und Coach für Einzelpersonen und Teams. Sie leitet Seminare in den Bereichen Potenzialentwicklung, Energiemanagement und Work-Life-Balance, info@von-scanzoni.de

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Wenn ich in meinem Artikel von „Therapeuten“ spreche, ist das für mich in diesem Kontext ein Sammelbegriff. Er bezieht sich auf die Berufe, die einen ganzheitlichen Ansatz haben in der Begleitung von Menschen und mit körperlicher Berührung arbeiten.