Psychische Aspekte von Rückenschmerzen

Rückenschmerzen sind ein weit verbreitetes Problem. In Deutschland, so berichtet die Zeitschrift “Gehirn & Geist” Anfang 2010, und ähnliche Daten lassen sich auch für Österreich erwarten, hat jeder dritte Deutsche einmal im Jahr Probleme mit dem Rücken. Damit sind Rückenbeschwerden häufiger als Kopf- und Gelenksschmerzen, wobei sich aber nur bei rund 20 Prozent aller Rückenschmerzen eindeutige körperliche Ursachen (z.B. Entzündungen oder andere identifizierbare Schmerzquellen an Nervenwurzeln oder Muskeln) feststellen lassen. Und selbst wenn Röntgenbilder der Wirbelsäule oder ähnliche bildgebende Verfahren wie Computeromografie (CT) körperliche Auffäliigkeiten zeigen, lassen sich Rückenschmerzen selten damit erklären.

Haben sich die Beschwerden trotz Behandlung nach drei Monaten nicht gelegt, so spricht man von chronischem Rückenschmerz. Die Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen ist enorm, denn zum körperlichen Schmerz kommen zunehmend auch psychische und soziale Folgen, wobei auch Einschränkungen im alltäglichen Leben (vom Einkaufen über die Freizeitgestaltung bis hin zu Arbeitsunfähigkeit) damit verbunden sein können.

Nun wirken chronische Rückenschmerzen nachvollziehbar auf die psychische Verfassung, doch auch psychische Belastungen können die Beschwerden auslösen oder bereits vorhandene verstärken. Aus westlich medizinischer Sicht erklärt man sich die Entstehung von psychogenen Schmerzen insbesondere durch die Reaktion auf Stress mit Muskelanspannung und Freisetzung von Botenstoffen, die der Schmerzvermitllung dienen. Das führt dazu, dass die betroffenen Menschen hochsensibel auf Signale des Körpers reagieren und diese als schmerzhaft erleben. Aus diesem Grund wirken sich die Fähigkeit, entspannen zu können, wie auch Unterstützung durch Freunde und Verwandte positiv auf die Symptome aus.

Selten, so zeigen Untersuchungen, sind chronische Rückenschmerzen ein isoliertes Beschwerdebild. Häufig gehen sie mit depressiven Verstimmungen und Ängsten einher. So neigen Menschen mit chronischen Schmerzen allgemein zu “reaktiven Depressionen”. Und diese Befindlichkeit führt zu einer (weiteren) Inaktivität und damit zu (weiterer) Schwäche der Muskeln. Der Stützapparat verliert so zunehmend an Halt, was die Entstehung von Rückenbeschwerden begünstigt. Darüber hinaus lenken depressive Menschen ihre Aufmerksamkeit vermehrt auf den Schmerz, den sie dadurch besonders stark wahrnehmen.

Untersuchungen zeigen, dass eine multimodale Behandlung, die sowohl körperliche als auch seelische (psychische) Faktoren berücksichtigt (d.h. verschiedene Techniken und Ansätze – ergänzend zur “Standardbehandlung” – in die Behandlung einbezieht, wie z.B. Entspannungstechniken, Lernen neuer Strategien für den Umgang mit Stress, allmähliches Zurückfinden zu einem aktiveren Lebensstil, kontrolliertes Ausführen gefürchteter Bewegungen zur Angstreduktion etc.), die besten Behandlungserfolge bringen. Besonders gute Erfolgsaussichten haben dabei Betroffene, die frühzeitig behandelt werden, wohingegen Menschen mit bestimmten negativen Denkmustern dazu neigen, chronische Rückenschmerzen zu entwickeln (vgl. Warnhinweise für ein erhöhtes Risiko, chronischen Rückenschmerz zu entwickeln).

Ein großes Problem dabei ist, dass psychische Schmerzauslöser noch immer nicht allgemein anerkannt sind – oftmals sogar tabuisiert, weshalb viele Betroffene nur die körperlichen Symptome präsentieren. Damit beginnt für sie vielfach ein langer Leidensweg, denn – laut einer Untersuchung der Universitätsklinik Mainz (2005) – vergehen durchschnittlich sieben bis acht Jahre, bis bei SchmerzpatientInnen psychische Ursachen erkannt werden.        


Quelle

Jasmin Andresh – Wenn die Seele aufs Kreuz schlägt, Gehirn & Geist 5 / 2010