Schweizer Modell der KomplementärTherapie

Ausbildungs- und Prüfungsarchitektur KomplementärTherapie

Der Weg zum Branchen- und eidgenössischen Diplom


Den Beruf KomplementärTherapie gibt es in der Schweiz seit dem 9. September 2015. Der Titel „KomplementärTherapeut/in mit eidgenössischem Diplom” wird durch den erfolgreichen Abschluss der Höheren Fachprüfung für KomplementärTherapeut*innen erworben. Die Höhere Fachprüfung dient dazu, abschließend zu prüfen, ob die Kandidat*innen über die im Berufsbild geforderten Handlungskompetenzen verfügen, die zur Ausübung einer verantwortungsvollen Berufstätigkeit erforderlich sind.[1]Der vorliegende Beitrag ist aus 2016.


Klientel und Behandlungsziele

Die KomplementärTherapeut*n behandelt und unterstützt Menschen:

  • bei somatischen und psychosomatischen Beschwerden;
  • bei Befindlichkeitsstörungen und psychischem Leiden;
  • bei medizinisch abgeklärten funktionellen Gesundheitsstörungen oder diffusen Beschwerden, die bisher keiner medizinischen Diagnose zugeordnet werden können;
  • bei medizinisch abgeklärten Krankheiten und Behinderungen;
  • nach Unfällen und medizinischen Eingriffen zur Rehabilitation. 

Behandlungsziele sind im Wesentlichen:

  • ganzheitliches Erfassen und Behandeln von Beschwerden;
  • ganzheitliche Stärkung der Selbstregulierungskräfte des Organismus; 
  • Initiieren und Stärken von Genesungsprozessen; 
  • Vermeiden von Symptomverschlimmerungen; 
  • Verhindern oder Mildern von Sekundärproblemen bestimmter Krankheitsbilder;
  • Erwerben neuer Sicht- und Handlungsweisen zur Stärkung der Genesungskompetenz;
  • Erlernen eines besseren Umgangs mit Belastungen und Schmerzen;
  • Wiedererlangen von körperlicher und seelischer Kraft, Stabilität und Flexibilität.


Methoden der KomplementärTherapie

Folgende Methoden sind als Methoden der KomplementärTherapie anerkannt:

  • Shiatsu
  • Craniosacral Therapie
  • Ayurveda Therapie
  • Eutonie
  • Yoga Therapie
  • Akupressur Therapie
  • Alexander Technik
  • Akupunktmassage-Therapie (APMTherapie)
  • Atemtherapie
  • Heileurythmie
  • Polarity
  • Rebalancing
  • Strukturelle Integration


Eidgenössisches Diplom KomplementärTherapie

Für das Branchenzertifikat KomplementärTherapie benötigt man:

  • den Abschluss in einer anerkannten Methode der KomplementärTherapie.
  • den Abschluss des Tronc Commun KomplementärTherapie.
  • den Abschluss des Praktikums in KomplementärTherapie und
  • den erfolgreichen Abschluss der Kompetenzorientierte Abschlussprüfung.

Für das Eidgenössisches Diplom KoplementärTherapie (Höhere Fachprüfung) benötigt man:

  • das Branchenzertifikat KomplementärTherapie,
  • die vorgeschriebene Berufspraxis in KomplementärTherapie (mindestens 2 Jahre komplementärtherapeutische Berufspraxis mit einem Arbeitspensum von mindestens 50% in den letzten 2 Jahren vor der Anmeldung zur HFP oder mindestens 3 Jahre mit einem Arbeitspensum von mindestens 30% in den letzten 3 Jahren vor der Anmeldung zur HFP) und
  • die absolvierte vorgeschriebene Supervision (36 Stunden Einzel- und Gruppensupervision der komplementärtherapeutischen Praxis in den letzten 2 respektive 3 Jahren vor der Anmeldung zur Prüfung bei von der OdA KT zugelassenen SupervisorInnen nachweist).


Handlungsbereiche und Handlungskompetenzen

Handlungsbereiche und Handlungskompetenzen


Kern- und unterstützende Kompetenzen

Kernkompetenzen sind:

A. Komplementärtherapeutisch handeln

  • Begegnen – leitet den therapeutischen Prozess ein
  • Bearbeiten – handelt körper- und prozessorientiert
  • Integrieren – vertieft das Prozessgeschehen
  • Transferieren – sichert die Nachhaltigkeit
  • Gestaltet körperzentrierte Gruppenprozesse

B. Klientenbezogen zusammenarbeiten

  • Arbeitet fallbezogen mit Bezugspersonen zusammen
  • Arbeitet fallbezogen mit Fachpersonen anderer Fachdisziplinen zusammen


Unterstützende Kompetenzen sind:

C. Persönlichkeit entwickeln

  • Entwickelt sich fachlich weiter
  • Entwickelt sich persönlich weiter
  • Pflegt das eigene Gleichgewicht

D. Professionell handeln

  • Handelt nach berufsethischen Prinzipien
  • Engagiert sich für den Beruf und vertritt ihn

E. Öffentlich und vernetzt arbeiten

  • Fördert die Gesundheit in der Gesellschaft
  • Sichert sich ein fachliches Netzwerk
  • Arbeitet als Fachperson im Team

F. Betrieb führen und organisieren

  • Führt die Praxis
  • Sichert und entwickelt die Qualität


Kernkompetenzen

A1. Begegnen – leitet den therapeutischen Prozess ein

  • KomplementärTherapeut*innen begegnen ihren Klient*innen in einer empathischen und erkundenden Haltung.
  • Sie bauen zu ihnen eine vertrauens-volle Beziehung auf und respektieren deren Interessen, Werte und Rechte.
  • Sie gestalten eine methodenbasierte Befundaufnahme.
  • Sie entwickeln die Therapieziele und den Therapieplan körper- und prozesszentriert gemeinsam mit ihren Klient*innen.
  • Sie verstehen ihre Klient*innen von Beginn an als Mitgestaltende des Prozessgeschehens.
  • Sie erkennen ihre Zuständigkeit und die damit verbundenen fachlichen Grenzen.

A2. Bearbeiten – handelt körper- und prozesszentriert

  • KomplementärTherapeut*innen gestalten den Therapieprozess methodenspezifisch mit interaktiv ausgerichteter Berührungs-, Bewegungs-, Atem- und Energiearbeit.
  • Sie fördern gezielt die Selbstregulierungskräfte ihrer Klient*innen.
  • Sie vermitteln neue körperliche Erfahrungen und setzen Selbstwahrnehmungs- und Genesungsprozesse in Gang.
  • Sie bewirken, dass die Klient*innen ihre Beschwerden und Beeinträchtigungen als verstehbar und beeinflussbar erleben.

A3. Integrieren – vertieft das Prozessgeschehen

  • KomplementärTherapeut*innen reflektieren zusammen mit den Klient*innen fortlaufend den Therapieverlauf.
  • Sie leiten die Klient*innen dazu an, Veränderungen wahrzunehmen sowie ihre persönliche Einflussnahme zu beobachten und zu interpretieren.
  • Sie vermitteln Mittel und Wege zur Unterstützung der Genesung.
  • Sie überprüfen gemeinsam die Therapieplanung und modifizieren diese, damit der Genesungsprozess weiter fortschreiten kann und die Klient*innen an Genesungskompetenz gewinnen

A4. Transferieren – sichert die Nachhaltigkeit im Alltag

  • KomplementärTherapeut*nnen planen und sichern die Nachhaltigkeit des Therapieprozesses und führen zu einem erfolgreichen Therapieabschluss hin.
  • Sie geben gezielte Unterstützung, damit ihre Klient*innen die positiv erfahrenen Veränderungen und Verhaltensweisen im Lebens- und Berufsalltag selbstkompetent weiterführen und verankern.

A5. Gestaltet körperzentrierte Gruppenprozesse
(betrifft einzelne Methoden der KT, welche zusätzlich auch mit Kleingruppen arbeiten)

  • KomplementärTherapeut*innen unterstützen ganzheitliche Genesungsprozesse zusätzlich mit der Arbeit in der Gruppe.
  • Sie geben den Teilnehmenden methodenspezifisch verbale und körperliche Anleitungen hinsichtlich Bewegung, Haltung, Stimme und Atmung.
  • Sie ermöglichen ihnen, ihre Erfahrungen wahrnehmen und ein- ordnen zu können.
  • Sie bieten einen therapeutischen Rahmen, um in der Gruppe neue Herangehensweisen im Umgang mit sich zu erkunden und auszuprobieren.
  • Sie unterstützen die Teilnehmenden, gefundene Neuorientierungen in ihren Alltag zu transferieren.
  • Sie nutzen das Potenzial der Gruppe zur gegenseitigen Hilfestellung, Ermutigung und Wertschätzung.


Tronk Commun KomplementärTherapie

Tronc Commun


Umfang

  • Berufsspezifische Grundlagen (BG):  mind. 150 Lernstunden, davon 56 Kontaktstunden
  • Sozialwissenschaftliche Grundlagen (SG) : mind. 300 Lernstunden, davon 104 Kontaktstunden
  • Medizinische Grundlagen (MG): mind. 500 Lernstunden, davon 180 Kontaktstunden

Insgesamt mind. 950 Lernstunden, davon 340 Kontaktstunden


Inhalte

Berufsspezifische Grundlagen

  • Gesundheitsverständnis, Menschenbild, Ethik
  • Berufsidentität, Praxisführung

Sozialwissenschaftliche Grundlagen

  • Psychologie, Kommunikation, Gesprächsführung

Medizinische Grundlagen

  • Nothilfe, Reanimation
  • Biologie, Anatomie, Physiologie, Krankheitslehre, Epidemiologie, Pharmakologie
  • KlientInnensicherheit / TherapeutInnensicherheit


Positionierung im Schweizer Gesundheitswesen

KomplementärTherapie ist in der Schweiz ein anerkannter Beruf, der im Gesundheitswesen eine ergänzende Rolle zum bestehenden Dienstleistungsangebot einnimmt und durch nachfolgende Merkmale geprägt ist:

  • Beziehungsorientierung
  • Ganzheitlicher Ansatz
  • Individueller Therapieprozess
  • Stärkung der Selbstregulation
  • Körper- und prozesszentrierung
  • Ressourcenorientierung


Bezug zur Schulmedizin

  • Komplementarität – Komplementärtherapie ersetzt nicht die Schulmedizin, sondern wirkt ergänzend. KomplementärTherapie kann unabhängig von schulmedizinischen Behandlungen, aber auch vor, parallel oder daran anschließend genutzt werden.
  • Befunderhebung – KomplementärTherapie erfasst methodenspezifisch das Beschwerde- bild, bisherige Bewältigungswege und vorhandene Ressourcen; in ihrer körper- und prozesszentrierten Arbeitsweise berücksichtigt sie allfällig vorliegende schulmedizinische Befunde. KomplementärTherapeut*nnen erstellen keine schulmedizinischen Diagnosen und sind nicht erste Anlaufstelle bei akuten Erkrankungen. 
  • Grenzen – KomplementärTherapeut*innen verpflichten sich, andere, parallel zur KomplementärTherapie laufende Behandlungen zu respektieren
  • bei Beschwerdebildern, die eine spezifische Abklärung und Behandlung erforderlich machen, entsprechende Fachpersonen zu empfehlen bzw. deren Konsultation einzufordern
  • die Therapie abzuschließen, wenn keine Verbesserung der Regulationsfähigkeit und des Wohlbefindens feststellbar ist.


Bezug zur Alternativmedizin

KomplementärTherapie und Alternativmedizin weisen klare Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten auf. Wesentliche Unterscheidungsmerkmale sind:

  • Körperzentrierung – KomplementärTherapie definiert sich als methodenspezifische Berührungs-, Bewegungs-, Atem- und Energiearbeit, in der körperliche Zustände erfahrbar und beeinflussbar gemacht werden. KomplementärTherapie setzt keine Heilmittel, keine technischen Apparate und keine hautverletzenden Maßnahmen ein.
  • Interaktives Handeln – KomplementärTherapie gestaltet sich als nonverbaler und verbaler Dialog zwischen Klient*in und Therapeut*in. Das Interaktionsgeschehen ist zentrales Gestaltungselement. Von Beginn an sind Klient*innen mit ihrer Selbstkompetenz Mitgestaltende des Prozesses. 
  • Prozesszentrierung – KomplementärTherapie stärkt von Beginn an gezielt Ressourcen und Resilienzfaktoren und initiiert lösungs- und motivationsorientierte Sicht- und Handlungsweisen, damit Genesungsprozesse nachhaltig und selbstkompetent erfolgen können. 
  • Methodenbasiert –  KomplementärTherapie stützt sich auf Methoden ab, deren Konzepte den Grundlagen der KomplementärTherapie entsprechen.


Quellen und weiterführende Texte

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Der vorliegende Beitrag ist aus 2016.