Shiatsu mit krebskranken Menschen oder der Abschied eines Mythos (Anja Forbriger)


Auf dem Berliner Shiatsukongress 2002 veranstalteten wir (Anja Forbriger zusammen mit der Berlinerin Eva Liebenberg-Leipold und zwei Krebspatientinnen.) eine Gesprächsrunde zum Thema „Shiatsu und Krebs – ein Tabu berühren“, seitdem bekomme ich regelmäßig Anfragen, die deutlich ausdrücken, wie groß die Unsicherheit im Umgang mit Krebskranken Klienten ist, wie nachfolgende Mail beispielhaft zeigt:

Seit Mai 2004 arbeite ich als Shiatsupraktikerin (GSD) in einer gynäkologischen Praxis, die auch von Krebspatientinnen aufgesucht wird. Meine Ausbildung habe ich 1999 abgeschlossen und man hatte uns während der Ausbildung zur Vorsicht bei der Behandlung von Krebserkrankten angemahnt. An die Begründung kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Von daher habe ich vielleicht unbegründete Berührungsängste mit Shiatsu zu behandeln. Ihr Artikel [in der Zeitschrift Signal, Haug Verlag] hat mir Mut gemacht, bei Ihnen nachzufragen. Bislang habe ich noch keinen Kurs zur Frauengesundheit, wie z. B. Pamela Ferguson sie anbietet, besuchen können und fühle mich ehrlich gesagt, etwas hilflos im Umgang mit Krebspatientinnen und Shiatsu. Können Sie mir Hilfestellung aufgrund Ihrer eigenen Erfahrung geben? Oder gibt es irgendwo Infos, Erfahrungsberichte und Hilfestellungen für Shiatsupraktikerinnen zum Thema Krebs? Was ist wesentlich, was tut gut? Es sind so viele Fragen. Ich habe auch schon eine Anfrage von einer psycho-onkologischen Beratungsstelle eines Krankenhauses erhalten, die die Patientinnen der Frauenarztpraxis mitbetreut und bin nun auf der Suche nach Antworten.

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Soll man Krebspatienten behandeln und wenn ja, wie? Ist es anders, als sonst? Was sollte man berücksichtigen? Gibt es Studien dazu? Arbeiten bereits Kliniken mit Shiatsupraktikern zusammen? Was mache ich, wenn eine Klientin stirbt?

Warum Shiatsu und Krebs in der deutschen Shiatsuausbildung bislang so auffällig vernachlässigt wurde, ist nicht wirklich zu verstehen. Ein weit verbreitetes Gerücht innerhalb der Shiatsuszene ist, dass sich „Zellen“ durch eine Shiatsubehandlung von Krebskranken lösen und sich dann eventuell durch das fließende Ki (über die Lymphbahnen) verteilen und sich der Krebs derart ausbreiten könne. Verständlich, dass so Ängste und Vorurteile geschürt werden. Dabei ist diese Aussage aus wissenschaftlicher Sicht Humbug, in der Tat geradezu erheiternd für einen Onkologen (Arzt mit Spezialgebiet Krebs). Hohe Zeit also, sich mit dem Thema einmal mehr auseinander zusetzen, zu mal die „potentielle Zielgruppe“ wahrlich groß ist.

Rund 400.000 Neuerkrankungen gibt es in Deutschland jedes Jahr (laut Robert-Koch-Institut und darin sind noch nicht einmal die Hautkrebserkrankungen enthalten). Man kann auch sagen, dass jeder 3. bis 4. Deutsche im Verlauf seines Lebens an Krebs erkrankt. Etwa ein Viertel dieser Kranken ist jünger als 60 Jahre. Häufigste Krebsarten in Deutschland sind Brust-, Prostata-, Darm-, Lungen-, Harnblasen- und Magenkrebs. Jedes Jahr erkranken rund 50.000 Frauen an Brustkrebs und ca. 40.000 Männer an Prostatakrebs. Jeder zweite Krebspatient, das sind immerhin fast 200.000, stirbt jährlich an Krebs und den Folgen seiner Krebserkrankung.


Aber was ist Krebs eigentlich?

Krebs ist nicht gleich Krebs. Als Krebs bezeichnet man über 100 verschiedene bösartige Tumorerkrankungen, darunter auch so genannte Systemerkrankungen wie Lymphome und Leukämien. Sie alle haben eine unkontrollierte Teilung von Zellen eines Organs oder von Gewebe gemeinsam. Krebszellen bilden sich zu Tausenden jeden Tag im Körper und werden von einem funktionierenden Immunsystem als „Feinde“ erkannt und vernichtet. Passiert dies nicht, können sich diese „entarteten“ Zellen ungehindert vermehren, so dass eine Geschwulst entsteht. Die Krebszellen können sich über Blutbahnen und Lymphgefäße auch in anderen Körperregionen ansiedeln, was als Metastase (Tochtergeschwülste) bezeichnet wird. Die genauen Ursachen für die Entstehung von Krebs sind immer noch unbekannt. Viele äußere und innere Faktoren müssen erst zusammenwirken, um eine Zelle in eine Krebszelle zu wandeln. So wenig wie es den Krebs gibt, so wenig gibt es auch die Krebsursache. Faktoren sind z.B. Stress, Umwelteinflüsse, falsche Ernährung, Rauchen, Virusinfektionen, Chemikalien, Strahlen, Immunschwäche. Die TCM kennt noch einige andere.

  • Krebs ist auch ein Symbol, es steht für Angst und Tod und ist immer noch eine Art Stigmata in unserer Gesellschaft. Besonders die Krebserkrankungen der Brust und der Prostata sind emotional sehr belastet und belastend. Für einige Patienten wird die Krankheit Krebs zum Weg oder zur Chance, die sie ergreifen, um sich zu verändern.
  • Krebs ist eine gefährliche Krankheit, die unbehandelt in der Regel zum Tode führt, entsprechend aggressiv sind oft die Therapien.
  • Krebs ist nicht ansteckend.
  • Krebs kann Kinder, Jugendliche und Erwachsene jeden Alters treffen.

Die große Gruppe Krebs lässt sich unterteilen in solide, also „feste“ bzw. „harte“ Tumore und bösartige Hämoblastosen, wie z.B. Leukämien. Unter soliden Tumoren gibt es die Karzinome und Sarkome. Karzinome entstehen aus entarteten Epithelzellen, den “Deckzellen” der Haut, der Schleimhaut sowie Drüsenzellen, wie z.B. das Mammakarzinom oder das Lungenkarzinom. Sarkome bilden sich aus entarteten Bindegewebszellen als Fibrosarkome, aus Muskelzellen als Myosarkome, aus Fettzellen als Liposarkome und aus Knochenzellen als Osteosarkome.


Welche Behandlungsmethoden gibt es bei Krebs?

Die Krebstherapien verändern sich laufend, werden immer individueller, d.h. sie werden auf den bestimmten Tumor und die Person zugeschneidert. Neben einer Operation, kommen als Behandlungsmethode vor allem die Chemo- und Strahlentherapie, Stammzell- oder Knochenmarkstransplantationen in Frage. Für einige Krebserkrankungen eignen sich auch Hormontherapien. Hinzu kommen zahlreiche ergänzende Behandlungsformen wie z.B. die Hyperthermie oder Misteltherapie, so wie lindernde Methoden, z.B. in der Schmerzbehandlung. Die meisten dieser Therapien verursachen Nebenwirkungen, einige zum Teil sehr starke.


Mit welchen körperlichen Beschwerden kommt ein Krebskranker in eine Shiatsubehandlung?

Ca. 60 % der Patienten haben z.B. mit Übelkeit oder Erbrechen zu tun, obwohl sie sogenannte Antiemetika (Medikamente gegen Brechreiz) erhalten. Weitere temporäre oder dauerhafte Beschwerden, seien sie krankheits- oder therapiebedingt, sind z.B.:

Mangel an Konzentrationsfähigkeit, künstliche Menopause, Verlust an Organen und Gliedmaßen, eingeschränktes Lungenvolumen, Narben auf und unter der Haut (durch OP und Strahlentherapie), Empfindungsstörungen (taube Finger), Verbrennungen, Haarverlust, Kälte in Gliedmaßen, Verdauungsstörungen, Geruchsüberempfindlichkeit, Osteoporose, Pneumosen, Nahrung kann nicht aufgenommen oder verwertet werden, Wasser im Körper, Schlafstörungen, Lymphprobleme, Verätzungen, Schilddrüsenunterfunktionen, Reduktion des Speichels, Immunabwehrschwäche, extreme Müdigkeit (Fatigue), künstliche oder verfrühte Menopause, Verlust des Geschmacksempfindens, Hautreizungen Menstruationsunregelmäßigkeiten (Ausbleiben, Häufung), Herzrasen, Unfruchtbarkeit, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, Nervenschmerzen, Gleichgewichtsstörungen.

Viele dieser Nebenwirkungen treten gleichzeitig auf. Neben diesen funktionellen Störungen gibt es eine Reihe psycho-sozialer Probleme, wie Ängste, Unsicherheit, veränderte Eigen- und Umgebungswahrnehmung, finanzielle Engpässe, Verlust des Status, Verlust des Arbeitsplatzes etc.. Eine Krebserkrankung ist für den Patienten in der Regel eine große emotionale Herausforderung, auf die in seiner Behandlung meist nicht eingegangen wird, denn in der westlichen Medizin erlebt ein Krebspatient eine sehr starke Ausrichtung auf seine Krankheit und erhält wenig Zeit für tiefere Gespräche mit seinen Ärzten und oft genug auch nicht im Kreis der Familie.

Warum suchen Klienten den Kontakt zum Shiatsu?

Für viele Krebspatienten entsteht oft schon während der Therapie, vor allem aber danach, der Wunsch „irgendwie“ selbst aktiv zu werden. Innerhalb der onkologischen Therapie wurden sie be-handelt, ohne berührt zu werden. Viele Patienten spüren instinktiv, dass ihnen „etwas“ fehlt und suchen dieses Defizit u.a. durch Shiatsubehandlungen aufzufüllen. „Ich will etwas für mich tun“, „Ich wünsche mir Entspannung“, „Ich will dem Klinischen etwas entgegensetzen“ sind typische Aussagen von Klienten mit Krebs zu der Frage, warum sie zum Shiatsu kommen. Neben der Arbeit an der Harmonisierung von körperlichen Symptomen, liegt die Stärke des Shiatsu vor allem auf dem Eingehen der emotionalen Situation. Zunächst einmal bietet Shiatsu Schutz, denn die Klienten bleiben bekleidet, oft genug haben sie sich bislang als „Brust“, „Leber“ oder „Magen“ gefühlt. Shiatsu hat zudem den Vorteil, dass es, abgesehen von dem hier sehr wichtigen Vor- und Nachgespräch, vor allem wortlos ist. Viele Patienten wurden durch Worte verletzt, beklagen eine schwierige Kommunikation mit Ärzten oder Angehörigen.


Was kann Shiatsu für Krebskranke bewirken?

Shiatsu kann keinen Krebs heilen, wohl aber den Menschen in seiner Situation begleiten und zwar in jeder Phase der Erkrankung: bei der Diagnose, während der Behandlungen, in den Behandlungspausen, in der Zeit der sogenannten Nachsorge und im Sterbeprozess. Shiatsu kann helfen, sich mit der Situation der Erkrankung und ihrer Nebenwirkungen auszusöhnen und die Suche nach der existentiellen Sinnfrage „Warum ich, warum bin ich?“ auf absichtslose und friedvolle Weise unterstützen. Ein Großteil der Shiatsuklienten mit Krebs kommt erst nach Beendigung der eigentlichen Behandlung zum Shiatsu, wenn sie wieder Zeit und etwas Kraft haben, sich neu auszurichten. Shiatsu kann hierin besonders wertvoll sein, denn es hilft, sich zu sortieren und zwar auf einer ganz konkreten körperlichen Ebene (wie fühlt sich der Arm heute an, wie bei der letzten Behandlung?) als auch auf der psychischen Ebene (Ich hatte große Angst vor der nächsten Nachuntersuchung, nun nach sechs Monaten spüre ich, dass ein Abstand entstanden ist). Regelmäßige Shiatsubehandlungen schaffen ein Zeitraster, in dem der Klient höchst eigene Beobachtungen machen kann (im Vergleich zu den medizinischen „Kontrollen“ im Krankenhaus). Eine Shiatsubehandlung ist die Kreation des Augenblicks, kein Vorher und kein Nachher zählt, der Fokus ist ganz und gar im Hier und Jetzt. Für Krebspatienten kann dies eine sehr angenehme und berührende Auszeit sein.

Viele Krebskranke kommen durch die Shiatsubehandlungen überhaupt erst in Kontakt mit sich und ihren Körper. Aussöhnung, Trost und der Wunsch, so versehrt wie man ist, angenommen zu werden, sind häufig genannte Wünsche. Obwohl oft Energie verteilt werden muss, eignen sich als Techniken in der Regel keine großen, schnellen Bewegungen, sondern sanfte Kontakte. Unterstützend ist das Halten der Füße, des Haras und des oberen Brustkorbes, auch behutsames Schaukeln kann die notwendige Entspannung bringen.

Krebspatienten sind natürlich keine homogene Gruppe, sondern Individuen und obwohl bestimmte körperliche Nebenwirkungen und psychische Probleme gehäuft auftreten, muss eine Shiatsubehandlung selbstverständlich maßgeschneidert sein. Wichtig ist das ausführliche Vorgespräch, in dem der Klient Raum hat, von seinen Problemen und Wünschen zu erzählen. Die emotionale Bandbreite in der Begegnung ist groß, einige Krebspatienten sind ängstlich, andere depressiv, gekränkt, extrem zornig oder verschämt, andere wiederum befinden sich noch im sprachlosen Schockzustand. Heilende Tränen fließen oft in diesen Gesprächen und Behandlungen, ebenso erleben Klienten heitere und lustvolle Momente, in denen nicht selten zum ersten Mal wieder gelacht werden kann. An Krebspatienten lässt sich die Wandlungsphasenlehre häufig sehr eindringlich, geradezu schulmeisterlich abbilden, eine starke Erschöpfung geht oft mit Erscheinungen aus dem Wasserhaushalt einher (tiefe Augenringe, Zahnbeschwerden, Ohr- und Nierenprobleme, schnelles Frieren, kalte Peripherie, starke Müdigkeit, großer Erschöpfungszustand, Verlust der Haare etc.). Die Wahrnehmung des Shiatsupraktikers sollte also äußerst klar sein, denn vieles lässt sich bereits im Beobachten wahrnehmen, auch wenn die Klientin (noch) nicht darüber sprechen kann oder mag.


Was gibt es zu beachten?

Pamela Ferguson schreibt im Shiatsujournal Nr. 39 „Es ist eine große Kunst, Krebspatienten zu behandeln“. Man kann sich durch diese Aussage schnell überfordert fühlen und der Eindruck könnte entstehen, dass man erst ein paar spezielle Shiatsufortbildungen zum Thema Krebs besuchen müsste. Dies kann zwar nicht Schaden, aber zwingend notwendig ist es nicht. In der Shiatsubehandlung mit schwerkranken Menschen hängt mehr denn je alles von deiner eigenen Haltung ab. Die eigentliche Kunst und Herausforderung bist du also selbst. Du kannst dich vorher informieren über Krebserkrankungen und onkologische Therapien (z.B. bei den Krebsgesellschaften, dem Krebsinformationsdienst in Heidelberg oder der Deutschen Krebshilfe in Bonn), du kannst Kontakt aufnehmen zu Selbsthilfegruppen (z.B. über die Selbsthilfekontaktstellen oder Krankenkassen), du kannst Bücher von Krebspatienten und Angehörigen lesen (z.B. Mut und Gnade von Ken Wilber), du kannst das Internet befragen (z.B. www.inkanet.de), du kannst dich ganz tief in alles Onkologische eingraben und du kannst da sein, in der Situation mit einem Menschen, der verletzt wurde und vermutlich noch verletzt ist, der Fragen hat, der sich nicht sicher ist, ob er noch wirklich da ist. Shiatsu ist ein Dialog und mit jeder Berührung fragst du deinen Klienten, wie es ihm geht, hier und hier und hier. Shiatsu mit Krebspatienten heißt vor allem, sich mit seiner eigenen Sterblichkeit auseinander zusetzen. Wie gehst du mit dir und dem Leben um, wie wirst du auf die Gefühle deines Dialogpartners reagieren?

Bezogen auf die Behandlung selbst ist eigentlich nur weniges, aber wesentliches zu beachten: behandle nicht den Dickdarm bei Dickdarmkrebs etc., sondern die Ängste, die Sorgen, die Wut des Klienten. Die Arbeit an Meridianverläufen ist weniger bedeutsam, als die Arbeit an der Energie des Klienten, was es sicherlich für Shiatsuanfänger schwieriger macht. Arbeite mit dem Klienten zusammen, frage ihn, wo er berührt werden darf und wo nicht. Arbeite mit dem Ärzteteam, dem Physiotherapeuten und der psycho-onkologischen Beratung deiner Klienten zusammen, auch wenn sie nicht unbedingt offen sind, versuche selbst offen und in Kontakt zu bleiben. Sei auch achtsam mit deinen eigenen Grenzen. Vielleicht brauchst du eine Schutzübung vor und auch nach einer Behandlung. Wenn du Shiatsuanfänger bist, nimm dir viel Zeit für deine meditative Ausrichtung, überfordere dich nicht und sammle erst einmal Erfahrung mit den gesunden, wenn auch mitleidenden Angehörigen. Letzteres ist übrigens auch eine sehr dankbare Zielgruppe. Arbeite nicht an offenen Wunden, frischen Narben, nicht mit Menschen, die fiebern und in anderen akuten Prozessen stecken, hier gelten einfach die bekannten Shiatsukontraindikationen. Lass dir Rückmeldungen über die Behandlung geben und frag auch selbst nach, wenn du nicht sicher bist, ob deine Berührung gerade stimmig ist.


Gibt es wissenschaftliche Studien zum Thema Krebs und Shiatsu?

In Deutschland gibt es bislang keine Untersuchungen, ob und wie Shiatsu bei Krebskranken wirkt und leider sind zur Zeit auch keine geplant. In den USA, Großbritannien und Japan gibt es einige wenige Studien, die zeigen, dass z.B. die durch Chemotherapie bedingte Übelkeit gelindert werden kann. Mehrheitlich beziehen sich die Studien auf die Arbeit an bestimmten Akupressurpunkten, reine klassische Shiatsustudien sind zumindest über die größte medizinische Bibliothek nicht online erhältlich (siehe auch die Kataloge der amerikanischen National Library of Medicine www.nlm.nih.gov/databases/index.html). In einigen Kliniken der USA ist Shiatsu Teil des Behandlungsprogrammes für Krebspatienten, z.B. das St. Mary’s Mercy Medical Center / Grand Rapids, Stanford University Hospital / Stanford, California Cancer treatment Centers of America / Tulsa, The Outpatient Rehabilitation Services Center / Pittsburgh, Midwestern Regional Medical Center / Zion, Dartmouth Hitchcock Medical Center / Lebanon, Summit Medical Center / Oakland. Auch in Großbritannien ist man dem Shiatsu für Krebskranke scheinbar etwas aufgeschlossener. Krebsberatungszentren wie Breasthaven / Wales oder das Mulberrycenter / West Middlesex University Hospital bieten Shiatsubehandlungen speziell für Krebspatienten an, letzteres sogar als kostenlose Behandlungsserie mit 6 Sitzungen. In Deutschland ist statt Shiatsu inzwischen Qi Gong für Krebspatienten verbreitet. Diverse Kliniken, Beratungszentren und Selbsthilfeverbände bieten Kurse mit Fan Ten Gong oder Guolin Qi Gong an und Krankenkassen beteiligen sich sogar an den Kosten. Während und direkt nach einer Krebstherapie kann im Stehen praktiziertes Qi Gong zunächst zu anstrengend sein, hier ist Shiatsu klar im Vorteil. Der Klient liegt sicher auf der Matte, was zugleich ganz wunderbar erdend ist. Viele Krebskranke berichten, dass ihnen durch die Diagnose Krebs regelrecht „der Boden unter den Füßen weggezogen wurde“ oder sie „ihre Mitte verloren haben“. Shiatsu kann eine wichtige Orientierungshilfe sein, um den Klienten wieder in den Kontakt mit seinem Oben und Unten, seinem Vorn und Hinten und schließlich seiner Mitte zugeben. Shiatsu kann integrieren, was scheinbar verloren war.


Und wenn dein Klient stirbt?

Dann kannst du dich entscheiden, Shiatsu anzubieten, falls du dich kräftig genug fühlst. Shiatsu kann eine friedvolle Art sein, einen Abschied zu begleiten. Selbst im Ringen, im echten Todeskampf, kann Shiatsu noch lindernd wirken. Vermutlich wird das Shiatsu in der Klinik stattfinden, auf einem Klinikbett, denn die meisten Menschen sterben inzwischen in einem Krankenhaus. Du wirst improvisieren müssen und deine Sinne werden sehr wach sein, denn manchmal kann der Sterbende nicht mehr richtig sprechen, du wirst spüren müssen, was er oder sie braucht.

Shiatsu für Krebskranke ist wahrhaft sinn-voll und kann äußerst bereichernd sein, da existentielle Fragen berührt werden, in den Klienten, aber auch in dir.

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© Anja Forbriger ist Shiatsupraktikerin (GSD) und war 10 Jahre lang in der onkologischen Beratung tätig. Sie erkrankte 1994 selbst an Morbus Hodgkin und ist seitdem gesund. Von ihr sind erschienen „Leben ist, wenn man trotzdem lacht – die Diagnose Krebs“, Heyne Verlag und „Krebs – So finden Sie Hilfe im Internet“, Trias Verlag (veröffentlicht in Shiatsu Journal Nr. 40 / 2005)