Übergewicht und Körperwahrnehmung bei Kindern und Jugendlichen

Mehr als die Hälfte der im Erwachsenenalter auftretenden Zivilisationskrankheiten entsteht infolge von Verhaltensweisen und Lebensstilen, die im Kindes- und Jugendalter ihren Ursprung haben, zu diesem Zeitpunkt aber noch gut beeinflussbar wären.

Übergewicht mit all seinen negativen Konsequenzen ist ein wesentlicher Risikofaktor, weshalb der Gesundheitsförderung und Prävention in jungen Jahren für das gesamte spätere Leben größte Bedeutung zukommt. Da Kinder und Jugendliche einen großen Teil ihrer Zeit in der Schule verbringen, spielt dieses Umfeld für den Erwerb von gesundheitsfördernden Verhaltensmustern und Lebenskompetenzen eine große Rolle. Die Schule ist aber auch ein Ort, wo gesundheitliche Gefahrenpotentiale erkannt werden und diesen somit frühzeitig gegengesteuert werden könnte.


Körperwahrnehmung und Übergewicht bei Jugendlichen

Studien zufolge hat der Anteil von übergewichtigen und adipösen Kindern und Jugendlichen in den vergangen Jahren deutlich zugenommen. Hinzu kommt, dass im Jugendalter Übergewicht und Adipositas häufig mit Stigmatisierungen1) einhergehen und die Entwicklung eines positiven Selbstwertgefühls behindern. Gerade in der Pubertät finden, was den Körper in Größe, Proportion und Aufbau anbelangt, gravierende Veränderungen statt, die dazu führen, dass Jugendliche ihren Körper mit gesteigerter Aufmerksamkeit beobachten. Vor allem bei Mädchen sind diese pubertären Veränderungen häufig mit einer erhöhten Unzufriedenheit mit ihrem Körper und ihrem Erscheinungsbild verbunden, während sich Burschen eine eher positive Einstellung zu ihrem Körper bewahren können.

Die Ideale, an denen sich Burschen und Mädchen dabei messen, sind kulturell geprägt und verweisen bei Mädchen auf einen schlanken und vorpubertären Körper, bei Burschen hingegen auf Muskeln und breite Schultern. Mädchen entwickeln sich also tendenziell von ihrem Schönheitsideal weg, Burschen diesem entgegen.

Die Wahrnehmung des eigenen Körpers wiederum beeinflusst das Ernährungs- und Bewegungsverhalten von Jugendlichen und wirkt sich zudem auf ihre subjektive Gesundheit sowie auf ihr psychisches Wohlbefinden aus. Generell lässt sich beobachten, dass es Kindern und Jugendlichen schwer fällt, ihr eigenes Körpergewicht zu klassifizieren, was dazu führt, dass sie relativ häufig den Versuch unternehmen, die eher „ungesunden“ Idealvorgaben überzuerfüllen bzw. die (ungesunde) Idealfigur, die sie vielleicht sogar schon erreicht haben, noch zu unter- oder überbieten.

Während Burschen dies häufig über den Aufbau von Muskelmasse zu erreichen versuchen (was nicht selten unter der Hinzunahme von synthetischen Substanzen erfolgt), streben die Mädchen ihr „Idealgewicht“ mit Diäten an, die großteils auf eine einseitige und unausgewogene Ernährung setzen.


Übergewicht bei Kindern zwischen 6 und 14 Jahren

Aus einer aktuellen Studie, die in Wien vom Österreichischen Grünen Kreuz für Vorsorgemezidin im Schuljahr 2005/2006 im Auftrag des Danone Nutrition Forums2) durchgeführt wurde3), geht hervor, dass jeder 5. Bub und etwa jedes 6. Mädchen in Österreich übergewichtig ist.

Nur 3 von 4 Schülerinnen und Schülern haben ihr Sollgewicht. Bei den Burschen sind 11,4% übergewichtig und 8,8 % adipös. Bei den Mädchen leiden 10,4% an Übergewicht und 7, 3% an Adipositas. Insgesamt sind 20, 2% der untersuchten Burschen und 17,7% der untersuchten Mädchen übergewichtig.4)


Übergewicht versus Adipositas

Schon beim Eintritt in die Volksschule sind insgesamt ca. 15% der Kinder übergewichtig (“zu dick”). Die Häufigkeit von Übergewicht steigt danach kontinuierlich und erreicht ihren Höhepunkt bei den 10- bis 11-Jährigen: Bei den 11-Jährigen sind 22,2% der Buben und 19,4% der Mädchen übergewichtig, teilweise sogar adipös (krankhaft fettleibig).

Untergewicht ist vor allem bei den 6- bis 8-jährigen Mädchen zu finden. 7,2% der Buben und 8,7% der Mädchen haben ein zu geringes Körpergewicht.

Auch der soziale Status hat offensichtlich Einfluss auf die Gewichtsentwicklung in jungen Jahren: So gibt es in kooperativen Mittelschulen bzw. Hauptschulen doppelt so viele Kinder mit starkem Übergewicht (Adipositas) wie in der AHS-Unterstufe.

Im Vergleich innerhalb Österreichs zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. Die meisten übergewichtigen Kinder leben im Osten (Burgenland, Niederösterreich und Wien). Im Vergleich dazu sind in Tirol, Vorarlberg und in der Steiermark weit weniger SchülerInnen “zu dick”.

Im Vergleich zu anderen EU-Ländern liegt Österreich hinsichtlich der Prävalenz (Auftreten einer Erkrankung) von kindlichem Übergewicht im Mittelfeld. Die meisten dicken Kinder leben in den Mittelmeerländern Malta, Spanien, Portugal und Italien, am geringsten ist die Übergewichtsproblematik in den Niederlanden, Dänemark und Deutschland.

Neben den Diskriminierungen und Hänseleien aus dem sozialen Umfeld haben übergewichtige Kinder spätestens im jungen Erwachsenenalter mit ernsthaften gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Es gilt mittlerweile als wissenschftlich bewiesen, dass mit den überschüssigen Fettpolstern der Grundstein für frühzeitige Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus Typ II und degenerative Skeletterkrankungen gelegt wird. Kinderarzt Univ. Prof. Dr. Karl Zwiauer, wissenschaftlicher Leiter der Studie, betont: „Diese Studie zeigt uns erstmalig schwarz auf weiß, wo der größte Handlungsbedarf liegt. Sie darf nicht ohne Konsequenzen bleiben.” Im Sinne einer nachhaltigen Primärprävention sind daher alle Maßnahmen in Schule und Elternhaus begrüßenswert, die dem Kind die richtige Ernährung langfristig schmackhaft machen. Dabei gilt es, sich primär um besonders gefährdete Zielgruppen zu kümmern.

Oft scheitern gut gemeinte Ernährungsinformationen für Kinder, weil sie “uncool” sind. Coole Speisen sind meist süß, fettig und leicht kaubar. Will man Kinder zum gesünderen Essen verführen, darf man ihre Lieblingsspeisen nicht verdammen, sondern muss sie sich zum Verbündeten machen. Wie das funktionieren könnte wird seit September 2008 in Hauptschulen demonstriert. Das Projekt “Cooles Essen – Coole Kids” wurde vom Danone Nutrition Forum ins Leben gerufen und versucht genau jene Kinder anzusprechen, die laut Studie am ehesten vom Übergewicht betroffen sind. Ein junger Ernährungswissenschafter (peer-group-Ansatz) besucht die Klasse für einen Vormittag und setzt mit den SchülerInnen gesunde Ernährung mit Messer und Schneidbrett um. Die Kinder lernen, einfache Gerichte selbst herzustellen und erfahren, warum das richtige Essen und Trinken für sie selbst ein Vorteil sein kann.

Das Projekt “Cooles Essen – Coole Kids” wird vorerst in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Burgenland angeboten, bevor es nach einer Evaluierungsphase voraussichtlich österreichweit in Hauptschulen Einzug halten wird.

Begleitet wird das Projekt von einem Informationsfolder für Eltern sowie Empfehlungen für die Lehrer, wie die richtige Ernährung auch nach dem Projektvormittag im Schulalltag lebensnah thematisiert werden kann. In einem Rezept-Wettbewerb sollen sich die Klassen noch intensiver mit kreativen Speisenideen auseinandersetzen.


Übergewicht bei Jugendlichen zwischen 13 und 16 Jahren

Seit den achtziger Jahren wird in Österreich in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend die internationale HBSC-Studie (Health Behaviour in School-aged Children) bei 11-, 13- und 15-jährigen SchülerInnen durchgeführt. In der Studie arbeiten Forscherteams aus 41 Ländern unter der Patronanz und mit Unterstützung der WHO zusammen. Die im Schuljahr 2005/2006 durchgeführt 7. österreichische HBSC-Studie erfasst die Gesundheit der österreichischen SchülerInnen im Lebenszusammenhang mittels Selbstausfüller-Fragebogen in Schulen.5)

Der Studie zufolge weisen 87,6% der SchülerInnen einen normalen Gewichtsstatus auf, 83,4% der Burschen und 91,7% der Mädchen. Umgekehrt bedeutet dies jedoch, dass 12,4% der SchülerInnen einen erhöhten BMI aufweisen (16,6% der Burschen, 8,3% der Mädchen), wobei 3,1% der SchülerInnen als adipös zu bezeichnen sind (7,2% der Burschen, 1,1% der Mädchen).

Sowohl für Burschen als auch für Mädchen gilt, dass der Anteil der Übergewichtigen und Adipösen, mit Ausnahme einer leichten Zunahme, die bei den Burschen zwischen dem 13. und 15. Lebensjahr stattfindet, relativ konstant und stabil bleibt.

Überraschend ist, dass nur 50% der SchülerInnen der Meinung sind, dass sie normalgewichtig sind, wobei die Burschen etwas häufiger diese Meinung vertreten (54,8%) als die Mädchen (45,6%). 13,9% der SchülerInnen geben an, dass sie sich für zu dünn halten (Burschen 16,3%, Mädchen 11,6%). Für zu dick hingegen empfinden sich 35,9% der Burschen und Mädchen (Mädchen: 42,8%, Burschen: 28,9%).

Das Gefühl zu dick zu sein, nimmt vor allem bei den Mädchen mit dem Älterwerden deutlich zu, obwohl der Anteil der SchülerInnen mit einem erhöhten BMI relativ konstant bleibt. Während bereits 33,6% der 11-jährigen Schülerinnen ihren Körper als zu dick einstufen, ist bei den 15-Jährigen bereits jedes zweite Mädchen dieser Überzeugung (49,4%). Bei den Burschen hingegen erweist sich diese Entwicklung als weitaus weniger dramatisch, obwohl dennoch ein Viertel bis ein Drittel der Schüler derselben Meinung ist.