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Philosophische Ansätze
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Thomas Pogge – Philosophie der sozialen Verantwortung
Für den Philosophen Thomas Pogge, Professor an der Yale-Universität (USA), zählen die Interessen eines jeden Menschen, überall auf der Welt, gleich. Wir sind deshalb, so das Zentrum seiner Lehre, zur Hilfe verpflichtet. Und das nicht nur wie ein Spaziergänger, der einem Kind helfen soll und muss, das in den Teich gefallen ist (wie es der australische Philosoph Peter Singer sieht), denn wir (die Angehörigen wohlhabender Nationen, sind nicht unschuldige Helfer. Wir sind vielmehr Mittäter, mitverantwortlich, weil wir durch die Aufrechterhaltung ungerechter globaler Spielregeln zum Fortbestand der Weltarmut beitragen.Es existiert nicht nur die lediglich “positive Hilfsplicht” den Armen gegenüber (Peter Singer), sondern zusätzlich eine “negative Gerechtigkeitspflicht”: Diese besagt, dass wir Anderen…
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Gibt es den freien Willen? Die Sicht des Neurobiologen Gerhard Roth
Die Frage des “freien Willens” – das Gefühl, dass unser bewusstes Ich der “Autor” unserer Handlungen, Gedanken und Wünsche ist und dass wir nicht völlig determiniert sind, sondern einen Handlungsspielraum haben (also auch anders hätten handeln können, wenn wir gewollt hätten) – ist in der westlichen Philosophie und Wissenschaft eng verbunden mit dem Problem des Körper-Seele-Dualismus des französischen Philosophen René Descartes (1596 bis 1650). Die Neurobiologie zeigt heute deutlich, dass auch im Gehirn alles nach bestimmten Naturgesetzen – und damit determiniert – abläuft. Bisher, so Professor Gerhard Roth[1]Professor Gerhard Roth (geboren 1942), promovierter Philosoph und Biologe, ist Direktor am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen., “haben wir da nicht die…
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Freie Entscheidungen sind eine Illusion. Der Ansatz von Wolf Singer
Das Gehirn hat sich im Zuge der Evolution auf eine Weise entwickelt, so der Neurobiologe Wolf Singer, die nicht notwendigerweise zur Ausbildung eines unfehlbaren kognitiven Systems führt. Erkennen können wir nur, was wir beobachten, denkend ordnen und uns vorstellen können. Was unsere kognitiven Systeme nicht erfassen können, existiert für uns nicht. Zwei Prinzipien sind es, die die evolutionären Prozesse in Bezug auf die kognitiven Systeme zu verfolgen scheinen: Die Optimierung der Signalaufnahme: Aus der Fülle der verfügbaren Informationen geht es darum, vorwiegend nur diejenigen aufzunehmen, die für die Bedürfnisse des jeweiligen Organismus bedeutsam sind. Die Sinnessysteme der unterschiedlichen Organismen weisen deshalb eine hohe Selektivität und Spezifität auf, die sich auf…
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Offene Fragen zu den Untersuchungen von Libet. Kritik an der gängigen Interpretation der Ergebnisse
Die Experimente von Benjamin Libet, die dieser in der ersten Hälfte der Achtziger-Jahre durchgeführt hatte, untersuchten den zeitlichen Zusammenhang zwischen der bewussten Entscheidung zu einer Bewegung und der Einleitung der Bewegung auf der neuronalen Ebene. Dazu wurde das so genannte symmetrische Bereitschaftspotential gemessen, das auf Grund von neuronaler Aktivität vor allem im supplementär motorischen Areal beider Hirnhälften auftritt und offenbar in engem Zusammenhang mit der Einleitung von Bewegungen steht. Insofern scheint der Zeitpunkt, zu dem das Bereitschaftspotential auftritt, Schlüsse darüber zuzulassen, wann das Gehirn mit der Vorbereitung einer Bewegung beginnt. Das Bereitschaftspotential ist allerdings so schwach, dass es nicht einfach zum Zeitpunkt seines Auftretens gemessen werden kann, sondern über eine…
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Wie bewusst sind unsere Entscheidungen? Die Untersuchungen von Benjamin Libet
Ausgangspunkt der Untersuchungen von Benjamin Libet waren die Entdeckungen des deutschen Neurophysiologen Hans H. Kornhuber und seines Mitarbeiters Lüder Deecke (1965), die den Zusammenhang zwischen willkürlichen Hand- und Fußbewegungen und elektrischen Wellenmustern im Gehirn untersuchten. Kornhuber und Deecke konnten mit Hilfe von EEG-Ableitungen zeigen, dass bei einfachen Handlungen – wie dem Bewegen einer Hand oder eines Fußes – eine Art Vorwarnung im Gehirn auftritt: Noch ehe die Handlung einsetzt, ist an den Potentialschwankungen zu erkennen, dass etwas im Gange ist – was Kornhuber und Deecke[1]Hans H. Kornhuber & Lüder Deecke: “Hirnpotentialänderungen bei Willkürbewegungen und passiven Bewegungen des Menschen: Bereitschaftspotential und reafferente Potentiale”. In: … weiterlesen als Bereitschaftspotential bezeichneten.[2]Das Bereitschaftspotenial ist nach…
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Wissen wir über die Motive unserer Handlungen Bescheid?
Schon Sigmund Freud war der Ansicht, dass wir nicht so sehr bewusste Entscheidungen treffen, sondern die Motive für unser Handeln vor allem dem Unbewussten entspringen. So wie wir uns fragen, weshalb sich ein anderer Mensch so oder so verhält, sind wir – folgen wir der Ansicht Freuds – auch bei der Erklärung unseres eigenen Handelns auf Deutungen angewiesen. Zwar glauben wir unsere Motive sicher zu kennen, doch sind diese Erklärungen in der Sprache Freuds Rationalisierungen, d.h. nicht die wahren Motive für unser Tun, sondern vielmehr Erklärungen, die uns gerade in den Kram passen. Ergebnisse der modernen Hirnforschung belegen, wie es scheint, die These Freuds. Spektakulär sind die Funde bei „Split-Brain-Patienten“,…
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Placebos im Spiegel der Komplexitätsforschung
Der Plaecebo-Effekt, so zeichnet sich immer deutlicher ab, dürfte das mächtigste Wirkprinzip der Heilkunde überhaupt sein, denn alles kann als Placebo betrachtet werden, was möglicherweise einen positiven Effekt auf das Befinden hat, ohne dass dies auf einen geprüften Wirkstoff oder einer geprüften Methode beruht. Jede medizinische oder psychologische Zuwendung vermag die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren. Erwartungshaltungen können, wie sich heute auch neurophysiologisch nachweisen lässt, Mechanismen in Gang bringen, die jenen ähneln, die von Arzneimitteln aktiviert werden, bewirken also nachweisbare, reale Veränderungen im Körper.[1]So konnten amerikanische Wissenschaftler nachweisen, dass Antidepressiva wie auch Placebos eine Änderung der Gehirn-Aktivität hervorrufen. In zwei neunwöchigen placebokontrollierten Studien … weiterlesen Und andererseits können selbst wissenschaftlich nachweisbare…
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Der Prozess der Selbstorganisation komplexer Systeme
Als Selbstorganisation bezeichnet man das spontane Auftreten neuer Strukturen und neuer Verhaltensweisen in offenen Systemen, die, fern von einem energetischen Gleichgewicht, durch innere Rückkoppelungsschleifen charakterisiert sind. Auf der Basis von Selbstorganisation, die sich mathematisch durch nichtlineare Gleichungen beschreiben lässt, können sich Strukturen verändern, ausdifferenzieren und weiterentwickeln. Die Theorie der Selbstorganisation[1]Die Theorie der Selbstorganisation wird auch als Theorie der Ordnungsbildung nichtlinearer Systeme bezeichnet (vgl. Komplexe Systeme. Grundprinzipien der Chaostheorie). ist ein zentraler Begriff der systemischen Betrachtung alles Lebendigen und beschreibt, wie Systeme innerhalb des Bereichs bestimmter Anfangs- und Rahmenbedingungen spezifische Ordnungszustände einnehmen. Diesen Prozess kann man zwar von außen anregen, aber nicht auf ein bestimmtes Ziel hin festlegen.[2]Die Theorie der Selbstorganisation…
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Implikationen der Komplexitätstheorie