Anerkennung von Shiatsu als Beruf der KomplementärTherapie: Meilensteine 2002 – 2008 (Zita Fräfel-Noser)

Ausgangslage

Die Anerkennung und Verankerung von Shiatsu als Beruf ist in den SGS-Statuten als erste der Aufgaben genannt. In der Umfrage 2003 sprachen sich 82% der Mitglieder dafür aus, dass die SGS eine eidgenössische Berufsanerkennung anstreben soll. Der Vorstand der SGS hat der Erreichung dieses Ziels in den vergangenen Jahren(2002-07) höchste Priorität eingeräumt und an den Mitgliederversammlungen, in News, Jahrespublikation, Homepage und an Veranstaltungen laufend über die Entwicklung und den Stand der Arbeiten informiert. Ziel dieses Artikels ist es, einen zusammenfassenden Überblick über das Engagement der SGS und die Meilensteine der Arbeiten zu geben.[1]SGS = Shiatsu Gesellschaft Schweiz


Rechtliche Situation

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Das BBT[2]BBT = Bundesamt für Berufsbildung und Technologie ist seit der Inkraftsetzung des neuen Berufsbildungsgesetzes im Januar 2004 zuständig für die Reglementierung und Anerkennung sämtlicher nicht-universitärer Gesundheitsberufe in der Schweiz. Damit wurde eine rechtliche Grundlage für Berufsanerkennungen geschaffen, die auch für Shiatsu und andere Methoden nutzbar ist.


Inhalte

Die therapeutische Berufspraxis definiert die zukünftigen Ausbildungsanforderungen.

Die Berufspraxis hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt. Zusätzlich zu den methodischen Kompetenzen in Shiatsu sind heute auch fachliche, sozial-kommunikative und personale Kompetenzen gefordert, die methodenunabhängig sind.

Das BBT betonte immer wieder, dass die in den Dachorganisationen zusammengeschlossenen Verbände es selbst in der Hand haben, innerhalb vorgegebener Rahmenbedingungen eigenständige und angemessene Lösungen zu entwickeln. Ebenso machte es deutlich, dass es nicht gewillt ist, eine Vielzahl von Einzelmethoden zu anerkennen, sondern dass diese in übergeordnete Berufsabschlüsse zusammengefasst werden müssen. Dies führte zum mehreren Methoden gemeinsamen Berufsprofil „KomplementärTherapeutIn“. In seinem Rahmen findet eine Klärung, Positionierung und Höherqualifizierung des Berufs Shiatsu-TherapeutIn statt.


Vorteile der gesamtschweizerischen Lösung

Der Abschluss in KomplementärTherapie soll eine staatlich anerkannte und rechtlich geschützte Berufsbezeichnung bringen, die ein Qualitätssiegel darstellt und als Gesundheitsberuf gilt. Wichtige Elemente dazu bilden

  • Geregelte modularisierte Ausbildung mit klaren Qualitätsnormen
  • Einheitliche Ausbildungsstandards (modulares Referenzsystem)
  • Durchlässigkeit – Quereinstieg zwischen Methoden
  • Verfahren zu Anerkennung und Aufschulung von bereits Praktizierenden.


Rückblick : die Meilensteine der Entwicklung von 2002 bis 2008


2002 – Eine Idee wird umgesetzt

Ab Mitte 2002 beginnen im Dachverband Xund die Arbeiten in verschiedenen Arbeitsgruppen wie AG Berufsbildung, AG Kompetenzen, AG Module, AG Grundkenntnisse Gesundheit & Krankheit, AG Praxisbegleitung, AG Koordinationsgruppe u.a.. Die SGS ist von Anfang an stark vertreten durch Friederike Denner, Peter Itin, Dorothea Mutz-Negenborn, Zita Fräfel-Noser und verschiedene SchulenvertreterInnen. Diese bringen viel Know-How ein, setzen den Auftrag der Mitglieder um und vertreten deren Interessen.


2003 – Die Vernetzung beginnt

Das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) anerbietet sich, die heterogene Verbandslandschaft zu koordinieren und im Prozess der Berufsanerkennung zu unterstützen.

Es nominiert eine Koordinationsgruppe Komplementär (KoKo) mit ca. 20 VerbandsvertreterInnen aus dem ganzen Bereich der rund 50 Methodenverbände, die über 10’000 Einzelmitglieder vertreten. Diese KoKo ist gegenüber dem BBT das Steuerungsgremium des Vorhabens. Peter Itin ist darin als Delegierter der SGS und als Vorstandmitglied des DvXund vertreten.


2004 – Die Berufsbilder werden formuliert

Das neue BBG[3]BBG = Berufsbildungsgesetz tritt formell in Kraft. Die KoKo[4]KoKo = Koordinationsgruppe Komplementär bildete vier Arbeitsgruppen zu folgenden Themen (Trägerschaftsmodelle – OdA[5]OdA = Organisation der Arbeit, übergeordnete Berufsprofile, Kenntnisse in Gesundheit & Krankheit, begleitete Praxiseinführung) – alle mit Beteiligung und Mitarbeit von Vorstandsmitgliedern des DvXund und der SGS. Im Dachverband Xund wird eine Arbeitsgruppe Berufsbildung gegründet, in welcher Zita Fraefel-Noser (Vorstand SGS) mitwirkt. Zudem vertritt sie die SGS in der Fachgruppe Energie.

Mitte 2004 wird von der SGS das Berufsprofil Shiatsu-Therapeutin/Shiatsu-Therapeut erstellt. Im DV Xund wird das übergeordnete Berufsprofil KT[6]KT = Komplementärtherapie mit Glossar formuliert.

An einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung im September wurde definitiv beschlossen, dass der DvXund und seine Mitglieder Verbände die Höhere Fachprüfung KomplementärTherapie anstreben sollen.

Ein Positionspapier der AG KoKo zu Grundkenntnissen in Gesundheit & Krankheit (später „Tronc Commun“) wird im August 2004 dem BBT eingereicht. Das BBT erteilt dem SRK[7]SRK = Schweizerisches Rotes Kreuz das Mandat, dieses mit den VertreterInnen der Verbände so zu überarbeiten, dass es als Grundlage für die eidgenössische Anerkennung eines Gesundheitsberufs auf Tertiärstufe dienen kann.


2005 – Die Positionierung im Berufsfeld wird geklärt

In der KoKo werden die beiden Berufsprofile KomplementärTherapie und AlternativMedizin einstimmig beschlossen. Für die Projektierungsarbeiten sollen deshalb zwei getrennten Projektorganisationen gebildet werden.

Die Berufsbilder KomplementärTherapie und AlternativMedizin unterscheiden sich nach einhelliger Auffassung der Berufsverbände grundlegend. Beiden gemeinsam ist die ganzheitliche Förderung der natürlichen Selbstheilkräfte des Organismus. KomplementärTherapie versteht sich als methodengeleitete, prozesshafte Unterstützung von Menschen. AlternativMedizin stützt sich demgegenüber auf ganze Medizinsysteme ab, wobei auch invasiv, verschreibend und unter Einsatz von technischen Apparaturen gearbeitet werden kann. Der Begriff AlternativMedizin bezieht sich auf das Praktizieren von Homöopathie, klassisch-westlicher Naturheilkunde und Traditioneller Chinesischer Medizin durch Berufstätige ohne Universitätsabschluss.

Mit dem Bildungsexperten Herrn Goetze wurde eine Funktionsanalyse der Arbeit des KomplementärTherapeuten vorgenommen, die der Kompetenzerarbeitung als Grundlage dient. Die Funktionen der KT sind Befunderhebung, therapeutische Arbeit, Evaluation, Selbstorganisation, Praxisführung und Berufsentwicklung.

Der Tronc Commun wird als gemeinsamer Ausbildungssockel für alle Methoden KT bzw. AM [8]AM = Alternativmedizinvon der KoKo des BBT verabschiedet. Ca. 90 % des Tronc Commun basieren auf Vorarbeiten des DvXund und vielen Inputs der SGS. Berufsprofil KT, Funktionsanalyse und Tronc Commun sind in der Homepage der SGS, Mitgliederteil einsehbar.

Von DvXund, NVS, ARNTS und Büro Gutknecht wird die Projektorganisation Höhere Fachprüfung Komplementärtherapie kurz PO HFP KT gegründet. Diese vertreten alle gesamtschweizerisch relevanten Verbände im Bereich KT. Die PO HFP KT reicht beim BBT ein Gesuch um Anschubfinanzierung ein, das jedoch abgelehnt wird.

Die Arbeitsgruppen des DvXund werden nun zu Arbeitsgruppen der PO und mit Mitgliedern der neuen Partnerverbände erweitert. Sie erhalten folgende Mandate: Entwicklung von Modulbeschreibungen, Gleichwertigkeitsverfahren für die bisherigen Praktizierenden, Qualitätssicherung, Prüfung (Reglement, Ablauf der Prüfung, Schulung der ExpertInnen) und Praktikumsbegleitung. In der PO sind folgende SGS-Mitglieder an der Projektentwicklung massgeblich mitbeteiligt:

  • Leitungsausschuss KT: Peter Itin (für die Projektleitung DvXund) und später auch Friederike Denner (als Leiterin der AG Gleichwertigkeitsverfahren)
  • Arbeitsgruppe Gleichwertigkeitsverfahren: Friederike Denner (Leitung)
  • Arbeitsgruppe Praxisbegleitung: Doro Mutz-Negenborn (Qualitätsbeauftragte der SGS)


2006 – Das Projekt verankert sich

Im Juni liegt die erste Fassung des Modulbaukastens vor. Die umfangreiche Broschüre (50 Seiten) umfasst das Berufsprofil KT, eine Übersicht über die Kompetenzen, Kenntnisse und Lernziele KT, den Modulraster, die Beschreibung der themenzentrierten Module (Tronc Commun = gemeinsamer Ausbildungssockel), Methodenmodule, Praxismodule sowie Bedingungen, die von Modulen und Methoden erfüllt werden müssen.

Die Methodenidentifikation Shiatsu wird 2006 in Zusammenarbeit mit SchulleiterInnen der SGS anerkannten Ausbildungen erstellt. Die Mitarbeit der Shiatsu Schulen in dieser Projektphase ist sehr wertvoll und wichtig, da sie das grösste Fachgremium bezüglich Kompetenzen und Inhalten darstellen. Anerkannte Methoden, die zur HFP KT führen, definieren sich nach einem gemeinsamen Raster. Vom SGS-Vorstand wird Ende 2006 in Absprache mit den Schulen die „Methodenidentifikation Shiatsu“ bei der PO HFP KT eingereicht.


2007 – Pilotphase und Projekte

Was viele im 2002 kaum zu hoffen wagten, was viele Visionärinnen und Visionäre dennoch zielgerichtet angepackt hatten, ist Wirklichkeit geworden. Die Grundlagen sind erarbeitet – doch vieles bleibt noch zu tun in Bezug auf die konkrete Umsetzung und die politische Arbeit!

Pilotprojekte beginnen. Das Gleichwertigkeitsverfahren als Passerelle für bereits Praktizierende wird erstmals getestet, Pilotschulen evaluieren das Anerkennungsverfahren.

Ab Januar 2007 gelangen die Grundlagendokumente in eine offizielle Vernehmlassung bei den involvierten Verbänden und Schulen. Zudem werden sie wichtigen Partnerorganisationen des Gesundheitswesens detailliert vorgestellt (Gesundheitsdirektionen der Kantone, Bundesamt für Gesundheit, Krankenkassen u.a.).

Am 15. Mai 2007 wird die OdA KTTC als rechtmässiger Verein gegründet. Dieser soll zukünftig für die konkrete Umsetzung des Vorhabens zuständig sein.

Ab Juni 2007 beginnt die Politik mitzumischen.

Edith Graf-Litscher Komiteemitglied der Initiative „Ja zur Komplementärmedizin“ hatte als Nationalrätin im Juni 2007 eine einfache Anfrage dem Bundesrat eingereicht. Sie will Auskunft über den Stand des Reglementierungsprojekts im Bereich Naturheilkunde. Der Bundesrat stellt in seiner Antwort fest, dass die Reglementierung der nicht-ärztlichen Berufe im Bereich der Komplementärmedizin nicht losgelöst von der Initiative behandelt werden können, da sie eine der Kernforderungen der Initiative darstellen. Aus diesem Grunde werden die Arbeiten von Seiten des BBT bis zur Volksabstimmung über die Initiative eingestellt.

Diese Haltung entspricht der Position von Bundesrat Couchepin, der sich das BBT beugen muss.

Die Projektentwicklungsarbeiten werden wie bisher weitergeführt.


2008 – Zertifikat Gleichwertigkeit KT erreicht

Die Lobbying-Arbeit und die Präsentation des gesamten Vorhabens bei verschiedenen, wichtigen Organisationen hat eingesetzt und hat grosse Bedeutung erhalten. Wichtige Gesprächspartner sind beispielsweise die GesundheitsdirektorInnen-Konferenz, die ODA-Santé, das Bundesamt für Gesundheit und die Krankenkassen.

Am 20. Juni 2008 findet die erste Delegiertenversammlung der OdA KTTC statt. Vorstand und Qualitätssicherungs-Kommission werden gewählt. Von Seiten der SGS findet in diesem Rahmen eine personelle Veränderung statt. Neue Personen werden in der laufenden Betriebsorganisation tätig, und ProjektentwicklerInnen wie Peter Itin und Zita Fraefel-Noser können sich wieder zurückziehen. Noch gibt es Detaillierungsschritte im Bereich Praxisführung und Modulzertifizierungs-System, die noch fertigzustellen sind. Das Prüfungsreglement steht und kann beim BBT eingereicht werden, jedoch erst, nachdem über die Initiative JzK abgestimmt worden ist bzw. diese zurückgezogen wird (sofern das Parlament eine valable Gesetzeslösung erarbeiten würde). Wir erwarten, dass diese Klärung spätestens Ende 2009 erfolgt ist. Bis die Prüfungsreglemente dann vom BBT genehmigt werden können, wird allerdings nochmals Zeit verstreichen, da das BBT verpflichtet ist, diese in eine breite Vernehmlassung bei allen interessierten und betroffenen Kreise zu geben.


Fit für die Zukunft

Praktizierende Shiatsu-Therapeutinnen können jetzt bereits das Passerellenprogramm Gleichwertigkeit durchlaufen. Sie evaluieren und erhöhen im Rahmen eines Fortbildungsprozesses ihre Kompetenzen. Sie erhalten von der OdA KTTC ein Zertifikat, welches das erreichte Kompetenzniveau bescheinigt. Sie sind fit für die kommende Höhere Fachprüfung und den eidgenössisch anerkannten Abschluss im Gesundheitswesen.

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© Zita Fräfel-Noser, Shiatsu-Praxis seit 1992 in St. Gallen, seit 1998 hauptberuflich tätig als Shiatsu- und Craniosakral-Therapeutin, Ressort Beruf & Bildung in der SGS (Shiatsu Gesellschaft Schweiz), Delegierte im International Shiatsu Network (ISN)

Anmerkungen

Anmerkungen
1 SGS = Shiatsu Gesellschaft Schweiz
2 BBT = Bundesamt für Berufsbildung und Technologie
3 BBG = Berufsbildungsgesetz
4 KoKo = Koordinationsgruppe Komplementär
5 OdA = Organisation der Arbeit
6 KT = Komplementärtherapie
7 SRK = Schweizerisches Rotes Kreuz
8 AM = Alternativmedizin