Gewohnheiten sind der Schlüssel zu einer Veränderung unseres Verhaltens

Gerade der Jahreswechsel ist verbunden mit guten Vorsätzen, die oft nur (immer mehr verblassende) Vorsätze bleiben – wohingegen wir letztlich im gewohnten Trott verbleiben. Das erkannte schon der englisch Philosoph Francis Bacon (11561 bis 1626):”Gewohnheit heißt die große Lenkerin des Lebens. Daher sollten wir uns auf alle Weise erstreben, gute Gewohnheiten einzuimpfen.” Und, wie Christian Wolf in Gehrin und Geist 1-2/2012 (“Der Autopilot imn Kopf”) schreibt, lohnt es sich einen Blick darauf werfen, wie ungeliebte Laster entstehen, um sie ändern zu können.

Philippa Lally et al. (“How are Habits Formed: Modelling Habit Formation in the Real World”. European Journal of Social Psychology 40, S. 998-1009, 2010) erforschte, wie wiederholtes Verhalten allmählich in Fleisch und Blut übergeht. Versuchspersonen bekamen die Aufgabe, sich zu überlegen, was sie sich gerne zur Gewohnheit machen möchten und diese so gewählte Tätigkeit dann mehr als 80 Tage lang täglich (protokolliert) ausführen. Wie zu erwarten wurde den Probanden die jeweilige Tätigkeit im Lauf der Zeit immer mehr zur Routine und damit selbstverständlich.

Macht man eine Sache zum ersten Mal, erfordert dies eine bewusste Absicht. Wiederholt man diese Handlung dann aber immer wieder, wird sie allmählich mit weniger gedanklicher Kontrolle ausgeführt. Es knüpft sich mental eine enge Beziehung zwischen dem Umweltreiz, der als Auslöser dient, und der darauf folgenden Handlung: Je häufiger die Handlung wiederholt wird, desto mehr verblasst das ursprüngliche Ziel, und der Kontext wird wichtiger.


Assoziatives Lernen

Gewohnheiten basieren auf assoziativem Lernen. Dabei werden räumlich und zeitlich gemeinsam auftretende Ereignisse durch Wiederholung in der Einnerung verknüft. Bestimmte Signale lösen das verinnerlichte Verhalten dann automatisch (und damit auch unbewusst) aus. Untersuchungen zeigen dementsprechend, dass örtliche und soziale Faktoren (und damit eine gewisse Routine) eine große Rolle in der Beibehaltung von Verhaltensweisen spielen. Geht der räumliche und/oder soziale Bezug verloren (z.B. durch Umzug), verlieren sich oft auch die damit verbundenen Verhaltensweisen.

Am Beginn einer Gewohnheit steht also durchaus eine Absicht, wie z.B. bei Joggen der Wunsch abzunehmen. Wenn das Verhaltlen (z.B. Joggen) aber erst einmal zu einem Ritual geworden ist, spielt das ursprüngliche Ziel jedoch kaum mehr eine Rolle. Dieses Verhalten zeigt sich selbst bei Tieren: Wenn ihr Verhalten durch exzessives Training automatisiert ist, läuft es in der Folge starr ab und es können kaum mehr andere Vorgehensweisen wahrgenommen werden (auch dann nicht, wenn die bestehende Routine nicht mehr zum Erfolg führt).

Warum die meisten Menschen glauben, ihr Verhalten sei von bestimmten Absichten motiviert, erklärt die Selbstwahrnehmungstheorie von Daryl Bem, derzufolge Menschen oft nach inneren Motiven suchen,um ihr Verhalten zu erklären, selbst wenn es (nachweislich) von äußeren Faktoren ausgelöst wird.[1]Basalganglien sind auch dann verstärkt eingebunden, wenn einfache motorische Tätigkeiten durch Wiederholen allmählich zur Gewohnheit werden – das zeigten Messungen mit funktionaler … weiterlesen


Deklaratives und implizites Wissen

Der Unterschied zwischen Gewohnheiten und auf Gegebenheiten basierendem Verhalten lässt sich neurobiologisch auf zwei unterschiedliche Lern- und Erinnerungssystem zurückführen:

AufzählungDeklaratives Wissen bezieht sich auf Fakten und Ereignisse. Man kann es (relativ) schnell erwerben und flexibel auf neue Situationen anwenden. Die Hirnstruktur, die dafür zuständig sind, ist der Hippocampus (eine Hrinstruktur des Temorallappens, die elementar für das Langzeitgedächtnis ist)..

AufzählungGewohnheiten hingegen beruhen auf prozeduralem, impliziten Wissen, das sich auf Handlungsabläufe bezieht und oft sprachlich nicht erfasst werden kann. Es entsteht, wenn im Gedächtnis allmählich ein Reiz fest mit einer bestimmten Reaktion verknüpft wird. Die dafür zuständige Hirnregion ist nach derzeitigen Erkenntniststand das Striatum (ein Areal, das zu den Basalganglien gehört, einer Reihe von Kernen, die sich unterhalb der Großhirnrinde befinden).[2]Laut Bems Selbstwahrnehmungstheorie leiten Menschen ihre Einstellungen von ihrem eigenen Verhalten ab. Eine Person, die beispielsweise auf Aufforderung eine Lobrede auf Fidel Castro halten würde, … weiterlesen)


Fazit

Wer alte Gewohnheiten ablegen will, muss – so zeigen die aktuellen Erkennnisse (und decken sich damit auch mit der praktischen Erfahrung) – muss vor allem den Kontext verändern. Wenn jemand z.B. kein Fastfood mehr essen möchte, sollte man von seiner Routine abweichen, um den auslösenden Reiz abzustellen. Das Schwierigste aber bleibt die Frage, wie man den auslösenden Reiz erkennt.


Quelle

Gehirn & Geist 1-2/2012

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Basalganglien sind auch dann verstärkt eingebunden, wenn einfache motorische Tätigkeiten durch Wiederholen allmählich zur Gewohnheit werden – das zeigten Messungen mit funktionaler Magnetresonanztomografie. Gleichzeitgi fährt der präfrontale Kortex seine Aktivität herunter – ein Areal, das sich regt, wenn wir Absichten kontrollieren und Pläne schmieden.
2 Laut Bems Selbstwahrnehmungstheorie leiten Menschen ihre Einstellungen von ihrem eigenen Verhalten ab. Eine Person, die beispielsweise auf Aufforderung eine Lobrede auf Fidel Castro halten würde, hat (seiner Theorie folgend) anschließend eine positivere Haltung ihm gegenüber als vorher (Quelle: Wikipedia, 26. 12. 2011