Hibakusha. Die Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki

Hibakusha bezeichnet die Opfer von Hiroshima und Nagasaki nach den Atombombenabwürfen im August 1945, wobei drei Kategorien von Opfern unterschieden werden:

  • Diejenigen, die sofort starben auf Grund von Druckwelle, Hitze und/oder äußerst starker Strahlung im näheren Bereich der Detonation, und alle, die auf Grund dieser Erscheinungen schwer verwundet waren und kurze Zeit danach starben;
  • Diejenigen, die vor allem auf Grund von Strahlenkrankheit (verursacht durch ebenfalls noch sehr hohe Strahlendosen) bis zum Ende des Jahres 1945 verstarben (so genannte “Früh-Todesfälle”); und
  • Diejenigen, die das Ereignis im Sinne der beiden obigen Kategorien überlebten, bei denen aber mit Erkrankungen und Todesfällen (vor allem mit der Ursache Krebs) auf Grund von geringerer erhaltener Stahlendosis (und damit längerer Latenzzeit) zu rechnen war – die so genannten Hibakusha.

Hibakusha und ihre Kinder waren (und sind noch) Opfer von Diskriminierung, auch aufgrund von mangelndem Wissen über die Folgen von Strahlenkrankheit, von der viele Menschen glaubten, dass sie vererbbar oder sogar ansteckend sei. Ein Gesetz über die Behandlung der Opfer der Atombomben, in dem erste Versorgungsregelungen für die Hibakusha getroffen wurden, wurde 1957 beschlossen, aber erst ab 1968 erhielten die Überlebenden eine unentgeltliche ärztliche Betreuung. Die materielle Entschädigung bzw. Versorgung der Hibakusha ist auch heute noch unbefriedigend, so Wikipedia (Zugriff am 29.8.2014).

Viele Hibakusha leiden an körperlichen Langzeitschäden, Behinderungen und Folgekrankheiten. Am häufigsten sind Erkrankungen der Schilddrüse wie Tumore oder Zysten. Dazu kommen häufig psychische Störungen: Nach den Bombenangriffen verfielen viele Überlebende aufgrund familiärer und gesellschaftlicher Verluste in Lethargie oder entwickelten wegen des eigenen Überlebens Schuldgefühle, und bei der Gründung eigener Familien war zunächst unklar, ob die Kinder gesund zur Welt kommen würden. Anlässlich des internationalen Jahres des Friedens 1986 beschloss die Friedens- und Kulturstiftung von Hiroshima, die Berichte von 100 Hibakusha aufzuzeichnen und im Friedensmuseum Hiroshima zu archivieren.


Bekannte Hibakusha (nach Wikipedia)

Die in Hiroshima lebende Schülerin Sadako Sasaki (1943–1955) war zum Zeitpunkt des Atombombenabwurfs 2½ Jahre alt. 1954 wurde bei ihr Leukämie diagnostiziert. Ausgehend von einer japanischen Legende, nach der derjenige, der 1.000 Origami-Kraniche falte, von den Göttern einen Wunsch erfüllt bekäme, begann Sadako während ihres Krankenhausaufenthaltes Papierkraniche zu falten, um so ihre Gesundheit zurückzuerhalten. Aufgrund der weltweiten Verbreitung und Anteilnahme, die ihre Geschichte fand, wurden Origami-Kraniche zu einem Symbol der internationalen Friedensbewegung und des Widerstands gegen einen Atomkrieg.

Der Manga-Zeichner Keiji Nakazawa (1939–2012) überlebte als Schüler den Bombenabwurf auf Hiroshima in der Nähe des Hypozentrums, verlor aber einen großen Teil seiner Familie und erkrankte an Leukämie. Seine Erinnerungen hat er u. a. in der von 1973 bis 1985 veröffentlichten Manga-Serie Barfuß durch Hiroshima festgehalten, die mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet wurde.

Der Arzt Michihiko Hachiya (1903–1980) war Leiter eines Krankenhauses in Hiroshima und überlebte die Atombombe nur etwa 1.500 Meter vom Hypozentrum entfernt. Vom 6. August bis zum 30. September 1945 führte er ein Tagebuch, in dem er die Tätigkeit der Ärzte und Krankenschwestern in der zerstörten Stadt festhielt. Das Werk ist unter dem Titel Hiroshima-Tagebuch auch in andere Sprachen übersetzt worden.

Kazuo Soda (geboren 1930) überlebte den Bombenabwurf auf Nagasaki, verlor aber seinen Bruder und später auch seine Eltern. Er ist ein international bekannter Friedensaktivist und wurde u. a. mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet.

Tsutomu Yamaguchi (1916–2010) erlebte beide Atombombenabwürfe mit: Am 6. August 1945 war er beruflich in Hiroshima tätig und überlebte die Explosion etwa drei Kilometer vom Hypozentrum entfernt. Er kehrte am 8. August in seinen Heimatort Nagasaki zurück und überstand einen Tag später die zweite Explosion, erneut etwa drei Kilometer vom Hypozentrum entfernt. Zusätzlich wurde er in beiden Fällen ionisierender Strahlung ausgesetzt. Er war einer von neun bekannten Überlebenden, die bei beiden Explosionen jeweils in der Nähe des Bodennullpunktes waren, und der einzige jemals behördlich anerkannte „doppelte Hibakusha“.

Araki Takeshi (1916–1994) überlebte den Bombenabwurf auf Hiroshima in einer Fabrik, erkrankte jedoch noch im selben Monat an der Strahlenkrankheit. Von 1975 bis 1991 war er Bürgermeister von Hiroshima und setzte sich Zeit seines Lebens für die Abschaffung von Nuklearwaffen ein. Weltweite Aufmerksamkeit erfuhren seine jährlich am 6. August stattfindenden Friedensdeklarationen, die seit 1947 vom amtierenden Bürgermeister Hiroshimas an die Welt gerichtet werden. Auf seine Initiative hin wurde 1982 die internationale Organisation Mayors for Peace gegründet.


Japans Wunde, Japans Lüge

“Der Atombombenabwurf auf Hiroshima ist in Museen, Filmen, Büchern ausführlich dokumentiert. Über die Zeit danach wird bis heute wenig geredet. Schon gar nicht in Japan. Der Fotograf Kikujiro Fukushima hat diese Zeit in Bilder gefasst… Eine magere Gestalt, von der nur der Rücken und der nach vorne gebeugte Hinterkopf zu sehen sind, hockt vor einer Holzwand. Der rechte Arm, kraftlos abgesunken, ruht auf dem Holz, auf dem seine Fingernägel tiefe Kratzspuren hinterlassen haben. An den Narben lässt sich die Intensität des Schmerzes ablesen. Der Mann ist Sugimatsu Nakamura, Atombombenopfer, Hibakusha. Festgehalten hat die Szene der japanische Fotograf Kikujiro Fukushima, der Nakamura über Jahre hinweg mit der Kamera begleitet hat, bis zu dessen Tod 1967. Manchmal waren seine Schmerzen so unerträglich, dass er sich selbst mit dem Messer in den Oberschenkel schnitt oder seine Nägel ins eigene Fleisch bohrte. Auch das hat Fukushima fotografiert”, so Die Presse am 2. August 2014.

Der Fotograf Kikujiro Fukushima gibt dem menschenleeren Ort der atomaren Zerstörung ein Gesicht, zeigt eine realistische und erschütternde Perspektive davon, was es geheißen haben mag, nach der Bombe weiterzuleben, zeigt den Schmerz, die Armut und soziales Elend der dort Lebenden. “Sugimatsu Nakamura war Fischer und lebte mit seiner Frau und vier Kindern im Süden Hiroshimas, am Meer. Am 6. August 1945 war er in die Stadt beordert worden. Als die Bombe einschlug, war er 1,6 Kilometer vom Epizentrum entfernt. Er wurde von Trümmern verschüttet, konnte sich befreien und irrte stundenlang in der verseuchten Umgebung umher, ehe er mit schweren Verbrennungen in sein acht Kilometer entferntes Haus zurückkehrte. Damit begann sein Leidensweg als Hibakusha. Sein körperlicher Zustand machte es ihm unmöglich zu arbeiten. Krampfartige Anfälle mit extremen Magenschmerzen, Erbrechen, hohem Fieber, Kopfschmerzattacken und enormem Hitzegefühl im Körper suchten ihn wieder und wieder heim; danach konnte er tagelang nur lethargisch auf seiner Matte liegen und dahindämmern. Seine Frau starb kurz nach der Geburt des sechsten Kindes an den Folgen der Verstrahlung.

1952 besuchte ihn der Fotograf Kikujiro Fukushima zum ersten Mal in seiner Hütte. Er brachte Essen und Kleidung für die Kinder und riet ihm, medizinische Unterstützung zu beantragen, die er bis dahin nicht bekommen hatte. Rund ein Jahr später bat Nakamura selbst darum, fotografiert zu werden: Die Welt solle erfahren, wie qualvoll das Leben der Hibakusha ist.”

Aus der frühen Zeit nach dem Ende des Krieges stammt auch eine Fotografie Fukoshimas, die Obdachlose vor der Ruine der ehemaligen Industrie- und Handelskammer mit ihrer skelettartigen Kuppel zeigt, heute Weltkulturerbe und das Symbol Hiroshimas (http://lens.blogs.nytimes.com/2014/01/02/photographing-hiroshima-fukushima-and-everything-in-between/?_php=true&_type=blogs&_php=true&_type=blogs&_php=true&_type=blogs&_php=true&_type=blogs&_r=3#/1). Doch keine ausländischen Besucher sind zu sehen, wie heute, keine Warnhinweise „Betreten verboten“, keine Bäume, keine fein säuberlich gestutzte Hecke, nur Schutt und Trümmer. Und die Obdachlosen, die um ein Feuer hocken. Bis Ende der 1970er-Jahre erstreckte sich am Ufer des Flusses Ota ein Slum aus rund 1000 schäbigen Hütten. „Die Schamgegend Hiroshimas“ wurde dieser Ort genannt. Es war der „Atombombenslum“, denn rund ein Drittel der 3000 Bewohner war Hibakusha, darunter viele Koreaner, die während des Krieges als Zwangsarbeiter nach Japan verschleppt worden waren. Die meisten Slumbewohner waren Tagelöhner. Sie hatten ihre Häuser und nahe Verwandte verloren. Sie bekamen so gut wie keine Unterstützung. Die Überlebenden haben ihr Dasein in bitterer Armut gefristet und lebten bzw. überlebten unter extrem schwierigen Bedingungen. Es gab auch viele Mütter im Slum, die selbst Hibakusha waren, und Kinder mit geistigen und körperlichen Behinderungen zur Welt gebracht hatten, so Die Presse.


Quellen