Prävention & Gesundheitsvorsorge

In der Geschichte der Medizin gibt es seit jeher Anstrengungen, Krankheiten zu verhüten, wobei heute vor allem die Vermeidung chronisch-degenerativer Erkrankungen und so genannter Zivilisationskrankheiten im Mittelpunkt präventiver Anstrengungen stehen.


Biomedizinisches Risikofaktorenmodell

Das Risikofaktorenmodell wurde ursprünglich in den fünfziger Jahren in Zusammenhang mit der Erforschung der koronaren Herzerkrankungen auf der Grundlage von epidemiologischen Studien und Statistiken von Lebensversicherungsgesellschaften entwickelt. Dabei zeigten sich Zusammenhänge zwischen Risikofaktoren wie z.B. hohen Blutfettwerten, Tabakkonsum, Bluthochdruck, Übergewicht, psychischen Ressourcen und dem Auftreten von koronaren Herzerkrankungen, vor allem von Herzinfarkten. Je mehr Risikofaktoren – insbesondere beMännern -, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt zu bekommen.

Da es sich um statistische Zusammenhänge (Korrelationen) handelt, können aus diesem Ansatz heraus aber keine kausalen Interpretationen oder Vorhersagen über die Morbidität[1]Morbidität: Wahrscheinlichkeit, eine Krankheit zu bekommen. bzw. die Mortalität[2]Mortalität: Wahrscheinlichkeit, an einer bestimmten Krankheit zu sterben. einzelner Personen getroffen werden. Die Wirkung der Risikofaktoren ist für den einzelnen Menschen nicht zwangsläufig, es kann nur eine erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeit angenommen werden. Etliche Forschungsergebnisse zum Stellenwert verschiedener Risikofaktoren und deren Wechselwirkungen sowie zur Festlegung von kritischen Werten[3]Kritischer Wert: Wert, ab denen ein Risikofaktor gefährlich ist.und Einwirkungszeiten[4]Einwirkungszeit: Zeit, wie lange ein Risikofaktor bestehen muss, um gefährlich zu sein. sind zudem widersprüchlich.

Da Risikofaktoren als beginnende Krankheiten aufgefasst werden, konzentriert sich die Prävention vor allem auf die Vermeidung von Risikofaktoren und auf individuelle Verhaltensänderungen. Vor allem werden dabei “verhaltensgebundene Risikofaktoren” (wie z.B. Rauchen, Bluthochdruck, Übergewicht) ins Zentrum der Prävention gestellt, wohingegen die “kontext- und verhältnisbezogenen Risikofaktoren” (wie z.B. chronische Arbeitsbelastung, Umwelteinflüsse) derzeit eher noch vernachlässigt werden.         


Programm zur Gesundheitsförderung

Das “Programm zur Gesundheitsförderung” (Health Promotion), das in der Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1986 vorgestellt wurde, ergänzt das biomedizinische Risikofaktorenmodell (und seine damit verbundenen Implikationen). Seine zentralen Merkmale können mit dem Begriff des Lebensweisenkonzepts charakterisiert werden:

Gesundheitsförderung als ein sozial-ökologisches Gesundheits- und Präventionsmodell betrachtet Gesundheit nicht als Ziel, sondern als Mittel, um Individuen zu befähigen, individuelles und gesellschaftliches Leben positiv zu gestalten. Präventive Maßnahmen zielen auf die aktive und selbstverantwortliche Beteiligung von Laien an der Herstellung gesundheitsfördernder Bedingungen und auf den Dialog und die Interaktion zwischen Laien und Professionellen. Der Gesundheitsförderung liegt ein komplexer, mehrdimensionaler Gesundheitsbegriff zugrunde und baut auf einem biopsychosozialen Krankheitsmodell auf. Neben individuellen Ansätzen betont das Konzept der Gesundheitsförderung vor allem die Notwendigkeit struktureller Veränderungen.


Salutogenese

Das Konzept der Salutogenese stammt von Aaron Antonovsky und verzichtet auf eine Definition von Gesundheit. Es richtet sein Interesse auch nicht auf spezifische Symptome, sondern vor allem auf die Tatsache, dass ein Organismus (wenn er erkrankt) seine Ordnung nicht mehr aufrechterhalten kann und “zusammenbricht”. Der salutogenetische Ansatz setzt – anstatt ausschließlich die krankmachenden Einflüsse zu bekämpfen – zusätzlich auf eine Stärkung von Ressourcen, um den Organismus gegen schwächende Einflüsse widerstandsfähiger zu machen. In diesem Kontext ist die Frage von Bedeutung, warum Menschen gesund bleiben und welche Eigenschaften und Fähigkeiten sie darin unterstützen. Durch die Einbeziehung der individuellen Lebensgeschichte einer Person und durch die Erfassung aller ihrer Lebensaspekte lassen sich Ressourcen auffinden und fördern, die wesentlich zur Genesung der Person beitragen können.   


Quelle

Jürgen Bengel, Regine Strittmatter & Hildegard Willmann: “Was erhält Menschen gesund? Antonovskys Modell der Salutogenese – Diskussionsstand und Stellenwert”. Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung Band 6, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln 2001

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Morbidität: Wahrscheinlichkeit, eine Krankheit zu bekommen.
2 Mortalität: Wahrscheinlichkeit, an einer bestimmten Krankheit zu sterben.
3 Kritischer Wert: Wert, ab denen ein Risikofaktor gefährlich ist.
4 Einwirkungszeit: Zeit, wie lange ein Risikofaktor bestehen muss, um gefährlich zu sein.