Sauberkeit, Hygiene und Krankheitsrisiken

„Wahre Sauberkeit“, so Giulia Enders, die Autorin von „Darm mit Charme“ (2014), im Gespräch mit ZEIT Doctor (Nr. 3, September 2017), „bedeutet mehr als nur die Abwesenheit von Schmutz“, vielmehr auch die Anwesenheit von „guten“ Bakterien, die dafür sorgen, dass sich die gefährlichen „Kollegen“ nicht ausbreiten können, sie sogar abtöten.

Während vor hundert Jahren unser (westliches) Verständnis unter Sauberkeit vor allem die Abwesenheit von grobem Schmutz verstand, wurde der Begriff, so Enders, zunehmend psychologischer („sich sauber zu halten“). Heute ist das Thema stark angstbesetzt, man hat Angst sich eine gefährliche Mikrobe einzufangen, wenn man sich nicht ausreichend säubert.

Am Beispiel Händewaschen: Das macht Sinn insbesondere wenn man unterwegs war oder auf fremden Toiletten. Menschen, die sich die Hände waschen, wenn sie von draußen kommen, bekommen deshalb beispielsweise weniger Erkältungen. Händewaschen empfiehlt sich deshalb besonders in der Erkältungssaison.

Übertreiben macht andererseits aber keinen Sinn: Metzger, die keine Handschuhe tragen, sind sauberer als solche mit Handschuhen. Und das nicht nur, weil sie eher merken, wenn sie etwas Dreckiges angreifen und sich dann kurz abwaschen, sondern auch weil die eigene Haut antimikrobielle Stoffe hat. Aus diesem Grund ist die Hand nach einiger Zeit sauberer als ein Handschuh. (Andere Maßnahmen wie zum Beispiel andere Angestellte für Kassa und Fleisch machen da wesentlich mehr Sinn – das ist auch der Grund, warum manche Fleischereien wieder dazu übergehen, die Handschuhe wieder abzuschaffen.)

In einem Experiment, bei dem Menschen ihre Hand in eine Lösung mit Tausenden Bakterien tauchen, im einen Fall mit normalen Hautbakterien im anderen Fall mit E.-Coli-Bakterien, zeigt sich, dass die Hautbakterien weiterwachsen (die Haut sagt quasi: „Ihr seid in Ordnung“), nicht jedoch die gefährlichen E.-Coli-Bakterien (einige Stämme des Bakteriums Escherichia coli produzieren Giftstoffe, welche Durchfallerkrankungen verursachen können), die auf unserer Haut nicht überleben, weil sie gezielt abgetötet werden.

Häufiges Duschen birgt die Gefahr, dass wir unseren bakteriellen Schutzfilm, der uns und unsere Haut schützt, zu stark verdünnen – mit dem unbeabsichtigten Ergebnis, dass wir deshalb stärker und unangenehmer riechen als zuvor. Im Gegenteil dazu zeigen Experimente, dass schlechter Körpergeruch weggeht, wenn wir uns mit gut riechenden Bakterien reinigen würden. Das haben Forscher an der Universität Gent nachweisen können.

Der Grund dafür ist, dass sich durch die Schwächung der körpereigenen guten Bakterien – insbesondere dann, wenn Desinfektionsmittel und antibakterielle Stoffe verwendet werden – die schlechten leichter ausbereiten können. Und schlechter Körpergeruch ist eine Folge von „problematischen“ Bakterien. Mit der Konsequenz, dass häufiges Duschen in der Hoffnung, schlechten Körpergeruch damit entgegenzuwirken, schlussendlich das Problem verstärkt. Generell sollte, so Enders, dem Guten mehr Macht gegeben werden und weniger das Schlechte bekämpft und eliminiert werden.

Insbesondere Desinfektionsmittel, so empfiehlt z.B. auch die FDA, die Arzneimittelbehörde der USA, sollten im Haushalt (unter normalen Bedingungen) überhaupt nicht verwendet werden.


Quelle

Die Zeit Doctor Nr. 3, September 2017 (Beilage zu Die Zeit Nr. 37), S. 4-5, Gespräch mit Giulia Enders (Autorin von „Darm mit Charme“, 2014)