Supervision in Shiatsu

Autoren: ESF-Vorstand
Deutsche Adaptierung: Dr. Eduard Tripp
© November 2020

Der Wert von Supervision

Die ESF ist zu der Überzeugung gelangt, dass jede*r, die*der in den Bereichen Medizin, Gesundheit und Wohlbefinden arbeitet, Supervision benötigt. Supervision soll Praktiker*innen, Lehrer*innen und Student*innen helfen, Probleme zu verstehen, die von Zeit zu Zeit in ihren Beziehungen zu Klient*innen und Student*innen auftreten. In diesem Sinne schützt Supervision Klient*innen und Schüler*innen, trägt dazu bei das Risiko eines schwerwiegenden Versehens zu verringern und hilft Praktiker*innen, Lehrer*innen und Student*innen über ihre eigenen Gedanken, ihre Gefühle, ihr Verhalten und ihre allgemeine Einstellung gegenüber ihren Klient*innen und Schüler*innen zu reflektieren.

Mit anderen Worten: Supervision erhöht den Wert unserer Arbeit, indem sie ein Sicherheitsnetz für Klient*innen, Schüler*innen, Lehrer*innen und Praktiker*innen bietet. Supervision passt daher gut zu der Bedeutung, die wir der kontinuierlichen beruflichen Entwicklung beimessen.


Supervision in Shiatsu

Die im Shiatsu angewandte ganzheitliche Form der Berührung aktiviert das gesamte System – Körper, Geist, Emotion und Seele – und führt zu Beziehungen auf mehreren Ebenen. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns dieser verschiedenen Interaktionsebenen bewusst sind, unsere Rolle darin reflektieren und mit den Reaktionen umgehen, die wir bei unseren Klient*innen und Schüler*innen und diese bei uns auslösen.

Ziel der Supervision ist zum Teil das Verstehen des „eigenen Beitrags“ zum Problem und damit mögliche Lösungen, die sonst nicht gesehen werden können. Wesentliche Teile eines Problems können von Praktiker*innen oder Lehrer*innen ausgehen (systemisches Verständnis) und nicht von ihren Beziehungspartner*innen (Klient*innen und Schüler*innen).


Definition

Supervision ist ein Beratungsansatz für Menschen in ihrem Beruf oder zur Berufsvorbereitung. Supervision hilft uns, berufliches Handeln und berufliche Strukturen aus einer externen Perspektive zu reflektieren, d.h. durch eine Person von außerhalb des beobachteten Systems, die mit Shiatsu vertraut ist, oder durch eine Person von außerhalb der Institution, wenn die Supervision von Shiatsu-Praktiker*innen durchgeführt wird.

In einer Supervisionssitzung schildert eine*ein Berufsangehörige*r einem*einer Supervisor*in ihre Beziehung zu den Klient*innen. Der*die Supervisor*in kann Interventionen vornehmen, die sich entweder auf 1) auf den Inhalt beziehen – indem er*sie dem*der Praktiker*in hilft, seine*ihre Sichtweise auf den*die Klient*in zu korrigieren – oder 2) auf den Prozess – indem er die Muster hervorhebt und klärt, innerhalb derer der*die Praktiker*in den*die Klient*in sieht.

In vielen Bereichen nehmen Fachleute die Dienste eines*einer Supervisor*in in Anspruch, um ihre Arbeit mit Klient*innen, ihre berufliche Entwicklung und sogar ihre eigene persönliche Entwicklung zu überprüfen.

Der Schwerpunkt liegt dabei auf der emotionalen Entwicklung, dem kreativen Denken, dem Verständnis von Organisationsstrukturen und der Entwicklung neuer Perspektiven für ein effektiveres berufliches Handeln. Größere Zufriedenheit und Wohlbefinden in der Beziehung zwischen Privat- und Berufsleben sind weitere Themen der Supervisionsberatungen.


Ziele der Supervision

  • Verbesserung der sozialen Kompetenz
  • Förderung und Stärkung von Ressourcen
  • Formulierung von Zielen, Entwicklung von Strategien
  • Reflexion und Erweiterung der beruflichen Kompetenzen
  • Umgang mit den unterschiedlichen beruflichen Rollen, Aufgaben und Funktionen
  • Reflexion, Verständnis und Bewältigung von schwierigen beruflichen Situationen
  • Unterstützung für einen optimaleren Umgang mit Stress- und Belastungsquellen in Arbeitssituationen.


Ursprünge und Methodik

Supervision ist eine professionelle Dienstleistung, die auf einer Vielzahl von theoretischen Grundlagen und praktischen Ansätzen beruht. Dazu gehören: Psychoanalyse, Kommunikationstheorie, System-, Verhaltens- und Gestalttheorie. Gruppen-, analytische und organisationstheoretische Konzepte werden in die Methode integriert.

Für weitere Informationen zu diesem Thema:


Supervision in Europa: die aktuelle Situation

In den meisten europäischen Ländern ist Supervision gegenwärtig nicht gesetzlich vorgeschrieben. Allerdings gibt es bei der EASC, der Europäischen Vereinigung für Supervision und Coaching www.easc-online.eu Listen von Supervisor*innen, die eine fachlich qualifizierte Ausbildung garantieren. Hier finden sich die aktuellen Regelungen für einige Länder, wobei noch nicht alle Länder vertreten sind. Dieser Zustand des Wandels unterstreicht wohl die noch nicht ganz ausgereifte Bedeutung, die dieser Disziplin beigemessen wird.

In Österreich z.B. ist die Supervision nicht gesetzlich verpflichtend, aber Supervisor*innen, die auf einer der „offiziellen“ Listen (z.B. ÖVS, EAS, ÖBVP) stehen, wird in der gesamten Fachwelt die Erfüllung der notwendigen Ausbildungskriterien zugestanden.


Umsetzung und praktische Aspekte: Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Wir sind uns bewusst, dass es in diesem Bereich derzeit keine klaren gesetzlichen Regelungen gibt. Das erfordert ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein, wenn wir uns in diesem Bereich zurechtfinden wollen. In diesem Sinne laden wir die nationalen Verbände, die in der ESF vertreten sind, ein, diese Empfehlungen an ihre Mitglieder weiterzugeben.

1. Empfohlen oder verpflichtend?

Supervision ist für Lehrer*innen, Praktiker*innen und bis zu einem gewissen Grad auch für Student*innen von Bedeutung.

Für Lehrer*innen sollte sie unserer Meinung nach ein obligatorischer Teil ihrer Ausbildung sein. Sie sollten mit der Supervision und ihren Vorteilen vertraut sein und in ihrer Ausbildung als Lehrer*innen integriert haben. Dadurch sollten sie in der Lage sein, ihren Schüler*innen Supervision als professionelles Instrument zu vermitteln, insbesondere in Problemsituationen. Sie könnte z. B. in die Besprechung von Praxissitzungen integriert werden.

Für Praktiker*innen sollte die Supervision ein empfohlener Teil ihrer Ausbildung und ihres weiteren Berufslebens sein. Wenn wir wollen, dass unser Beruf respektiert wird, dann sollten auch die Praktiker*innen ermutigt werden, den Wert der Supervision für ihr berufliches und persönliches Wachstum zu erkennen.

Für Student*innen kann es hilfreich sein, ein paar Sitzungen mit einem professionellen Supervisor zu absolvieren, eventuell als Gruppenveranstaltung.

2. Wer sollte sich einer Supervision unterziehen?

Wie bereits erwähnt, ist Supervision sowohl für Lehrkräfte als auch für Praktiker*innen und in gewissem Maße auch für Studierende von Bedeutung. Das Hauptaugenmerk der Supervision liegt jedoch auf der Ausbildung der Lehrkräfte. Für Lehrer*innen ist es besonders wichtig durch die Supervision eine zusätzliche Sichtweise zu gewinnen, um sich ihrer Beziehungen in ihrer Arbeit sowohl mit Klient*innen als auch mit Schüler*innen bewusst zu werden. Sie sind dann in der Lage, diese bereichernde Erfahrung in die reguläre Shiatsu-Ausbildung einzubringen. Auf diese Weise wird den angehenden Praktiker*innen bereits während ihrer Ausbildung bewusst, dass Supervision als unterstützende Ressource bei beruflichen Schwierigkeiten zur Verfügung steht.

3. Wie häufig?

Zusätzlich zu der obligatorischen Erstausbildung in Supervision für Lehrer*innen sollten sowohl Lehrer*innen als auch Praktiker*innen ermutigt werden, Supervision in Anspruch zu nehmen, wenn sie in ihrer Praxis mit Klient*innen oder in Unterrichtssituationen mit Schüler*innen Schwierigkeiten haben.

4. Wer sollte dafür bezahlen?

Grundsätzlich sollte derjenige*diejenige, der*die die Supervision in Anspruch nimmt, auch dafür bezahlen. Dies entspricht der Überzeugung, dass wir für unsere eigene Entwicklung als Praktiker*in und Lehrer*in verantwortlich sind. Im Falle von Student*innen könnten die Kosten für die Supervision in die Ausbildung selbst integriert werden.

5. Wer kann Supervisor*in werden?

Die Supervisionsausbildung ist nicht an einen bestimmten oder spezifischen Beruf gebunden. In der Praxis werden häufig Psychotherapeut*innen zu Supervisor*innen. Genauso können Shiatsu-Praktiker*innen, zumindest in Österreich und Deutschland, die Supervisionsausbildung absolvieren und dann als Supervisor*innen arbeiten.

Es ist sinnvoll, dass Shiatsu-Praktiker*innen – sofern sie das Handwerkszeug der Supervision nach den entsprechenden Richtlinien erlernt haben – die Shiatsu-Ausbildung und -Praxis supervidieren, da sie über das notwendige Wissen über Shiatsu als Berufsfeld verfügen. Dieser Ansatz wird auch in anderen Berufsfeldern verfolgt, in denen der*die Supervisor*in nach Möglichkeit über das entsprechende Fachwissen verfügen sollte.

Shiatsu-Praktizierende sollten jedoch niemals Kolleg*innen aus dem gleichen Ausbildungsinstitut supervidieren, auch wenn diese über die notwendige Berufsausbildung verfügen, da ihnen in diesem Fall die notwendige kritische Distanz fehlt.


Abgrenzung der Supervision von anderen Methoden

Ohne eine klare Definition von Supervision ist es leicht, den Begriff falsch zu verwenden. Es gibt andere Kompetenzen und Berufe, die oft mit Supervision verwechselt werden, und ohne deren Bedeutung schmälern zu wollen, erscheint es wichtig, sie zu unterscheiden.

1. Beratung

Beratung ist eine Tätigkeit, die von spezialisierten Personen (Berater*innen) ausgeführt wird und darauf abzielt, „gesunde“ Menschen, die sich vorübergehend in Schwierigkeiten befinden, zu begleiten, zu unterstützen und ihr Potenzial zu entwickeln. Sie unterstützt die inneren Ressourcen der Person, um Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einem bestimmten Aspekt des Lebens zu überwinden.

Sie zielt nicht darauf ab, psychische Störungen zu behandeln, bietet keine Diagnose, Behandlung oder psychologische Unterstützung an und unterscheidet sich in diesem Sinne vom Beruf des*der Psychotherapeut*in. Es handelt sich um eine Tätigkeit der Beziehungskompetenz, die die Kommunikation nutzt, um die Selbsterkenntnis durch Bewusstheit und die optimale Entwicklung der persönlichen Ressourcen für ein befriedigenderes, produktiveres Leben zu erleichtern.

2. Coaching

Coaching ist eine Prozessbeziehung, die auf der Entdeckung und Entwicklung des persönlichen Potenzials beruht. Es handelt sich um einen Prozess der Entwicklung der Fähigkeiten, Ressourcen und Kompetenzen einer Person, der von einer qualifizierten Fachkraft durch die Identifizierung von Bereichen mit Wachstumspotenzial und die Erarbeitung eines Programms zur Erreichung persönlicher oder beruflicher Ziele geleitet wird.

Die Methode bietet dem*der Klient*in Werkzeuge, die es ihm*ihr ermöglichen, seine*ihre Ziele auszuarbeiten und zu identifizieren und seine*ihre persönliche Effektivität und Leistung zu stärken. Coaching kann nicht als Ersatz für eine Therapie bei psychischen Erkrankungen oder Persönlichkeitsstörungen eingesetzt werden.

3. Mentoring

Mentoring ist eine Schulungsmethode, die sich auf eine persönliche Beziehung (formell oder informell) zwischen einer Person mit mehr Erfahrung (Senior, Mentor*in) und einer Person mit weniger Erfahrung (Junior, Mentee, Schützling) bezieht, um Fähigkeiten/Kompetenzen zu entwickeln.

Sie erfolgt über eine mittel- bis langfristige Beziehung. Es handelt sich um einen geführten Lernprozess, bei dem der*die Mentor*in freiwillig Wissen und erworbene Fähigkeiten anbietet und sie in Form von Unterricht und Weitergabe von Erfahrungen teilt, um das persönliche und berufliche Wachstum des Mentees zu fördern.

4. Fallkontrolle

Die Fallkontrolle wird von Lehrkräften und Coaches durchgeführt (d. h. nicht unbedingt extern). Sie dient dazu, Probleme und technische Schwierigkeiten in der Shiatsu-Begegnung selbst in Angriff zu nehmen. Sie wird auch als technische Supervision oder technische Kontrolle bezeichnet.

5. Feedback zur Behandlung durch den*die Lehrer*in

In einigen Shiatsu-Schulen wird das Behandlungsfeedback des*der Lehrer*in als „Supervision“ bezeichnet. Der*die Schüler*in behandelt seinen*ihre Lehrer*in, und der*die Lehrer*in gibt dann ein Feedback zu Aspekten der Behandlung wie Technik, Druck und Qualität des Kontakts. Das unterscheidet sich natürlich in vielerlei Hinsicht von der formalen Definition von Supervision, wie sie oben erläutert wurde.