Worin unterscheiden sich Supervision und Mediation?

Was ist Mediation, was ist Supervision? Wann empfiehlt es sich Mediation, wann Supervision in Anspruch zu nehmen? Die Zeitschrift “Perspektive Mediation” ist in ihrer Ausgabe 3/2006 (Yvonne Hofstetter Rogger) dieser Frage nachgegangen und hat dabei – auszugsweise – folgenden Vergleich angestellt:

Mediation  Supervision
Mediation ist die freiwillige Selbstregulierung von Konflikten mit Unterstützung eines allparteilichen Dritten ohne Entscheidungsgewalt.  Supervision ist eine Form der Beratung, die dazu stimuliert, das eigene Denken, Fühlen und Handeln in beruflichen Kontexten zu reflektieren sowie Selbstreflexion an sich zu lernen.  
Ziel der Mediation ist die einvernehmliche Vereinbarung zwischen allen am Konflikt Beteiligten. Es geht um die sachliche, emotionale und motivationale Klärung und die selbstverantwortliche Regelung von Sach- und Beziehungsfragen. Im transformativen Mediationsansatz wird zudem die Stärkung der Beteiligten in der Vertretung ihrer Anliegen und in der Fähigkeit zum Perspektivenwechsel angestrebt. Versöhnung kann, muss nicht Ziel der Mediation sein.  Ziel der Supervision ist die Verbesserung der Selbststeuerung und die Erhöhung der Entscheidungskompetenz der SupervisandInnen. Sie ermöglicht eine Erweiterung der Denk- und Handlungsmöglichkeiten, Erforschung der eigenen Motive und Handlungsmuster. Sie dient der Klärung der Rollen der SupervisandInnen und weiterer Beteiligter. Je nach Auftrag kann auch Kontrolle in Form von Selbstüberprüfung, kollegiale Kontrolle oder selten Kontrolle durch Experten (z.B. Lehrsupervision) beabsichtigt sein.
Mediation dient der effizienten und effektiven Konfliktregelung (eventuell der Vermeidung von Kosten und Risiken eines Gerichtsverfahrens). Das auf strukturiertes Vorgehen und Fairness angelegte Verfahren dient dazu, Verhandlungsrisiken zu begrenzen und ein konstruktives Verhandlungsklima zu schaffen. Das Ergebnis einer gelungenen Mediation ist eine zukunftsorientierte Lösung, eine nachhaltige Regelung sowie die Verbesserung der Kommunikation in Konflikten. Die eigenverantwortliche Konfliktregelung dient der Prävention weiterer Konflikte und deren Folgeschäden. Erkenntnisse aus der Konfliktanalyse und -regelung können genutzt werden für notwendige Veränderungen in der Organisation, in der der Konflikt entstanden ist.  Supervision dient der Erhöhung der Arbeitsqualität und Arbeitszufriedenheit, Stärkung der Selbstreflexion, Bewältigung anforderungsreicher Berufssituationen sowie der Burnout-Prävention. Mit Teamsupervision kann die Zusammenarbeit optimiert werden. Der erwartete Nutzen besteht in der Erhöhung von Effizienz, Effektivität, Verantwortung, Verbindlichkeit und Vertrauen in der Kooperation von Teams. Supervision wird gesehen als wirkungsvolles Instrument der beruflichen und persönlichen Weiterbildung.
MediatorInnen sind VermittlerInnen. Die Rolle ist explizit definiert (z.B. im Mediationsvertrag). Sie sind verantwortlich für die Gestaltung des Settings der Konfliktregelung und die Steuerung des Kummunikationsprozesses. Mit zunehmender Entwicklung des Prozesses wirken sie stärker als Katalysatoren für die direkte Kommunikation der Konfliktbeteiligten und nehmen sich als Intervenierende zurück. Sie sind nicht verantwortlich für die inhaltliche Regelung des Konfliktes. Diese obliegt den Konfliktbeteiligten selbst.  SupervisorInnen sind BeraterInnen. Sie gestalten Settings für die Reflexion, sei es für Einzelne oder Gruppen. Sie dienen als Spiegel und kritisch Fragende bei der Analyse von Situationen und Motiven. Als Lotse unterstützen sie SupervisandInnen bei der Erschließung neuer Denk- und Handlungsmöglichkeiten. Sie verstehen sich als kritisch Unterstützende und AnimatorInnen von Lernprozessen. Die Rollen von SupervisorInnen sind nicht abschließend definiert. Es bestehen unterschiedliche Rollenverständnisse und Rollenerwartungen.
Mediation ist angezeigt bei Konflikten oder bei Streitigkeiten aller Art, bei denen die Beteiligten selbst an die Grenzen einer direkten Regelung stoßen. Sie ist besonders dann geeignet, wenn die Beteiligten auch nach der Regelung weiter miteinander zu tun haben und wenn gegenseitige Abhängigkeiten bestehen. Bei justiziablen Konflikten ist Mediation angezeigt, wenn eine rasche, pragmatische Regelung einem langwierigen Gerichtsverfahren vorgezogen wird. Bei Konflikten, die sowohl eine interpersonale wie eine organisationale Dimension umfassen (Verknüpfung von Systemproblemen und zwischenmenschlichen Konflikten) kann Mediation auf der interpersonalen Ebene ansetzen und Impulse für die Systemebene auslösen, insbesondere, wenn dies im Auftrag bewusst mitbedacht ist. Wenn die Beteiligten Mediation gänzlich ablehnen oder einen anderen Weg als erfolgreicher betrachten, ist das Verfahren wenig aussichtsreich. Starre, große Machtdifferenzen, die mit anderen Mitteln als der Mediation begrenzt werden können, sprechen gegen eine Mediation. Mediation ist fraglich, wenn die rechtliche Dimension den Streit beherrscht und in einem rechtlich orientierten Verfahren rasch und eindeutig gelöst werden kann.  Supervision kann als regelmäßige oder punktuelle Unterstützung von Fachleuten in verantwortungsvollen, menschlich anforderungsreichen Berufen in Anspruch genommen werden. Sie kann auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt zur Reflexion besonderer Herausforderungen oder Veränderung eingesetzt werden. In Konflikten kann sie dann passender sein als Mediation, wenn es sich in erster Linie um intrapersonale Konflikte oder um Beziehungskonflikte handelt, bei denen kaum Sachfragen zur Diskussion stehen. Sie ist auch dann angezeigt, wenn es nicht primär um Konfliktklärung und -regelung geht, sondern wenn ein Konflikt vertieft aufgearbeitet werden soll. Für Supervision und Mediation gilt, dass sie nicht angemessen sind, wenn sie angeordnet werden, um Konflikte beizulegen, die stellvertretend für System- oder Führungsmängel stehen. Es besteht die Gefahr, dass Systemprobleme auf die individuelle oder interindividuelle Ebene geschoben werden.
Mediation ist ein strukturiertes, informelles Verfahren, das auf gegenseitigen Respekt baut. Es beruht auf dem Grundsatz der Freiwilligkeit der Beteiligung oder zumindest der Freiwilligkeit dabei zu bleiben und eine Vereinbarung zu unterzeichnen. MediatorInnen orientieren sich an den Prinzipien von Unabhängigkeit und Äquidistanz gegenüber den Konfliktbeteiligten sowie Offenheit gegenüber den möglichen Ergebnissen (im Wissen um die Relativität der Prinzipien). Im Zentrum steht die Redelegation der Verantwortung für die Entscheide an die Beteiligten (Selbstbestimmung). Die Mediation ist vertraulich. Über Informationen an Außenstehende wird gemeinsam entschieden.  Die Gespräche sind vertraulich. Es wird Wert gelegt auf die Professionalität der SupervisorInnen, Transparenz des Auftrags und Systematik in der Anleitung zur Reflexion und Erweiterung des Denk- und Handlungsspektrums. SupervisorInnen geben kritisches und stützendes Feedback. Sie beziehen ihre Einsichten durch die SupervisandInnen und arbeiten nicht direkt im Feld. SupervisandInnen handeln nicht stellvertretend für die SupervisandInnen außerhalb der Supervision.
Je nach Modell orientieren sich MediatorInnen stärker an einer effizienten und effektiven Streitregelung (Fokus auf dem Ergebnis) oder an der Neustrukturierung der Beziehungen und der Konfliktfähigkeit (Fokus auf den Prozess).  Je nach Modell und der theoretischen Basis orientieren sich SupervisorInnen mehr an der Funktionalität der Zusammenarbeit, an der individuellen Weiterentwicklung der Fachlichkeit, der Entfaltung der Persönlichkeit oder an der Qualität der durch die SupervisandInnen zu erbringenden Leistungen.